Versöhnung mit dem Tod

  • In den letzten Wochen und Monaten haben viele Todesfälle die Öffentlichkeit bewegt. Prominente (wie Newton) und unbekannte Menschen starben auf unterschiedlichste Weise- so ist das Leben .

    In meiner eigenen Familie verstarben Menschen, mit denen ich eng verbunden war. Sie waren alt, aber ein Teil meines Lebens. Das fehlt mir jetzt - einfach weg!
    Nun sind wir die letzten - die nächsten.

    Plötzlich wird einem bewusst, dass Menschen vergängliche Wesen sind, und wenn sie auch Spuren hinterlassen, so sind sie doch eines Tages nicht mehr da. Wo sind sie?

    Der Pfarrer benutzte bei einer der Beerdigungen ein tröstliches (?) Bild:
    "Stellen Sie sich vor, der Verstorbenen segele wie ein Schiff auf einem großen Ozean. Das Schiff fährt Richtung Horizont und plötzlich ist es für unsere Augen nicht mehr zu sehen.
    Die einen von uns meinen nun, es sei einfach verschwunden, weg.
    Die anderen glauben, dass es hinter dem Horizont weitergeht, dass er dort die vor ihm verstorbenen Mitglieder seiner Familie und Freunde wiedertrifft...."

    Schön, das Gefühl, dass man auch hinter dem Horizont nicht allein ist, dass es dort weitergeht. Aber unvorstellbar das WIE?
    Wie soll das gehen?
    In welcher Weise könnte das sein?

    Wenn ich dort alle wiederträfe, die bereits vor mir verstorben sind, möchte ich sie überhaupt alle wiedersehen?
    In welcher FORM sollte das sein?

    Viele Menschen glauben an die Wiedergeburt.
    Auch hier steht die Frage WIE? im Vordergrund. Wer möchte schon als Regenwurm wiedergeboren werden?!

    Dann gibt es noch die, die meinen, mit dem Tod sei alles zu Ende. Erschreckender Gedanke?
    Oder hat nicht auch er etwas Tröstliches, wenn man daran denkt, was man alles nicht mehr ertragen, erleiden, erdulden muss und dass da gar nichts ist, wovor man Angst haben muss, wenn man einfach aufhört zu denken, zu fühlen, zu existieren.?!

    Habt Ihr Euch auch schon einmal solche Gedanken gemacht?
    Was meint Ihr dazu?

    Ein Funke, kaum zu sehen, entfacht doch helle Flammen.  [color=#000000]eg 659

  • ich für mich habe mir gedanken über den tod gemacht, weil erst der tod das leben richtig "klärt". da ich im moment nicht so viel zeit habe und übers wochenende einen auftrag erledigen muß, schreibe ich später dazu mehr, denn das thema ist mir sehr nah...

    Das Gras wächst auch nicht schneller, wenn man dran zieht.

    - Afrikanisches Sprichwort -

  • Passt auch zum Thema, das Gedicht

    Fragen
    von Heinrich Heine

    Am Meer, am wüsten, nächtlichen Meer
    Steht ein Jüngling-Mann,
    Die Brust voll Wehmut, das Haupt voll Zweifel,
    Und mit düstern Lippen fragt er die Wogen:
    "O löst mir das Rätsel,
    Das qualvoll uralte Rätsel,
    Worüber schon manche Häupter gegrübelt,
    Häupter in Hieroglyphenmützen,
    Häupter in Turban und schwarzem Barett,
    Perückenhäupter und tausend andere
    Arme schwitzende Menschenhäupter -
    Sagt mir, was bedeutet der Mensch?
    Woher ist er gekommen? Wo geht er hin?
    Wer wohnt dort oben auf goldenen Sternen?"
    Es murmeln die Wogen ihr ewges Gemurmel,
    Es wehet der Wind, es fliehen die Wolken,
    Es blinken die Sterne, gleichgültig und kalt,
    Und ein Narr wartet auf Antwort.

    Ein Funke, kaum zu sehen, entfacht doch helle Flammen.  [color=#000000]eg 659

  • Ich persönlich halte zwei Sachverhalte dabei für zentral ... da ist zum einen das Phänomen der Angst:

    Im Horizont des Todes werde ich mir dessen bewußt, dass man eben doch nur ein kleines und genaugenommen recht belangloses Körnchen im Universum ist ... die große Mär von der eigenen Wichtigkeit, über viele Jahre nie hinterfragt, nun löst sie sich auf und man stellt zudem fest, die Zeit ist abgelaufen, man kann also wenig mehr korrigieren. Da stellen sich natürlich Fragen wie:

    1. Welchen Sinn hat das Ganze gehabt ?
    2. Lasse ich was unvollendet zurück ?
    3. Hätte manches anders laufen sollen, müssen ?
    4. War das richtig, was war ?
    5. Gehe ich hin in Frieden, wie es so schön heißt ?

    und so erscheint der Inbegriff von Zweifel und Angst, so denkt

    :neu: Garp

    p.s. den andern Sachverhalt ein ander mal ;)

  • hab ich den zweiten Aspekt vergessen, den ich im Thema für wichtig hielt; gehe aber mal davon aus, er fällt mir irgendwann wieder ein und dann hole ich das nach.

    Hier würde ich gerne einen Randaspekt kurz beleuchten, der mich die letzten Wochen sehr bewegt: Ich nenne es mal eingebildete Krankheit. Da ich selbst schon geraume Zeit mit diversen Krankheitseinschränkungen zu kämpfen habe, eigentlich von einer Sache in die nächste rutsche, bekomme ich mittlerweile mit, wie sich das Geschehen scheinbar verselbständigt. Es bewegt sich vieles in die Richtung, es muss was Dramatisches sein, wobei die jeweiligen Symptome halt nur ein äußeres Zeichen sind für etwas, das dahinterliegend verdeckt ist. Ich kenne sowas eigentlich gar nicht ... aber ich bewege mich mit dem Phänomen voll im Thema ... so denkt

    0139.gif Garp

    mich würde mal interessieren, wie ihr das seht.

  • schön erklärt, Mindiyana


    Zitat

    es muss was Dramatisches sein


    hat mich stutzig gemacht. ich schätze mal, du kannst das irgendwoher ableiten?

    andere (weniger individuelle) möglichkeiten wären midlife crisis. wechseljahre. hormonelles ungleichgewicht aufgrund schilddrüsenstörung.

    wenn du einen anfang brauchst, um dir auf die schliche zu kommen, besorg dir das alte buch von thorwald detlefsen "Krankheit als Weg"

  • was du schreibst, garp, erinnert mich sehr an einen mir sehr nahestehenden menschen... der schlendert - auch sichtbar - von einer "kleinigkeit" in die andere und ich weiß, dass das ganze eigentlich schon in seiner kindheit seinen gang genommen hat und diese angst ihn schon eine halbe ewigkeit begleitet... immer wieder das damoklesschwert scheinbar über ihm hängt...

    manchmal habe ich angst um ihn und denke selbst, dass etwas größeres dahinter stecken muß und dann denke ich wieder, dass es zeit wird, dass er anfängt, seine ängste anzugehen...

    verselbstständigen halte ich für einen ziemlich treffenden begriff... ich stelle an diesem geliebten menschen immer wieder fest, dass er keine zeit findet aufzuatmen, geschweige denn kraft zu schöpfen...

    für mich ist er ein sehr kopflastiger, sehr sehr sensibler mensch und manches mal wünschte ich, er würde etwas mehr auf der heiteren seite des lebens stehen... er betreibt einfach zu viel denkarbeit...

    ich weiß nicht, ob dir das weiter hilft, garp, aber ich weiß, dass es diesem geliebten menschen immer wieder gut tut, aufmunterungen von mir zu bekommen ... ich versuche, ihn immer wieder mit der ganzheitlichen medizin in berührung zu bringen, aber noch ist er nicht offen dafür... leider...

    Das Gras wächst auch nicht schneller, wenn man dran zieht.

    - Afrikanisches Sprichwort -

  • Zitat

    Original von kolibri

    Der Pfarrer benutzte bei einer der Beerdigungen ein tröstliches (?) Bild:
    "Stellen Sie sich vor, der Verstorbenen segele wie ein Schiff auf einem großen Ozean. Das Schiff fährt Richtung Horizont und plötzlich ist es für unsere Augen nicht mehr zu sehen.
    Die einen von uns meinen nun, es sei einfach verschwunden, weg.
    Die anderen glauben, dass es hinter dem Horizont weitergeht, dass er dort die vor ihm verstorbenen Mitglieder seiner Familie und Freunde wiedertrifft...."

    Ich hab mir mal bei CW aus einem der vielen Threads in denen es schon gepostet wurde, das folgende ausgeliehen ... ich glaube, das war es, was Du meintest Kolibri:

    what is dying?

    a ship sails and i stand
    watching til she fades on the horizon,
    and someone at my
    side says, "she is gone".
    gone where? gone from my
    sight, that is all; she is just
    as large as when i saw her...
    the diminished size and total
    loss of sight are in me, not in
    her, and just at the moment
    when someone at my side
    says "she is gone", there are
    others who are watching her
    coming, and other voices
    take up a glad shout, "there
    she comes!"...and that is
    dying.

    Wenn ich mich nicht irre, stammte es wohl mal von einem Bishop Brent (Angabe leider ohne Gewähr)

    _________________________________________

  • Ja, das ist es was ich meine.

    Wahrscheinlich hat der Pfarrer bei der Beerdigung meines Onkels eine Übesetzung des Textes von Bishop Brent (ohne Quellenangabe natürlich!) benutzt.

    Auf jeden Fall gibt es genau das wieder, was im Glauben tröstlich finde in Bezug auf den Tod.

    Ein Funke, kaum zu sehen, entfacht doch helle Flammen.  [color=#000000]eg 659

  • Zitat

    Original von Garp
    Ich nenne es mal eingebildete Krankheit. Da ich selbst schon geraume Zeit mit diversen Krankheitseinschränkungen zu kämpfen habe, eigentlich von einer Sache in die nächste rutsche, bekomme ich mittlerweile mit, wie sich das Geschehen scheinbar verselbständigt. Es bewegt sich vieles in die Richtung, es muss was Dramatisches sein, wobei die jeweiligen Symptome halt nur ein äußeres Zeichen sind für etwas, das dahinterliegend verdeckt ist.

    Garp, bei mir ist vor kurzem eine Autoimmunerkrankung (KEIN AIDS!) festgestellt worden, von der ich gar nicht wusste, dass es sie gibt. Sie ist aber weiter verbreitet, als man annimmt und noch nicht wirklich gut erforscht - sprich, man kann NICHTS machen.
    Aber diese Krankheit hat ganz viele unterschiedliche Symptome und kann alle möglichen Folgeerkrankungen nach sich ziehen. Sie ist aber nicht (unbedingt) tödlich.

    Vielleicht handelt es sich bei Dir um ähnliches????
    Renne solange den Ärzten die Bude ein, bis sie Dir sagen können, was mit Dir los.
    Auch psychosomatische Erkrankungen lassen sich als solche diagnostizieren!

    :wow: Schönheit ist nur eine Frage der Einstellung 8)

    Einmal editiert, zuletzt von Adonis (15. April 2004 um 11:44)

  • Es ist November. Ein Monat, in dem seltsamerweise viele Menschen sterben.

    Außerdem ist übermorgen Ewigkeits- oder Totensonntag. Ein Tag an dem man der Verstorbenen gedenkt.

    Anlässe, sich mal wieder Gedanken über den Tod (auch den eigenen) zu machen.

    Vorige Woche starb ein Mann, der in Jugendtagen ein guter Freund, eine Jugendliebe war. Missverständnisse und jugendliches Fehlverhalten führten uns auseinander - völlig! Das tat mir schon lange sehr leid und ich hoffte immer, mal mit ihm darüber reden zu können. - Zu spät! ODER???

    Heute las ich eine Todesanzeige, die mir gut gefiel:

    "Steht nicht am Grab mit verweintem Gesicht.
    Ich bin nicht da, ich schlafe nicht.
    Ich bin im Wind, der weht über die See,
    ich bin das Glitzern im weißen Schnee.
    Ich bin die Sonne auf reifender Saat,
    ich bin im Herbst in der goldenen Mahd.
    Steht nicht am Grab in verzweifelter Not,
    ich bin nicht da, ich bin nicht tot."
    etc.

    Wenn ich sterbe, dann wünsche ich mir, dass alle Freunde und Verwandte zusammenkommen und ein schönes Fest mit viel Musik feiern, denn es besteht kein Grund zum Weinen.

    Morgen werde ich einen Tanz-Workshop besuchen zum Thema "Ewigkeitssonntag" und Psalm 30 "Du verwandelst meine Klage in Tanz, Du verwandelst meine Trauer in Freude" (modernisierte Kurzform) - darauf bin ich sehr gespannt.

    Ein Funke, kaum zu sehen, entfacht doch helle Flammen.  [color=#000000]eg 659

    Einmal editiert, zuletzt von kolibri (20. November 2004 um 00:13)

  • Zitat

    Wenn ich sterbe, dann wünsche ich mir, dass alle Freunde und Verwandte zusammenkommen und ein schönes Fest mit viel Musik feiern


    das werden sie nicht tun (können/dürfen), sie sind auch christen...

  • Zitat

    Original von Käptn Nemo
    das werden sie nicht tun (können/dürfen), sie sind auch christen...

    Wieso nicht???

    Mexikaner sind auch Christen ... jedenfalls viele...

    Ein Funke, kaum zu sehen, entfacht doch helle Flammen.  [color=#000000]eg 659

  • *ggg* Ich auch nicht! Aber in Mexiko wird eine Beerdigung richtig "gefeiert".
    Warum sollte das hier nicht gehen?

    Ich werde das schriftlich hinterlegen, vielleicht hält sich jemand an meinen Wunsch!??

    Wehe, wenn ich Krokodilstränen sehe, dann komme ich spu(c)ken. :]

    Von mir aus kann weinen, wer will (vielleicht sind sie aber auch froh, mich loszusein), aber ich hasse schwarze uniforme Kleidung und schwere Trauermusik ...

    Ich habe ein schönes, buntes Leben mit vielen Festen gehabt, deshalb möchte ich auch so beerdigt werden.
    Wer könnte daran etwas auszusetzen haben?

    Ein Funke, kaum zu sehen, entfacht doch helle Flammen.  [color=#000000]eg 659

  • Zitat

    Warum sollte das hier nicht gehen?


    weil wir uns hier an unsere regeln halten: es ist mittlerweile zwar möglich, eigene musik zur trauerfeier mit in die kapelle zu bringwen, die darf aber nicht fröhlich sein. always look on the bright side of death *trällerpfeiff*
    in New Orleans und Louisiana tanzt man auf der straße: der tote hat den sprung in ein besseres dasein geschafft!

    wir tragen zur beerdigung auch "gedeckte" farben. in japan ist weiß die passende farbe bei beerdigungen.

    man könnte ne menge von anderen religionen lernen aber, wer will das schon..? ;)


    Zitat

    Wer könnte daran etwas auszusetzen haben?


    zum einen derjenige funktionär, der die trauerfestlichkeit durchführt, zum anderen all diejenigen, die so schmerzlich deinen verlust oder vielmehr ihr selbstmitleid beklagen. "deine" vorstellung einer trauerfeier könnte nur hinter verschlossenen türen, im privaten stattfinden. *grinz*

  • Zitat

    Wenn ich sterbe, möchte ich gerne eine Seebestattung


    tse... du als nicht-meer-und-auch-nicht-see-anwohnerin müsstest erstmal deien besondere neigung zur see glaubhaft(!) machen.
    hier kann nicht jede sterben, wie sie will, das würde die anderen nur verunsichern...

  • Zitat

    Original von Mindiyana
    Wenn ich sterbe, möchte ich gerne eine Seebestattung. Erst verbrennen und dann die Urne im Meer versenken. Noch lieber wäre es mir, wenn man die Asche in alle Winde zerstreuen könnte, aber das ist ja nicht erlaubt.
    ...

    Doch, es gibt inzwischen die Möglichkeit, die Asche zu verstreuen. Wir hatten gerade so einen Fall, wo es so gewesen sein soll.... muss mich nochmal erkundigen.

    Eine Seebestattung hatte sich unser Nachbar (ein Kapitän) gewünscht. Er hat sie auch bekommen, aber seine Witwe hat nichts, wo sie hingehen kann, um zu trauern. Sie kann kein Grab pflegen, sie hat nur diese ungewisse Ahnung, dass er jetzt dort bei Cuxhaven irgendwo ist...
    Sie kommt darüber einfach nicht hinweg. Das Ganze liegt nun ca. 6 Jahre zurück.

    Wir haben auch mehrere Fälle von anonymen Bestattungen in unserer Gemeinde. Der schlimmste ist einer, wo der Mann im Ausland verstorben und dann anonym beerdigt worden ist ... die Witwe hat keinen Schimmer wo.

    Hinterbliebene brauchen einen Ort zum Trauern, den sie immer wieder aufsuchen, wo sie verweilen und sich dem Verstorbenen nahe fühlen können. Daran sollte man auch denken, wenn man bestimmte Dinge verfügt. Vor allem vorher mit der Familie darüber sprechen.

    Meine Kinder waren entsetzt, als sie hörten, dass ich mich verbrennen lassen wollte. Sie sagten: "Du bist doch keine Hexe" (manchmal denken sie anders darüber gg). Deshalb ist dieses Thema fürs erste erledigt.

    Ein Funke, kaum zu sehen, entfacht doch helle Flammen.  [color=#000000]eg 659

  • seebestattung geht schon, ja. aber du must tatsächlich die besondere liebe der/des toten zur see glaubhaft machen. so war es bei einer bekannten meiner frau. schwachsinn.

    und dann die trauernden zurückgebliebenen..
    eigentlich geht es doch nur um sie bei beerdigungen und trauerfeiern, oder? der/die tote ist eh' dahin.

    orte zum trauern...
    das sind orte des verarbeitens, der inneren kommunikation oder der pflege des selbstmitleides.
    als mein bruder gestorben ist war ich 20. jede kneipe ist ein besserer ort ihm nah zu sein als der schönste friedhof. *schudder*

  • Vielleicht ist es egal, wo oder wie dieser Ort bzw. "Kommunikationsraum"
    ist, aber es muss, denke ich, zumindest für die meisten von uns,einen geben.

    Vielleicht kommt es auch darauf an, wieviele und welche Erinnerungen man an den Verstorbenen hat ... :nix:


    [edit: ohne geht nicht]

    Ein Funke, kaum zu sehen, entfacht doch helle Flammen.  [color=#000000]eg 659

    Einmal editiert, zuletzt von kolibri (20. November 2004 um 01:38)