Jeder der mich kennt, weiß, dass ich meist spontan und offen über mich rede.
Das hat mir schon oft Kritik eingebracht. Ich sollte besser vorsichtig mit meinen Daten umgehen und ich sollte nicht so viel über mich erzählen, da man es zu meinem Nachteil auslegen könnte.
Die Angst, verletzt zu werden und die Angst sich bloß zu stellen, verhindern wohl, dass die meisten von uns lieber gar nichts über sich erzählen, als ein Wort zu viel.
Aber, tun wir uns selbst einen Gefallen damit, wenn wir uns bedeckt halten? Sollen andere wirklich von uns glauben, dass wir edel und gut und perfekt sind? Wenn ja, zu welchem Zweck?
Wenn sich mir gegenüber einer gibt, als könne ihm nichts etwas anhaben., als wäre er stark und unverletzbar, bin ich dann nicht geneigt, mit ihm auch etwas derber umzugehen?
Andersherum – wenn jemand sich sehr zart gibt und weinerlich ist, bin ich dann nicht geneigt, sehr vorsichtig mit ihm umzugehen?
Ich halte beides für falsch und unecht und in keinem der beiden Fälle kann ich der Person gerecht werden.
In mir steckt alles – ein kleiner Teufel, ein zartes Seelchen, eine treusorgende Mutter und Ehefrau; aber auch eine rechthaberische, dickköpfige Frau, die nicht immer so gerecht ist, wie sie gern wäre. Und jede Menge Fehler habe ich! Da fällt es nicht leicht, meinen Kindern ein gutes Vorbild zu sein. Zu den Fehlern, die ich von Hause aus habe, kommen noch jene, die ich immer wieder begehe. Wie will ich meinen Kindern ihre Fehler unter die Nase reiben?
Es heißt doch immer, dass man erstmal besser sein muss, wenn man andere belehren will.
Da ist was dran, wie ich meine.
Inzwischen gibt es für alles und Jedes Selbsthilfegruppen. Warum wohl brauchen wir die?
Nach meinem Verständnis genau aus dem Grunde, weil in den Familien nach wie vor nach einem Schema gelebt wird: Es gibt ein schwarzes Schaf in unserer Familie, also wird darüber Stillschweigen bewahrt! Es kann nicht sein, was nicht sein darf!
Ein schwarzes Schaf! Aha! Ja, wie wo was? Woran erkenne ich das? Nanu, es tickt nicht so, wie der Rest der Familie? Womöglich auch noch Alkoholiker? Auweia!
Ach, ist ja bloß der Onkel, den lassen wir einfach links liegen, mit sowas kann man sich ja nicht abgeben, was sollen da die Leute von uns denken?!
Dann schlägt der auch noch im Suff seine Frau und die Kinder. Das darf erst Recht keiner wissen. Wie steht man denn dann da?
Wir sind schließlich alle rechtschaffene und gute Menschen, die ihrer Arbeit nachgehen, treue Eheleute sind und vorbildliche Eltern – so sieht das aus! So soll es nach außen aussehen.
Letztendlich taugt nur derjenige was, der im Leben steht und seiner geregelten Arbeit nachgeht. Geld ist wichtiger als Charakter. Oder so herum – einen guten Charakter hat nur jemand, der sein Geld verdienen geht und es für alle sichtbar macht (Auto, Haus und modische Kleidung).
Dabei spielt uns das wahre Leben doch so manchen Streich und fast immer geht es dabei um Herzensdinge, die uns straucheln lassen. Warum machen wir uns alle vor, dass es das Geld ist, das uns am Leben hält? Wenn das so einfach wäre, warum sind dann so viele unter uns seelisch im Eimer?
Weil wir das, was wir uns von Herzen wünschen, entweder nicht bekommen, oder weil wir nicht darüber reden, weil es uns peinlich ist. Ich finde, ich muss meinen Kindern nicht vorspielen, glücklich zu sein, wenn ich in Wahrheit unzufrieden bin. Gerade meine Kinder müssen doch wissen, was für ein Mensch ihre Mutter ist. Und sie sollen sogar wissen, dass ich auch nicht fehlerfrei bin – geschweige, perfekt. Und genau darum würde ich von meinen Kindern auch nie erwarten, dass sie perfekt zu sein haben. Auch wenn es mich als Mutter noch so schmerzt, wenn ich sehe, dass meine erwachsenen Kinder sich ziemlich quälen, sei es wegen der fehlenden Finanzen, der Arbeit – sei es wegen Partnerschaftsprobleme – ich kann es nicht verhindern, aber ich kann ihnen meine Aufmerksamkeit schenken; ihnen helfen, wo es geht – und egal, welche Fehler sie machen – ihnen zeigen, dass sie bei mir immer ihre Geborgenheit haben werden. Ja, ich erzähle ihnen von meinen Fehlern und Fehlentscheidungen – nicht, weil ich denke, dass sich dadurch ein Dilemma verhindern ließe, sondern, weil ich der Überzeugung bin, dass die Dinge beim Namen zu nennen mehr Früchte bringt, als so zu tun, als ob nur irgendwer anders Fehler machte, nur man selbst nicht..
Außerdem weiß ich aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist, für sich den richtigen Weg zu finden, also muss ich meine Erwartungshaltung ganz tief runterschrauben.
Es ist ohnehin eine schlechte Eigenschaft von uns, immer nur über andere zu reden, oder „man“ zu sagen. Es ist vielleicht schwieriger in der „ICH-Form“ zu reden, aber dafür finde ich so eher Gehör . Wenn ich anderen zuhöre, die über sich reden, erkenne ich mich sehr oft in ihren Erzählungen wieder. Das ist es, was Selbsthilfegruppen so attraktiv macht.
Ich kann es auch nicht leiden, wenn mir einer belehrend mit dem ausgestreckten Zeigefinger daher kommt, also wunderts mich auch nicht, dass Kinder und Jugendliche dann direkt auf Durchzug schalten.
Dieses „man sollte“, „man müsste“ usw. verhindert zudem, dass ich mich mit mir auseinandersetze. Dieses „ICH sollte und ICH müsste“ bringt mich immer dazu, mir selbst auf den Zahn zu fühlen –
eine gute Übung!;)