...und täglich grüsst der Nikolaus


  • Eines Tages stand ein junger Mann mitten in der Stadt und erklärte, dass er das schönste Herz im ganzen Tal habe.

    Eine große Menschenmenge versammelte sich, und sie alle bewunderten sein Herz, denn es war perfekt. Es gab keinen Fleck oder Fehler in ihm. Ja, sie alle gaben ihm recht, es war wirklich das schönste Herz, was sie je gesehen hatten.

    Der junge Mann war sehr stolz und prahlte lauter über sein schönes Herz. Plötzlich tauchte ein alter Mann vor der Menge auf und sagte: "Nun, dein Herz ist nicht mal annähernd so schön, wie meines."

    Die Menschenmenge und der junge Mann schauten das Herz des alten Mannes an. Es schlug kräftig, aber es war voller Narben, es hatte Stellen, wo Stücke entfernt und durch andere ersetzt worden waren. Aber sie passen nicht richtig, und es gab einige ausgefranste Ecken.

    Genauer an einigen Stellen waren tiefe Furchen, wo ganze Teile fehlten. Die Leute starrten ihn an: Wie kann er behaupten, sein Herz sei schöner, dachten sie?

    Der junge Mann schaute auf des alten Mannes Herz, sah dessen Zustand und lachte: "Du musst scherzen", sagte er, "Dein Herz mit meinem zu vergleichen. Meines ist perfekt und deines ist ein Durcheinander aus Narben und Tränen."

    "Ja", sagte der alte Mann, "deines sieht perfekt aus, aber ich würde niemals mit dir tauschen. Jede Narbe steht für einen Menschen, dem ich meine Liebe gegeben habe. Ich reiße ein Stück meines Herzens heraus und reiche es ihnen, und oft geben sie mir ein Stück ihres Herzens, das in die leere Stelle meines Herzens passt. Aber weil die Stücke nicht genau sind, habe ich einige raue Kanten, die ich sehr schätze, denn sie erinnern mich an die Liebe, die wir teilten.

    Manchmal habe ich auch ein Stück meines Herzens gegeben, ohne dass mir der andere ein Stück seines Herzens zurückgegeben hat. Das sind die leeren Furchen. Liebe geben heißt manchmal auch ein Risiko einzugehen. Auch wenn diese Furchen schmerzhaft sind, bleiben sie offen und auch sie erinnern mich an die Liebe, die ich für diese Menschen empfinde. Und ich hoffe, dass sie eines Tages zurückkehren und den Platz ausfüllen werden.

    Erkennst du jetzt, was wahre Schönheit ist?"

    Der junge Mann stand still da und Tränen rannen über seine Wangen. Er ging auf den alten Mann zu, griff nach seinem perfekten jungen und schönen Herzen und riss ein Stück heraus. Er bot es dem alten Mann mit zitternden Händen an. Der alte Mann nahm das Angebot an, setzte es in sein Herz. Er nahm dann ein Stück seines alten vernarbten Herzens und füllte damit die Wunde des jungen Mannes Herzen. Es passte nicht perfekt, da es einige ausgefranste Ränder hatte. Der junge Mann sah sein Herz an, nicht mehr perfekt, aber schöner als je zuvor, denn er spürte die Liebe des alten Mannes in sein Herz fließen.

    Sie umarmten sich und gingen weg, Seite an Seite.



  • Es war einmal eine Insel, wo alle verschiedenen Gefühle lebten.
    Das Glück, die Traurigkeit, das Wissen und all die anderen... auch die Liebe.
    Eines Tages meldete man den Gefühlen, dass die Insel sinken wird. So bereiteten sie ihre Schiffe vor und verließen die Insel. Nur die Liebe wollte bis zum letzten Moment bleiben.

    Die Liebe fragte sodann den Hochmut um Hilfe, der auch in der Nähe mit seinem wunderschönen Boot vorbeifuhr, doch er antwortete: "Ich kann dir nicht helfen. Du bist ganz naß, du könntest mein Schiff beschmutzen!"

    Als die Traurigkeit nicht weit vorbei segelte, fragte die Liebe: "Traurigkeit, laß mich mit dir gehen!"
    "Ooo... Liebe, ich bin so traurig ich möchte besser alleine bleiben!"

    Auch das Glück ist weiter gefahren. Es war so glücklich das es die Liebe nicht hörte..

    Und plötzlich hörte die Liebe eine Stimme: "Komm, komm mit! Ich nehme dich mit!" Rief ein alter Mann. Die Liebe war so glücklich, so zufrieden, dass sie vergaß nach seinem Namen zu fragen.

    Als beide auf festen Boden ankamen, ging der Alte weg.
    Die Liebe merkte wieviel sie dem Alten schuldete und fragte das Wissen: "Wer hat mir geholfen?"
    "Das war die Zeit!" antwortete das Wissen.
    "Die Zeit?!?!?!" fragte die Liebe "aber warum hat die Zeit mich gerettet?"

    Das Wissen lächelte weise und antwortete ihr: "Weil nur die Zeit verstehen kann, wie wichtig Liebe im Leben ist!"

  • Der allererste Weihnachtsbaum
    Märchen von Hermann Loens

    Der Weihnachtsmann ging durch den Wald. Er war ärgerlich. Sein weißer Spitz, der sonst immer lustig bellend vor ihm herlief merkte das und schlich hinter seinem Herrn mit eingezogener Rute her. Er hatte nämlich nicht mehr die rechte Freude an seiner Tätigkeit. Es war alle Jahre dasselbe. Es war kein Schwung in der Sache. Spielzeug und Esswaren, das war auf die Dauer nichts. Die Kinder freuten sich wohl darüber, aber quieken sollten sie und jubeln und singen, so wollte er es, das taten sie aber nur selten.
    Den ganzen Dezembermonat hatte der Weihnachtsmann darüber nachgegrübelt, was er wohl Neues erfinden könne, um einmal wieder eine rechte Weihnachtsfreude in die Kinderwelt zu bringen, eine Weihnachtsfreude, an der auch die Großen teilnehmen würden. Kostbarkeiten durften es auch nicht sein, denn er hatte so und soviel auszugeben und mehr nicht.

    So stapfte er denn auch durch den verschneiten Wald, bis er auf dem Kreuzweg war. Dort wollte er das Christkindchen treffen. Mit dem beriet er sich nämlich immer über die Verteilung der Gaben. Schon von Weitem sah er, dass das Christkindchen da war, denn ein heller Schein war dort. Das Christkindchen hatte ein langes, weißes Pelzkleidchen an und lachte über das ganze Gesicht. Denn um es herum lagen große Bündel Kleeheu und Bohnenstiegen und Espen- und Weidenzweige, und daran taten sich die hungrigen Hirsche und Rehe und Hasen gütlich. Sogar für die Sauen gab es etwas: Kastanien, Eicheln und Rüben. Der Weihnachtsmann nahm seinen Wolkenschieber ab und bot dem Christkindchen die Tageszeit. "Na, Alterchen, wie geht's?", fragte das Christkind. "Hast wohl schlechte Laune?" Damit hakte es den Alten unter und ging mit ihm. Hinter ihnen trabte der kleine Spitz, aber er sah gar nicht betrübt aus und hielt seinen Schwanz kühn in die Luft.

    "Ja", sagte der Weihnachtsmann, "die ganze Sache macht mir so recht keinen Spaß mehr. Liegt es am Alter oder an sonst was, ich weiß es nicht. Das mit den Pfefferkuchen und den Äpfeln und Nüssen, das ist nichts mehr. Das essen sie auf und dann ist das Fest vorbei. Man müsste etwas Neues erfinden, etwas das nicht zum Essen und nicht zum Spielen ist, aber wobei Alt und Jung singt und lacht und fröhlich wird." Das Christkindchen nickte und machte ein nachdenkliches Gesicht, dann sagte es: "Da hast du recht, Alter, mir ist das auch schon aufgefallen. Ich habe daran auch schon gedacht, aber das ist nicht so leicht." "Das ist es ja gerade", knurrte der Weihnachtsmann, "ich bin zu alt und zu dumm dazu. Ich habe schon richtiges Kopfweh vom vielen Nachdenken und es fällt mir doch nichts Vernünftiges ein. Wenn es so weiter geht, schläft allmählich die ganze Sache ein, und es wird ein Fest wie alle anderen, von dem die Menschen dann weiter nichts haben als Faulenzen, Essen und Trinken."

    Nachdenklich gingen beide durch den weißen Winterwald, der Weihnachtsmann mit brummigem, das Christkind mit nachdenklichem Gesicht. Es war so still im Wald, kein Zweig rührte sich, nur wenn die Eule sich auf einen Ast setzte, fiel ein Stück Schneebehang mit halblautem Ton herab.
    So kamen die beiden, den Spitz hinter sich, aus dem hohen Holz auf einen alten Kahlschlag, auf dem große und kleine Tannen standen. Das sah wunderschön aus. Der Mond schien hell und klar, alle Sterne leuchteten, der Schnee sah aus wie Silber und die Tannen standen darin, schwarz und weiß, das es eine Pracht war. Eine fünf Fuß hohe Tanne, die allein im Vordergrund stand, sah besonders reizend aus. Sie war regelmäßig gewachsen, hatte auf jedem Zweig einen Schneestreifen, an den Zweigspitzen kleine Eiszapfen und glitzerte und flimmerte nur so im Mondschein.

    Das Christkindchen ließ den Arm des Weihnachtsmannes los, stieß den Alten an, zeigte auf die Tanne und sagte: "Ist das nicht wunderhübsch?" "Ja", sagte der Alte, "aber was hilft mir das?". "Gib ein paar Äpfel her", sagte das Christkindchen, "ich habe einen Gedanken." Der Weihnachtsmann machte ein dummes Gesicht, denn er konnte es sich nicht recht vorstellen, dass das Christkind bei der Kälte Appetit auf die eiskalten Äpfel hatte. Er hatte zwar noch einen guten, alten Schnaps, aber den mochte er dem Christkindchen nicht anbieten. Er machte sein Tragband ab, stellte seine riesige Kiepe in den Schnee, kramte darin herum und langte ein paar recht schöne Äpfel heraus. Dann fasste er in die Tasche, holte sein Messer heraus, wetzte es an einem Buchenstamm und reichte es dem Christkindchen. "Sieh, wie schlau du bist", sagte das Christkindchen, "nun schneid mal etwas Bindfaden in zwei fingerlange Stücke und mach mit kleine Pflöckchen." Dem Alten kam das alles etwas ulkig vor, aber er sagte nichts und tat, was das Christkind ihm sagte. Als er die Bindfadenenden und die Pflöckchen fertig hatte, nahm das Christkind einen Apfel, steckte ein Pflöckchen hinein, band den Faden daran und hängte den an einen Ast. "So", sagte es dann, "nun müssen auch an die anderen welche, und dabei kannst du helfen, aber vorsichtig, dass kein Schnee abfällt.!"

    Der Alte half, obgleich er nicht wusste, warum. Aber es machte ihm schließlich Spaß, und als die ganze kleine Tanne voll von rotbäckigen Äpfeln hing, da trat er fünf Schritte zurück, lachte und sagte: "Kiek, wie niedlich das aussieht! Aber was hat das alles für einen Zweck?" "Braucht denn alles gleich einen Zweck zu haben?" lachte das Christkind. "Pass auf, das wird noch schöner. Nun gib mal Nüsse her!" Der Alte krabbelte aus seiner Kiepe Walnüsse heraus und gab sie dem Christkindchen. Das steckte in jedes ein Hölzchen, machte einen Faden daran, rieb immer eine Nuss an der goldenen Oberseite seines Flügels, dann war die Nuss golden, und die nächste an der silbernen Unterseite seiner Flügel, dann hatte es eine silberne Nuss und hängte sie zwischen die Äpfel.
    "Was sagst du nun, Alterchen?" fragte es dann. "Ist das nicht allerliebst?" "Ja", sagte der, "aber ich weiß immer noch nicht..." "Komm schon!" lachte das Christkindchen. "Hast du Lichter?" "Lichter nicht", meinte der Weihnachtsmann, "aber einen Wachsstock." "Das ist fein", sagte das Christkind, nahm den Wachsstock zerschnitt ihn und drehte erst ein Stück um den Mitteltrieb des Bäumchens und die anderen Stücke um die Zweigenden, bog sie hübsch gerade und fragte dann: "Feuerzeug hast du doch?" "Gewiss", sagte der Alte, holte Stein, Stahl und Schwammdose heraus, pinkte Feuer aus dem Stein, ließ den Zunder in der Schwammdose zum Glimmen kommen und steckte daran ein paar Schwefelspäne an. Die gab er dem Christkindchen.

    Das nahm einen Hellbrennenden Schwefelspan und steckte damit erst das oberste Licht an, dann das nächste davon rechts, dann das gegenüberliegende. Und rund um das Bäumchen gehend brachte es so ein Licht nach dem anderen zum Brennen. Da stand nun das Bäumchen im Schnee; aus seinem Halbverschneiten, dunklen Gezweig sahen die roten Backen der Äpfel, die Gold- und Silbernüsse blitzten und funkelten, und die gelben Wachskerzen brannten feierlich. Das Christkindchen lachte über das ganze, rosige Gesicht und patschte in die Hände, der alte Weihnachtsmann sah gar nicht mehr so brummig aus, und der kleine, weiße Spitz sprang hin und her und bellte. Als die Lichter einwenig heruntergebrannt waren, wehte das Christkindchen mit seinen goldsilbernen Flügeln, und da gingen die Lichter aus.
    Es sagte dem Weihnachtsmann, er solle das Bäumchen vorsichtig absägen. Das tat der, und dann gingen beide den Berg hinab und nahmen das bunte Bäumchen mit. Als sie in den Ort kamen, schlief schon alles. Beim kleinsten Hause machten die beiden halt. Das Christkind machte leise die Tür auf und trat ein; der Weihnachtsmann ging hinterher. In der Stube stand ein dreibeiniger Schemel mit einer durchlochten Platte. Den stellten sie auf den Tisch und steckten den Baum hinein. Der Weihnachtsmann legte dann noch allerlei schöne Dinge, Spielzeug, Kuchen, Äpfel und Nüsse unter den Baum, und dann verließen beide das Haus so leise, wie sie es betreten hatten.

    Als der Mann, dem das Häuschen gehörte, am anderen Morgen erwachte und den bunten Baum sah, da staunte er und wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Als er aber an dem Türpfosten, den des Christkinds Flügel gestreift hatte, Gold- und Silberflimmer hängen sah, da wusste er Bescheid. Er steckte die Lichter an dem Bäumchen an und weckte Frau und Kinder. Das war eine Freude in dem kleinen Haus, wie an keinem Weihnachtstag. Keines von den Kindern sah nach dem Spielzeug, nach dem Kuchen und den Äpfeln, sie sahen nur alle nach dem Lichterbaum. Sie Fassten sich an den Händen, tanzten um den Baum und sangen alle Weihnachtslieder, die sie wussten, selbst das Kleinste, das noch auf dem Arm getragen wurde, krähte, was es krähen konnte.

    Als es helllichter Tag geworden war, da kamen die Freunde und Verwandten des Bergmanns, sahen sich das Bäumchen an, freuten sich darüber und gingen gleich in den Wald, um sich für ihre Kinder auch ein Weihnachtsbäumchen zu holen. Die anderen Leute, die das sahen, machten es nach, jeder holte sich einen Tannenbaum und putzte ihn an, der eine so, der andere so, aber Lichter, Äpfel und Nüsse hängten sie alle daran. Als es dann Abend wurde, brannte im ganzen Dorf Haus bei Haus ein Weihnachtsbaum, überall hörte man Weihnachtslieder und das Jubeln und Lachen der Kinder.
    Von da aus ist der Weihnachtsbaum über ganz Deutschland gewandert und von da über die ganze Erde. Weil aber der erste Weihnachtsbaum am Morgen brannte, so wird in manchen Gegenden Kindern morgens beschert. 


    :santa::] :santa:

  • ALDI ist Schuld
    und bekommt NICHTS zu Weihnachten ;)



    Eines Tages im September..

    Schönster Sonnenschein.
    Noch immer sitzen die Menschen in T-Shirt und Sandalen in den Straßencafes und Biergärten.
    Bisher keine besonderen Vorkommnissen in der Innenstadt.

    Doch plötzlich genau um 10:47 Uhr kommt der Befehl von Aldi-Geschäftsführer Giselbert K.: "ACHTUNG ! 5 Paletten Lebkuchen und Spekulatius in den Eingangsbereich!"

    Von nun an überschlagen sich die Ereignisse.
    Zunächst reagiert Minimal-Geschäftsführer gegen 12:02 Uhr Balthasar X. eher halbherzig mit einem erweiterten Kerzensortiment und Marzipankartoffeln an der Kasse.

    15:07 Uhr: Edeka-Marktleiterin Eusebia T. hat die Mittagspause genutzt und operiert mit Lametta und Tannengrün in der Wurstauslage.

    16:02 Uhr: Die Filialen von Penny und Plus bekommen Kenntnis von der Wihnachtsoffensive der Konkurenz, können aber aufgrund von Lieferschwierigkeiten nicht gegenhalten und fordern ein Weihnachtsstillstands-Abkommen bis zum 20.Oktober.
    Die Gespräche bleiben ohne Ergebnis.


    Samstag, den 13. September Punkt 08:30 Uhr..
    Im Eingangsbereich von Karstadt bezieht überraschend ein Esel mit Rentierschlitten Stellung, während 2 Weihnachtsmänner vom studentischen Nikolausdienst vorbeihastende Schulkinder zu ihren Weihnachtswünschen verhören.
    Zeitgleich erstrahlt die Kaufhausfassade im gleißenden Schein von 260.000 Elektrokerzen. Die geschockte Konkurrenz kann zunächst nur ohnmächtig zuschauen.
    Immerhin haben jetzt auch Kaufhof, Aldi, REWE und Minimal den Ernst der Lage erkannt.


    Ein hektischer Montagmorgen folgt dem vorweihnachtlichen Wochenende..

    09:00 Uhr: Edeka setzt Krippenfiguren ins Gemüse.

    09:12 Uhr: Minimal kontert mit massivem Einsatz von Rauschgoldengeln im Tiefkühlregal.

    10:05 Uhr: Bei Kaufhof verirren sich dutzende Kunden in einem Wald von Weihnachtsbäumen.

    12:00 Uhr: Neue Dienstanweisung bei REWE..
    An der Käsetheke wird mit sofortiger Wirkung ein "Frohes Fest" gewünscht.

    12:01 Uhr: Die Schlemmerabteilung von Kaufhof kündigt für den Nachmittag Vergeltungsmaßnahmen an.


    Dienstag der 16. September..

    06:00 Uhr morgens: Karstadt schaufelt Kunstschnee in die Schaufenster.

    08:00 Uhr: In einer eilig einberufenen Krisenversammlung fordert der aufgebrachte Penny Geschäftsführer Waldemar T. von seinen Mitarbeitern "Weihnachten bis zum Äußersten" und verfügt den pausenlosen Einsatz der von der Konkurrenz gefürchteten CD "Weihnachten mit Mirrelle Matthiö" über Deckenlautsprecher.
    Der Nachmittag bleibt ansonsten ruhig.


    Mittwoch den 17. September..

    08:00 Uhr: Anwohner der Kaiserstraße versuchen mit Hilfe einer einstweiligen Verfügung die nun von Kaufhof angedrohte Musikoffensive "Heiligabend mit den Flibbers" zu stoppen.

    09:14 Uhr: Ein Aldi-Sattelschlepper mit Pfeffernüssen rammt den Posaunenchor "Adveniat", der gerade vor Karstadt zum großen Weihnachtsoratorium ansetzen wollte.

    09:30 Uhr: Aldi dementiert. Es habe sich bei der Ladung nicht um Pfeffernüsse, sondern Christbaumkugeln gehandelt.

    18:00 Uhr: In der Stadt kommt es kurzfristig zu ersten Engpässen in der Stromversorgung als der von C&A beauftragte Rentner Wagemut Z. mit seinem Flakscheinwerfer Marke "Varta Volkssturm" den Stern von Bethlehem an den Himmel zeichnet.


    Donnerstag den 18. September..

    Die Fronten verhärten sich. Die Strategien werden zunehmend aggressiver.

    10:37 Uhr: Auf einem Polizeirevier meldet sich die Diabetikerin Helga K. und gibt zu Protokoll, sie sei soeben auf dem Alexanderplatz zum Verzehr von Glühwein und Christstollen gezwungen worden. Daraufhin habe sie einen Zuckerschock erlitten und wäre zusammengebrochen. Die Beamten sind ratlos, nehmen jedoch ihre Anzeige wegen Körperverletzung entgegen.

    12:00 Uhr: Seit gut einer halben Stunde beschießen Karstadt, Kaufhof und C&A die Einkaufszone mit Schneekanonen.
    Das Ordnungsamt mahnt die Räum- und Streupflicht an.
    Umsonst!
    Es hagelt ein Bußgeld und die Geschäftsführer beschließen weiter zu machen und das Selbige auf die Preise der Weihnachtsartikel umzulegen.

    14:30 Uhr: Teile des Stadtbezirks sind unpassierbar.
    Eine Suchhundestaffel der Schweizer Bergwacht beginnt mit der Bergung der vom Kunstschnee eingeschlossenen Passanten.

    14:33 Uhr: Die Presse ist völlig aus dem Häuschen und interviewt die Geretteten, schießt einmalige Fotos davon, wie das Rote Kreuz, Malteser Hilfswerk und der Caritas in einer Gemeinschaftsaktion heiße Getränke an die Schaulustigen verteilen.

    15:00 Uhr: Der Bundestag tagt kurzfristig zum Thema "Weihnachtswahnsinn", man kommt jedoch zu keiner Einigung und vertagt auf den kommenden Februar.


    Es war September..
    die Sonne schien und bis Weihnachten sollte es laut Kalender noch fast 2 Monate dauern :)

    Einmal editiert, zuletzt von Nikolausi (3. Dezember 2003 um 12:29)

  • Gedanken einer Kerze

    Ihr habt mich angezündet und schaut nachdenklich in mein Licht. Vielleicht freut Ihr Euch ein bisschen dabei. Ich jedenfalls freue mich, dass ich brenne. Wenn ich nicht brennen würde, läge ich jetzt in einem Karton mit andern, die auch nicht brennen. In so einem Karton haben wir überhaupt keinen Sinn. Da liegen wir lediglich herum. Einen Sinn habe ich nur, wenn ich brenne. Und jetzt brenne ich.

    Aber seit ich brenne, bin ich schon ein klein bisschen kürzer geworden. Das ist schade, denn ich kann mir ausrechnen, wann ich nur noch ein kleines Stümpfchen sein werde. Aber so ist das. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder ich bleibe ganz und unversehrt im Karton, dann werde ich nicht kürzer, aber dann weiss ich nicht, was ich eigentlich soll. Oder ich gebe Licht und Wärme, dann weiss ich, wofür ich da bin. Dann muss ich aber etwas von mir geben.. von mir selbst, mich selber.
    Das ist schöner als kalt und sinnlos im Karton zu liegen.

    So ist das auch bei Euch Menschen, genau so.
    Entweder Ihr bleibt für Euch, dann geschieht Euch nichts, aber dann wisst Ihr auch eigentlich nicht so recht, wofür ihr hier seid. Dann seid Ihr wie Kerzen im Karton.
    Oder Ihr spendet Licht und Wärme, dann habt Ihr einen Sinn. Dann freuen sich die Menschen, dass es Euch gibt. Dann seid Ihr nicht vergebens da.

    Aber dafür müsst Ihr etwas geben..
    etwas von Euch selbst, von allem, was in Euch lebendig ist: von Eurer Freude, Euer Herzlichkeit, von Eurer Treue, Eurem Lachen, von Eurer Traurigkeit, von Euren Ängsten, von Euren Sehnsüchten..

    Ihr braucht keine Angst zu haben, wenn Ihr dabei kürzer werdet. Das ist nur äusserlich. Innen werdet Ihr immer heller. Denkt ruhig daran, wenn Ihr eine brennende Kerze seht.


  • Die Puppe

    Am Morgen des 24. Dezembers stresste ich durch die Geschäfte um noch die letzten Geschenke zu besorgen.

    Als ich das Gewühl von Menschen sah, dachte ich, das wird wohl ewig dauern, bis ich hier alles besorgt habe und ich muss noch in andere Geschäfte… Weihnachten wird jedes Jahr mehr stressvoll. Ich wünsche, ich könnte einfach einschlafen und erst nach Weihnachten wieder aufwachen.

    Trotz allem drängte ich mich zur Spielzeugabteilung durch. Dort habe ich mich dann über die enormen Preise der Spielsachen gewundert.

    Auf der Suche nach einem geeigneten Spielzeug bemerkte ich einen etwa fünf Jahre alten Jungen, der eine Puppe gedankenverloren anschaute. Der Junge machte einen sehr traurigen Eindruck. Ich fragte mich, für wen er wohl die Puppe ausgesucht hatte. In diesem Moment drehte sich der kleine Junge zu einer älteren Dame um und fragte sie: "Oma, bist du sicher, dass ich nicht genug Geld habe?"

    Die ältere Dame antwortete: "Mein Lieber, du weisst ganz genau, dass du nicht genug Geld hast um die Puppe zu kaufen." Danach bat sie ihn in der Spielzeugabteilung zu warten, bis sie ihre Einkäufe erledigt hat.

    Der Junge hatte noch immer die Puppe gegen seine Brust gepresst. Ich lief zu ihm hin und fragte ihn, für wen er denn die hübsche Puppe ausgesucht hätte. "Es ist die Puppe, die sich meine Schwester zu Weihnachten gewünscht hat. Sie war überzeugt, dass der Weihnachtsmann ihr diese Puppe bringen würde."

    Ich versicherte ihm, dass der Weihnachtsmann bestimmt weiss, was sich seine Schwester zu Weihnachten wünscht. Und dass er sich darüber keine Sorgen machen sollte. Doch der Junge antwortete traurig: "Der Weihnachtsmann kann ihr die Puppe nicht dorthin bringen, wo sie sich befindet. Ich muss die Puppe meiner Mutter geben und sie kann sie mitnehmen, wenn sie geht.

    Seine Augen waren mit Tränen gefüllt, als er das sagte.

    "Meine Schwester ist im Himmel. Mein Vater sagt, dass meine Mutter auch bald in den Himmel geht. Deswegen dachte ich mir, dass sie die Puppe für meine Schwester mitnehmen kann."

    Als ich dem Jungen zuhörte, habe ich meinen Weihnachtsstress ganz vergessen.

    Der Junge fuhr fort: "Ich sagte meinem Vater, er soll meiner Mutter ausrichten, dass sie noch warten soll um in den Himmel zu gehen, bis ich aus dem Laden zurück bin."

    Dann zeigte mir der Junge ein Foto von ihm, auf dem er ein unbekümmertes, fröhliches Gesicht hat. "Ich möchte, dass meine Mutter dieses Bild mitnimmt, damit sie mich nicht vergisst. Ich liebe meine Mutter sehr und ich möchte, dass sie bei uns bleibt. Doch mein Vater sagt, dass sie zu meiner kleinen Schwester gehen muss."

    Wieder schaute er gedankenverloren die Puppe an.

    Ich suchte meinen Geldbeutel, sagte ihm, er soll doch das Geld nochmals nachzählen. Es könnte sein, dass er nun genug hat um die Puppe zu kaufen.

    "Gut, ich hoffe, dass es nun reicht…" Ich half ihm mit dem Zählen und steckte ihm etwas Geld zu, ohne dass er es gemerkt hat.

    Er sagte: "Danke Gott, dass du mir genug Geld gegeben hast!"

    Danach schaute er mich an und meinte, "Ich habe gestern gebetet, dass ich genug Geld für eine Puppe für meine Schwester habe. Und ich hoffe auch, dass es für eine weisse Rose für meine Mutter reicht. Meine Mutter liebt weisse Rosen."

    Einige Minuten später kam die ältere Dame zurück und ich verabschiedete mich von dem Jungen.

    Ich erledigte alle meine Einkäufe mit einer ganz anderen Einstellung als diesen Morgen. Ich konnte den kleinen Jungen nicht vergessen.

    Dann erinnerte ich mich an einen Zeitungsartikel, den ich vor zwei Tagen gelesen hatte. Es handelte sich um einen betrunken Automobilist, der ein Auto angefahren hat, in dem eine junge Frau und ein kleines Mädchen sassen. Das kleine Mädchen ist noch am Unfallort gestorben und die Mutter wurde in kritischem Zustand ins Krankenhaus eingeliefert. Die Frau liegt seither im Koma.

    War das die Familie des kleinen Jungen?

    Zwei Tage nachdem ich den Jungen im Geschäft getroffen hatte, las ich in der Zeitung, dass die Autolenkerin, die vor vier Tagen einen Unfall hatte, ihren Verletzungen erlag. Ich konnte es nicht lassen und kaufte einen Strauss weisser Rosen, ging zur Kirche wo die Frau aufgebahrt war.

    Sie lag dort. In ihrer Hand hielt sie eine weisse Rose, eine Puppe und ein Foto des kleinen Jungens aus dem Kaufhaus.

    Als ich nach Hause lief, dachte ich darüber nach, wie gross die Liebe des kleinen Kindes ist für seine Schwester und seine Mutter ist. In einer Sekunde, kann sich das Leben so gewaltig ändern, dass nichts mehr ist wie es einmal war. 

  • Der Wunschzettel

    Kurz vor Weihnachten entdeckten Ralf und Elke im Schaufenster des Spielzeugladens von Fräulein Engel eine bildhübsche Puppe mit echten Haaren und Schlafaugen und ein wunderschönes Segelschiff. Sie waren so begeistert davon, daß sie sofort nach Hause rannten und einen neuen Wunschzettel für das Christkind schrieben, mit dem Text: „Die Puppenküche und die Eisenbahn, die wir uns gewünscht haben, wollen wir nicht mehr haben. Wir wollen die Puppe und das Segelschiff aus dem Schaufenster von Fräulein Engel!“ Sie legten den Wunschzettel wie den ersten aufs Fenstersims und beschwerten ihn mit einem Stein, damit der Wind ihn nicht wegblasen konnte.
    Am nächsten Tag fiel ihnen dann etwas Schreckliches ein. Möglicherweise verkaufte Fräulein Engel die Puppe und das Segelschiff schon heute oder morgen an andere Leute, und wenn das Christkind zu ihr zum Einkaufen kam, waren nur noch andere Spielsachen zu haben?!
    Zehn Minuten später standen beide heftig schnaufend vor Fräulein Engel im Spielzeugladen. „Wir möchten Sie fragen, ob Sie nicht die Puppe und das Segelschiff für das Christkind zurücklegen wollen!“ rief Elke. „Wir haben die Sachen nämlich auf unseren Wunschzettel geschrieben!“
    „Ach!“ seufzte Fräulein Engel. „Ich fürchte , das Christkind kommt in diesem Jahr überhaupt nicht zu mir zum Einkaufen! Es kauft ja so gut wie niemand etwas bei mir. Alle Leute gehen in die großen Kaufhäuser in der Stadt!“
    Für Ralf und Elke war das eine böse Überraschung. Mit langen Gesichtern verließen sie den Laden. „Man müßte halt dafür sorgen, daß das Christkind hierher kommt!“ meinte Ralf schließlich und Elke nickte zustimmend. „Ja, aber wie?“ Ihr fiel nichts ein. Auch Ralf fiel nichts ein. So gingen sie niedergeschlagen nach Hause.

    In der folgenden Nacht träumte dann Elke von einem riesigen Schneemann; der spazierte durch die Stadt, und alle Leute drehten sich nach ihm um. Da wußte Elke am nächsten Morgen, wie man dafür sorgen konnte, daß das Christkind zu Fräulein Engel kam. Schon vormittags machte sie sich mit Ralf daran, vor dem Spielzeugladen einen Schneemann zu bauen. Als der aber fertig dastand. war Elke nicht zufrieden mit ihm. Sie sagte: „Er ist viel zu klein, als daß das Christkind Lust kriegen könnte, ihn anzugucken! Er muß noch viel größer werden!“
    Elke lieh sich deshalb von Fräulein Engel einen Stuhl, damit sie an dem Schneemann höher hinaufreichte. Eine Viertelstunde später kamen dann zufällig drei Anstreicherlehrlinge mit einer Leiter vorbei. Als die hörten, um was es ging, halfen sie tüchtig mit. Da war der Schneemann schon bald vier Meter hoch. Doch in Elkes Augen war er immer noch zu klein. „Er muß noch größer werden!“ sagte sie.
    Mittlerweile hatten sich auch eine Schar Buben und einige Männer eingefunden und halfen mit, den großen Schneemann zu bauen. Einer von den Männern war mit dem Hauptmann der städtischen Feuerwehr befreundet; mit dem telefonierte er jetzt vom nächsten Telefonhäuschen aus. Da kam wenig später mit lautem „Tatü! Tatü!“ ein großes rotes Feuerwehrauto angesaust. Die Feuerwehrmänner fuhren die lange, lange Leiter aus und halfen nun ebenfalls beim Bau des Schneemannes mit.

    Zwei Stunden später stand vor dem Schaufenster von Fräulein Engel ein wunderschöner Schneemann; der war fast zehn Meter hoch. Er trug als Hut eine umgestülpte Waschbütte auf dem Kopf, als Augen hatte er zwei Briketts und als Nase hatte er eine große Zuckerrübe im Gesicht. Einen so riesigen, herrlichen Schneemann hatte man bis dahin noch nie in der Stadt gesehen. Im Nu war der Platz vor Fräulein Engels Geschäft von einer Menschenmenge übersät, die sich alle den Schneemann anguckten.
    Und jeden Tag kamen andere Leute, um nach dem Schneemann zu sehen. Und weil sie nun schon einmal da waren, gingen viele in den Spielzeugladen von Fräulein Engel hinein und kauften Weihnachtsgeschenke.

    Offensichtlich ließ sich auch das Christkind von dem riesigen Schneemann anlocken und kaufte ebenfalls bei Fräulein Engel ein, denn am Heiligen Abend war der Spielzeugladen restlos ausverkauft! Alle Regale waren leer! Ralf und Elke aber fanden an diesem Heiligen Abend unterm Weihnachtsbaum nicht nur die gewünschte Puppe und das Segelschiff, sondern auch die Puppenküche und die Eisenbahn, die sie auf den ersten Wunschzettel geschrieben hatten. Da waren sie ganz fassungslos; sie dachten sich: „So brav, daß wir das verdient hätten, sind wir ja nun wirklich nicht gewesen!“

    Daß ihnen nicht das Christkind, sondern Fräulein Engel die Puppe und das Segelschiff geschenkt hatte, aus Dankbarkeit für ihre Hilfe, haben Ralf und Elke nie erfahren. Bis heute nicht.

    :santa:

  • Es war einmal ein kleiner Baumwollfaden, der hatte Angst, dass es nicht ausreicht, so, wie er war: "Für ein Schiffstau bin ich viel zu schwach", sagte er sich, "und für einen Pullover zu kurz. An andere anzuknüpfen, habe ich viel zu viele Hemmungen. Für eine Stickerei eigne ich mich auch nicht, dazu bin ich zu blass und farblos. Ja, wenn ich aus Lurex wäre, dann könnte ich eine Stola verzieren oder ein Kleid. Aber so?! Es reicht nicht! Was kann ich schon? Niemand braucht mich. Niemand mag mich - und ich mich selbst am wenigsten."
    So sprach der kleine Baumwollfaden, legte traurige Musik auf und fühlte sich ganz niedergeschlagen in seinem Selbstmitleid.

    Währenddessen läuft draußen in der kalten Nacht ein Klümpchen Wachs in der beängstigenden Dunkelheit verzweifelt umher. "Für eine dicke Weihnachtskerze bin ich viel zu klein" jammert es "und wärmen kann ich kleines Ding alleine auch niemanden. Um Schmuck für eine tolle große Kerze zu sein, bin ich zu langweilig. Ach was soll ich denn nur tun, so alleine in der Dunkelheit?"

    Da kommt das kleine Klümpchen Wachs am Häuschen des Baumwollfadens vorbei! Und da es so sehr fror und seine Angst so riesig war, klopfte es schüchten an die Türe.
    Als es den niedergeschlagenen kleinen Baumwollfaden sah, kam ihm ein wundeschöner Gedanke. Eifrig sagte das Wachs: "Lass dich doch nicht so hängen, du Baumwollfaden. Ich hab' da so eine Idee: Wir beide tun uns zusammen. Für eine große Weihnachtskerze bist du zwar als Docht zu kurz und ich hab' dafür nicht genug Wachs, aber für ein Teelicht reicht es allemal. Es ist doch viel besser, ein kleines Licht anzuzünden, als immer nur über die Dunkelheit zu jammern!"

    Ein kleines Lächeln huschte über das Gesicht des Baumwollfadens und er wurde plötzlich ganz glücklich. Er tat sich mit dem Klümpchen Wachs zusammen und sagte: "Nun hat mein Dasein doch einen Sinn."

    Wer weiß, vielleicht gibt es in der Welt noch mehr kurze Baumwollfäden und kleine Wachsklümpchen, die sich zusammentun könnten, um der Welt zu leuchten?!

  • Wunderschöne Geschichten!!!!!!

    mal ganz im Lesen versunken ist

    *** Alle Rechtschreibfehler gehören dem Autor und sind durch internationale Copyright-Abkommen weltweit geschützt. Auf Wunsch können Sie jedoch preisgünstige Lizenzen erwerben. ***

  • Danke Mausi :santa:

    Und nun eine Geschichte ueber die wahren Vorkommnisse im Morgenland..

    Die fetten Kamele jaulten gequält auf, und der Galoppometer zitterte bedenklich um die 60-Meile-Marke. Quietschend gingen die hellbraunen Trampeltiere in die Steilkurve der Wüstenpiste.
    „Balthasar“, mahnte Kaspar, der auf dem zweiten Kamel saß, zum x-ten Male den Vorreiter, „gib mehr Stoff. Wir schaffen's sonst nie! Das wird ein Riesenreinfall!“
    Balthasar grinste müde und preßte den Treibschenkel fester in die Weichen seines Reittieres. „Hast wohl schiß, Alter, was?“
    „Mann“, erwiderte Kaspar, „das hat doch nix mit Schiß zu tun. Ist nur 'ne Überlebensfrage. Ich möchte gern in die biblische Weihnachtsgeschichte eingehen. Er ist jetzt ganz dicht vor uns. Siehst du ihn?“
    Er deutete auf den blendend blauen zuckenden Stern, der groß jenseits des Grenzübergangs zu sehen war.
    „Seh' ich doch locker ohne Pupille“, erklärte Balthasar und gab seinem Kamel so heftig die Peitsche, daß dieses mitten im Galopp einen ungetümen Satz macht, der Balthasar fast aus den Höckern gehauen hätte.
    Melchior, der Schlußmann der kleinen Karawane, sagte gar nichts, obwohl er genauso wie Kaspar dachte, sondern keuchte nur schwer. Der lange Ritt nahm ihn körperlich mit.
    Nur wenige Stadien vor ihnen und etwa 120 Klafter tiefer leuchteten zahlreiche Lichter in der Dunkelheit. Vor einer knappen halben Stunde bereits hatten sie die beiden Schilder mit den Hinweisen „Noch 15 Meilen bis Bethlehem“ und „Zum Toten Meer rechts einordnen“ passiert.
    Unumstößliche Tatsache war, daß die Zeit drängte. Den Vorhersagen und ihren eigenen, gemeinhin recht zuverlässigen Berechnungen nach, mußte es jeden Augenblick passieren. Ein Indiz dafür war, daß der blendend blaue Stern intensiver zuckte und pulste, gerade so, als litte er unter himmlischen Wehen und sei kurz vorm Kreißen.
    Unvermittelt sahen sich die drei Weisen, die interessanterweise auch noch Waisen waren - was sinnigerweise nicht überliefert wurde -, nach dem Überreiten einer Wanderdüne mit einem Meer lodernder Fackeln konfrontiert, die drei gewaltigen, gesenkte Schlagbäume, eine ebensolche Anzahl von Wachhäuschen sowie eine daneben befindliche Wachstation erleuchteten.
    „Willkommen in der Zählstadt Bethlehem, Kreis Judäa!“ stand da in lateinischen und hebräischen Buchstaben auf einem Schild. Und auf einem anderen: „Achtung! Noch zwei Stadien bis zur Grenze! Ausweispapyri bereithalten!“
    Der Andrang der Menschenmassen an Schlagbäumen und Wachstation war unglaublich. Ein akustischen Gewölk von Geschrei, Gewieher, Gejaule, Gesumm und Gebrumm empfing die drei herangaloppierenden Weisen.
    Ohne Vorankündigung zügelte Balthasar sein Kamel. In letzter Sekunde nur konnten Kaspar und Melchior ein Aufreiten verhindern, indem sie seitlich auswichen.
    Die beiden fluchten unschön und schauten ihren Vorreiter vorwurfsvoll fragend an.
    „Da kommen wir doch nie durch! Machen wir lieber kehrt!“ meinte Balthasar resignierend, was überhaupt nicht zu seiner Art paßte.
    „Wieso?“ wollte Melchior wissen.
    „Na, sieh dir doch mal die Warteschlange an!“ Balthasar deutete auf den rechten Schlagbaum, neben dem das Schild „Morgenländer hier einreiten!“ stand, und die davor befindliche Schlange. „Bis wir abgefertigt sind, ist alles vorbei!“
    „Oh, ja“, meinte Melchior betrübt und senkte zerknirscht sein turbangekröntes Haupt. „Das hätten wir natürlich vorhersehen müssen.“
    „Ich hab's vorhergesehen“, erklärte Kaspar beschwichtigend, „und deshalb Vorsorge getroffen. Laßt mich nur machen.“
    Er griff in eine seiner Satteltaschen und entnahm ihr drei große Umhängeschilder, auf denen in Hebräisch und Lateinisch „VIP“ geschrieben stand. Zwei davon reichte er seinen Begleitern. „Hängt sie euch um.“
    Balthasar und Melchior wechselten einen erstaunten Blick, befolgten aber Kaspars Anweisungen, der sich nunmehr an die Spitze der kleinen Karawane setzte und auf besagten Schlagbaum zutrabte.
    Im Vorbeireiten sahen die drei, daß die Warteschlange an dem mit „Römer hier einreiten“ beschilderten Durchlaß am kürzesten, die an dem mit „Judäer hier einreiten“ markierten am längsten war.
    Die Massen wichen zunächst mürrisch und erbost, dann aber ehrfurchtsvoll beiseite, als sie erkannten, was auf den Schildern der drei Weisen stand, die an ihnen vorbeidrängten.
    „Heil, Augustus! Halt!“ brüllte der römische Legionär neben dem Schlagbaum und hob drohend seinen Speer. „Vordrängeln gibt's nicht! Stellt Euch an, wie alle anderen auch!“
    Kaspar deutete mit gewichtiger Miene auf sein „VIP“ Schild. „Heil, Augustus! Könnt Ihr nicht lesen, guter Mann?“ fragte er.
    „Natürlich“, erwiderte der Angesprochene gekränkt, doch zugleich sichtlich beeindruckt. „Das muß ich wohl übersehen haben. Verzeiht.“
    „Schon gut, schon gut“. Kaspar winkte ab. „Dürfen wir passieren?“
    „Die Formalitäten müßt Ihr schon über Euch ergehen lassen, edle VIP-Herren“, erwiderte der Legionär nunmehr freundlicherer Miene. „Habt Ihr die Papyri zur Hand? Welches ist der zweck Eures Besuches? Seid Ihr beruflich oder als Touristen hier? Habt Ihr anmeldepflichtige Waren bei Euch?“ Er schaute die drei Weisen fragend an.
    Die reichten ihm zunächst ihre Ausweispapyri.
    „Ah“, meinte der Legionär, nachdem er einen kurzen Blich darauf geworfen hatte, „interessant. Bei Euch allen ist die Berufsbezeichnung „Weiser aus dem Morgenlande“ eingetragen“. Er musterte die drei plötzlich unterwürfig. „Seid Ihr etwa diese berühmten Wahrsager...?“ Er beendete den Satz nicht, sondern geriet ins Sinnen.
    „Aber gewiß doch, guter Mann“, sagte Balthasar ungeduldig. „Es steht ja da. Nun laßt uns endlich passieren. Wir sind in Eile!“
    Der Legionär reichte ihnen langsam die Papyri zurück und stützte sich auf seinen Speer „Ihr wißt gewiß, edle Herren“, meinte er dann. „daß - VIP hin, VIP her - hier Rom das Sagen hat. Ich muß also auf der Einhaltung der Einreiseformalitäten bestehen.“
    „Na schön“, erklärte Kaspar. „Zweck unseres Besuches ist die Anbetung eines Kindes mit gleichzeitiger Übergabe von Geschenken. Woraus sich wohl von selbst ergibt, daß wir aus beruflichen Gründen hier sind. Und anmeldepflichtige Waren haben wir nicht. Genügt das als Auskunft?“
    „Geschenke?“ Der Legionär runzelte die Stirn. „Und doch keine anmeldepflichtigen Waren? Hmm!“ Er lehnte seinen Speer ans Wachhäuschen, nahm den Helm ab und kratzte sich ebenso verunsichert wie verlegen den Schädel.
    „Wenn Ihr's genau wissen wollt“, meldete sich ungehalten Balthasar, der wieder ganz der alte war, zu Worte, „wir führen nur die üblichen zollfreien Mengen von Weihrauch, Myrrhe und Gold mit. Überzeugt Euch doch selbst, wenn Ihr uns nicht glaubt! Macht schon, denn sonst werden wir bei Eurem Vorgesetzten eine Beschwerde einreichen, die Euch ein halbes Jahr Galeere einbringen kann, wie Ihr Euch wohl denken könnt“.
    Der Legionär verneigte sich und griff zur Kurbel des Schlagbaums um diesen hochzudrehen.
    „Verzeiht, verzeiht, edle Herren! Natürlich dürft Ihr passieren!“ rief er. „Ich dachte nur, daß Ihr, da Ihr so weise seid, einem bescheiden besoldeten Legionär einen heißen Tip geben könntet“; fügte er hinzu und sah die drei Weisen fast flehentlich bittend an, die ihre Kamele zu treiben begannen.
    „Was für ein Tip?“ fragte Melchior, der sich wieder ans Ende der kleinen Karawane gesetzt hatte, in einem aufwallenden Gefühl von Mitleid für den römischen Besatzer.
    „Ich wüßte gern die Lottozahlen der Weihnachtsausspielung“, sagte der Legionär. „Wenn ich sechs Richtige hätte, könnte ich endlich in Pension gehen. Am Tag vor Heiligabend ist Annahmeschluß“.
    Melchior hielt sein Kamel an. „Wenn's weiter nichts ist.“ Er schaute zu dem blendend blauen zuckenden Stern hinüber, der jetzt über einem abbruchreifen Stall verweilte, und schloß kurz die Augen. „Die sechs Gewinnzahlen für Euch zum Mitschreiben“, meinte Melchior dann gönnerhaft und fuhr fort: „Sieben, acht, neun, zehn, zwölf, vierundzwanzig. Und die Zusatzzahl ist Null.“
    „Ich danke Euch, edler Herr“, jauchzte der Legionär, der die Zahlen eifrig notiert hatte, überschwenglich, dieweil Melchior seinem Kamel die Sporen gab. „Das werde ich Euch nie vergessen!“
    „Melchior!!!“ brüllten Kaspar und Balthasar, die schon weitergeritten waren, unisono, „Nun komm endlich!“
    „Ich komme ja schon“, rief Melchior ihnen zu.“ Und an den Legionär gewandt sagte der im Angalopp: „Dankt mir lieber nicht, guter Mann. Annahmeschluß war nämlich gestern. Heute ist Heiligabend!“

    :]

    Einmal editiert, zuletzt von Nikolausi (11. Dezember 2003 um 07:53)

  • Hehe, der arme Legionär ;)

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  • Die vornehmen Leute aus dem Osten hatten den Stall und die Krippe noch nicht lange verlassen, da trug sich eine seltsame Geschichte in Bethlehem zu, die in keinem Buch verzeichnet ist. Wie die Reitergruppe der Könige gerade am Horizont verschwand, näherten sich drei merkwürdige Gestalten dem Stall. Die erste trug ein buntes Flickenkleid und kam langsam näher. Zwar war sie wie ein Spaßmacher geschminkt, aber eigentlich wirkte sie hinter ihrer lustigen Maske sehr, sehr traurig. Erst als sie das Kind sah, huschte ein leises Lächeln über ihr Gesicht. Vorsichtig trat sie an die Krippe heran und strich dem Kind zärtlich über das Gesicht. Vorsichtig trat sie an die Krippe heran und strich dem Kind zärtlich über das Gesicht. "Ich bin die Lebensfreude", sagte sie. "Ich komme zu dir, weil die Menschen nichts mehr zu lachen haben. Sie haben keinen Spaß mehr am Leben. Alles ist so bitterernst geworden." Dann zog sie ihr Flickengewand aus und deckte das Kind damit zu. "Es ist kalt in dieser Welt. Vielleicht kann dich der Mantel des Clowns wärmen und schützen."
    Darauf trat die zweite Gestalt vor. Wer genau hinsah, bemerkte ihren gehetzten Blick und spürte, wie sehr sie in Eile war. Als sie aber vor das Kind in der Krippe trat, schien es, als falle alle Hast und Hektik von ihr ab. " Ich bin die Zeit", sagte die Gestalt und strich dem Kind zärtlich über das Gesicht. " Eigentlich gibt es mich kaum noch. Die Zeit sagt man, vergeht wie im Flug. Darüber haben die Menschen aber ein großes Geheimnis vergessen. Zeit vergeht nicht, Zeit entsteht. Sie wächst wie Blumen und Bäume. Sie wächst überall dort, wo man sie teilt." Dann griff die Gestalt in ihren Mantel und legte ein Stundenglas in die Krippe. "Man hat wenig Zeit in dieser Welt. Diese Sanduhr schenke ich dir, weil es noch nicht zu spät ist. Sie soll dir ein Zeichen dafür sein, dass du immer soviel Zeit hast, wie du dir nimmst und anderen schenkst."
    Dann kam die dritte Gestalt an die Reihe. Die hatte ein geschundenes Gesicht voller dicker Narben, so als ob sie immer und immer wieder geschlagen worden wäre. Als sie aber vor das Kind in der Krippe trat, war es, als heilten die Wunden und Verletzungen, die ihr das Leben zugefügt haben musste. "Ich bin die Liebe", sagte die Gestalt und strich dem Kind zärtlich über das Gesicht. "Es heißt, ich sei viel zu gut für diese Welt. Deshalb tritt man mich mit Füßen und macht mich fertig." Während die Liebe so sprach, musste sie weinen und drei dicke Tränen tropften auf das Kind. " Wer liebt, hat viel zu leiden in dieser Welt. Nimm meine Tränen. Sie sind, wie das Wasser, das den Stein schleift. Sie sind wie der Regen, der den verkrusteten Boden fruchtbar macht und selbst die Wüste zum Blühen bringt."
    Da knieten die Lebensfreude, die Zeit und die Liebe vor dem Kind des Himmels. Drei merkwürdige Gäste brachten dem Kind ihre Gaben dar. Das Kind aber schaute die drei an, als ob es sie verstanden hätte. Plötzlich drehte dich die Liebe um und sprach zu den Menschen, die dabeistanden: "Man wird dieses Kind zum Narren machen, man wird es um seine Lebenszeit bringen und es wird viel leiden müssen, weil es bedingungslos lieben wird. Aber weil es Ernst macht mit der Freude und weil es seine Zeit und Liebe verschwendet, wird die Welt nie mehr so wie früher sein. Wegen dieses Kindes steht die Welt unter einem neuen, guten Stern, der alles andere in den Schatten stellt." Darauf standen die drei Gestalten auf und verließen den Ort. Die Menschen aber, die all das miterlebt hatten, dachten noch lange über diese rätselhaften Worte nach..... 

  • Zitat

    Original von Nikolausi
    Was ?
    Ist denn schon wieder Weihnachten ?


    Ja und es kommt immer so plötzlich ;)

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    Einmal editiert, zuletzt von Mausi-4 (12. Dezember 2003 um 08:47)

  • Die bevorstehende Geburt des Christkinds bereitete den Engeln ziemliches Kopfzerbrechen. Sie mussten nämlich bei ihren Planungen sehr vorsichtig sein, damit die Menschen auf Erden nichts davon bemerkten. Denn schließlich sollte das Kind in aller Stille geboren werden und nicht einen Betrieb um sich haben, wie er in Nazareth auf dem Wochenmarkt herrschte.
    Probleme gab es auch bei der Innenausstattung des Stalles von Bethlehem. An der Futterraufe lockerte sich ein Brett aber hat jemand schon einmal einen Engel mit Hammer und Nagel gesehen?! Das Stroh für das Krippenbett fühlte sich hart an, das Heu duftete nicht gut genug, und in der Stalllaterne fehlte das Öl.
    Aber auch was die Tiere anbetraf, gab es allerhand zu bedenken. Genau an dem für den Engelschor auserwählten Platz hing ein Wespennest. Das musste ausquartiert werden. Denn wer weiß, ob Wespen einsichtig genug sind, um das Wunder der Heiligen Nacht zu begreifen? Die Fliegen, die sich Ochse und Esel zugesellt hatten, sollten dem göttlichen Kind nicht um das Näslein summen oder es gar im Schlafe stören. Nein, kein Tier durften die Engel vergessen, das etwa in der hochheiligen Nacht Unannehmlichkeiten bereiten könnte.
    Unter dem Fußboden im Stall wohnte eine kleine Maus. Es war ein lustiges Mäuslein, das sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen ließ, höchstens, wenn die Katze hinter ihm her war. Aber dann flüchtete es schnell in sein Mäuseloch zurück. Im Herbst hatte die Maus fleißig Früchte und Körner gesammelt; jetzt schlief sie in ihrem gemütlichen Nest. Das ist gut, dachte der verantwortliche Engel, wer schläft, sündigt nicht, und bezog die Maus nicht weiter in seine Überlegungen ein.
    Nach getaner Arbeit kehrten die Boten Gottes in den Himmel heim. Ein Engel blieb im Stall zurück; er sollte der Mutter Maria in ihrer schweren Stunde beistehen. Damit aber keiner merkten konnte, dass er ein Engel war, nahm er seine Flügel ab und legte sie sorgsam in eine Ecke des Stalles. Als die Mutter Maria das Kind gebar, war sie sehr dankbar für die Hilfe des Engels.
    Denn kurz darauf kamen schon die Hirten, nachdem sie die frohe Botschaft gehört hatten, und der Hütehund und die Schafe. Obwohl die Männer sich bemühten, leise zu sein, und sozusagen auf Zehenspitzen gingen, klangen ihre Schritte doch hart und der Bretterboden knarrte. War es da ein Wunder, dass die Maus in ihrem Nest aufwachte? Sie lugte zum Mäuseloch hinaus und hörte die Stimme " Ein Kind ist uns geboren ...", konnte aber nichts sehen.
    Neugierig verließ sie ihr schützendes Nest und schon war die Katze hinter ihr: Schnell wollte das Mäuslein in sein Mäuseloch zurück, aber ein Hirte hatte inzwischen seinen Fuß darauf gestellt. "Heilige Nacht hin oder her", sagte die Katze zu der entsetzten Maus, "jetzt krieg ich dich!"
    Und damit ging die wilde Jagd los. Die Maus in ihrer Angst flitzte von einer Ecke in die andere, sauste zwischen den Beinen der Hirten hindurch, huschte unter die Krippe und die Katze immer hinterher: Zwischenzeitlich bellte der Hütehund und die Schafe blöckten ängstlich. Irgendwo gackerte aufgeregt eine Henne.
    Die Hirten wussten nicht recht, was los war, denn eigentlich waren sie gekommen, um das Kind anzubeten. Aber sie konnten ja ihr eigenes Wort nicht mehr verstehen, und alles rannte durcheinander: Es ging zu wie in Nazareth auf dem Wochenmarkt.
    Als die Engel im Himmel das sahen, ließen sie buchstäblich ihre Flügel hängen. Es ist tröstlich zu wissen, dass auch so unfehlbare Wesen wie Engel nicht an alles denken. Das Mäuslein indessen befand sich in Todesangst. Es glaubte seine letzte Sekunde schon gekommen, da flüchtete es in seiner Not unter die Engelsflügel. lm gleichen Moment fühlte es sich sachte hochgehoben und dem Zugriff der Katze entzogen. Das Mäuslein wusste nicht, wie ihm geschah. Es schwebte bis unters Dachgebälk, dort hielt es sich fest. Außerdem hatte es jetzt einen weiten Blick auf das ganze Geschehen im Stall.
    Die Katze suchte noch ungläubig jeden Winkel ab, aber sonst hatte sich alles beruhigt. Der Hütehund, bewachte die ruhenden Schafe. Die Hirten knieten vor der Krippe und brachten dem Christkind Geschenke dar. Alles Licht und alle Wärme gingen von diesem Kinde aus. Das Christkind lächelte der Maus zu, als wollte es sagen, "Gell, wir wissen schon, wen die Katze hier herunten sucht". Sonst hatte niemand etwas von dem Vorkommnis bemerkt.
    Außer dem Engel, der heimlich lachen musste, als er die Maus mit seinen Flügeln sah. Er kicherte und gluckste trotz der hochheiligen Stunde so sehr, dass sich der heilige Josef schon irritiert am Kopf kratzte.
    Es sah aber auch zu komisch aus, wie die kleine Maus mit den großen Flügeln in die Höhe schwebte. Die erstaunte Maus hing also oben im Dachgebälk in Sicherheit.
    Und ihre Nachkommen erzählen sich noch heute in der Heiligen Nacht diese Geschichte. Macht ihnen die Speicher und Türme auf, damit sie eine Heimat finden - die Fledermäuse - wie damals im Stall von Bethlehem.

  • Warum es keine Weihnachtslärche gibt
    von Josef Guggenmos

    "Herbst, was hast du uns mitgebracht?" riefen die Bäume.
    "Mitgebracht?" brummte der Herbst.
    "Die andern haben uns die herrlichsten Dinge geschenkt!" schallte es von allen Seiten. "Der Frühling hat uns allen herrliche grüne Kleider gegeben!"
    "Dazu hat er uns mit schneeweißen Blüten überschüttet!" riefen Birnbaum, Kirschbaum und Pflaumenbaum.
    "Mich hat er mit rosafarbenen Blüten geschmückt!" rief der Apfelbaum.
    "Mir hat er tausend rote Blütenkätzchen geschenkt!" rief die Fichte.
    "Mir hat er auf jeden Zweig prächtige Blütenkerzen gesteckt!" rief die Kastanie.
    "Und der Sommer!" riefen die Bäume. "Der Sommer hat uns Früchte gegeben!"
    "Mich hat er mit blauen, weiß bereiften Kugeln behängt!" rief der Pflaumenbaum.
    "Mich mit wunderhübschen roten!" rief der Kirschbaum.
    "Uns hat er große, saftige Früchte beschert!" riefen Birnbaum und Apfelbaum.
    "Mir hat er zierliche Zapfen auf die Zweige gesteckt!" rief die Lärche.
    Die Bäume konnten nicht genug den Frühling und den Sommer loben. "Unddu, Herbst", riefen sie, "du nimmst uns die Früchte! Und was gibst du uns dafür?"
    "Ich habe nichts mitgebracht. Ich kann euch nichts geben", brummte der Herbst.
    "Ihr habt eure grünen Kleider noch, seid zufrieden!"
    "Ach, unsere grünen Kleider", hieß es. "An denen haben wir uns längst satt gesehen!"
    Die Bäume standen still und traurig, bis sich eine helle Stimme vernehmen ließ: "Kannst du uns nicht wenigstens die Kleider färben? Ich wünsche mir ein goldenes!"
    Alle schauten auf die Birke, die gesprochen hatte. Dann brach ein Sturm los: "Herbst, du mußt uns die Kleider färben!"
    "Ich wünsche mir ein rotes Kleid!" rief der Kirschbaum.
    "Ich ein braunes!" rief die Eiche.
    "Ich ein violettes!" rief die Tanne.
    "Ich ein ockerfarbenes!" rief der Ahorn.
    Der Herbst schüttelte sein Haupt. "Ich würde euch gerne den Gefallen tun", sagte er. "Aber was würde der Winter dazu sagen, wenn er kommt? Er würde toben! Ich kenne ihn: Er ist für das Schlichte, alles Buntscheckige ist ihm verhaßt. Nein, es kann nicht sein!"
    "Oh, du willst nur nicht!" klagten die Bäume. "Der Winter hat gewiß nichts dagegen, wenn wir bunte Kleider tragen!"
    "Wir können ihn ja fragen", entschied der Herbst. Und er befahl dem Wind, eilig zum Winter zu laufen.

    Bis zum Winter war ein weiter Weg. Der Wind rannte durch die Straßen der Dörfer und Städte, über die Fluren, durch die Täler, über die Höhen. Keuchend kehrte er zurück. "Der Winter ist außer sich", berichtete er. "Er droht, allen Bäumen den Kragen umzudrehen, wenn er jeden in einem andersfarbigen Kleid vorfindet."
    Die Bäume steckten die Köpfe zusammen. Schließlich machten sie dem Herbst einen Vorschlag: "Gib unsern Blättern und Nadeln schöne Farben! Wir versprechen dir, sie alle abzuwerfen, ehe der Winter kommt, dann hat er keinen Grund, sich zu beschweren. Der Frühling gibt uns später wieder neue Kleider."
    "Hm", meinte der Herbst, "dann steht ihr ja alle kahl da, wenn der Winter kommt. Ob er damit einverstanden sein wird? Ich glaube kaum. Lauf, Wind, und frage ihn."

    Der Wind stöhnte, weil er den weiten Weg noch einmal machen mußte. Fauchend und heulend fuhr über das Land, bis er dorthin gelangte, wo der Winter wohnte. Der Winter erklärte: "Wenn den Bäumen so viel an bunten Kleidern gelegen ist, sollen sie ihre Freude haben! Aber ein Teil von ihnen muß grün bleiben. Ich will an Weihnachten nicht nur kahle Zweige sehen! Wind, höre gut zu, was ich dir sage! Die Laubbäume können sich ihr Laub vom Herbst färben lassen, wenn sie wollen; sie müssen es nur abgeworfen haben, bis ich komme. Die vier Nadelbäume aber - hast du
    verstanden? -, die vier Nadelbäume müssen grün bleiben. Wehe dir, wenn du meinen Befehhl nicht ordentlich weiter gibst!"
    Der Wind, den schon der Herbst so viel herumgeschickt hatte, wollte wenigstens zur Zeit des Winters seine Ruhe haben. Er nahm sich daher vor, seine Botschaft an die vier Nadelbäume genau auszurichten. Als er zurückkam, rief er sogleich:

    "Fichten, Tannen, Kiefern, Föhren,
    ihr vier habt mir zuzuhören!
    Bleibet grün, so wie ihr seid,
    grün, grün, grasgrün allezeit!
    Dieses muß ich euch berichten,
    Tannen, Kiefern, Föhren, Fichten!"

    Der Wind war überzeugt, seine Sache gut gemacht zu haben.
    Doch als der Winter kam und sich umschaute, da verfinsterte sich sein Gesicht. Er brüllte: "Wind, was habe ich dir aufgetragen?" und zeigte auf die Lärche, die mit kahlen Zweigen dastand. Unter ihr lagen die ockerfarbenen Nadeln verstreut, die sie abgeworfen hatte, wie die Laubbäume ihr Laub.
    "Aber ich habe doch ausdrücklich allen vier Nadelbäumen befohlen" stotterte der Wind, "der Fichte, der Tanne, der Kiefer, der Föhre...."
    "Und der Lärche?" brüllte der Winter.
    Da ging dem Wind plötzlich ein Licht auf: Er hatte die Kiefer, die auch Föhre heißt, zweimal genannt und die Lärche vergessen...

    Ja, hätte der Wind damals nicht einen Fehler gemacht, könnten wir uns als Weihnachtsbaum eine kleine Lärche statt der Fichte oder Tanne ins Zimmer holen. Aber seien wir dem Wind nicht auch noch böse. Er ist bestraft genug.
    Hört nur, wie ihn der Winter draußen durch die Gegend jagt!


  • Beamte sind auch Menschen

    Nicht nur wir Normalbürger haben mit der Polizei zu tun.
    Auch einem Nikolaus kann es passieren, dass er mit einem ganz irdischen „Blauen“ in Kontroversen kommt.
    So wartete am Montagabend, dem berühmten 6. Dezember, ein Streifenbeamter der Polizei an einem ganz gewöhnlichen kleinen Auto, das der Fahrer völlig unvorschriftsmäßig und keck in ein deutlich bezeichnetes Parkverbot gestellt hatte. Der Polizist, - es war nicht gerade in der kritischen Innenstadt – war eben am überlegen, ob er seinen Block mit vorgedruckten Aufforderungen, sich auf dem Revier zu melden, ziehen solle, aber da es so kalt war, ließ er die Hände lieber in den Handschuhen. Unschlüssig stand er, ob er besser weitergehen oder amtliche Kenntnis zu nehmen hätte.
    In diese Überlegung hinein trat eine vermummte Gestalt aus dem Hauseingang, schritt auf den Wagen zu und erwies sich als der Fahrer des falsch geparkten Fahrzeugs. Als Polizist kann man nun nicht mehr den Ahnungslosen markieren, sondern ist zur Amtshandlung gezwungen.
    „Sie“, sagte der Ordnungshüter, dem der Autofahrer den Buckel hinstreckte, „Sie, haben sie nicht gesehen, dass sie im Parkverbot stehen?“
    Der Fremde drehte sich um.
    Wahrscheinlich haben dem Polizeibeamten, der ja auch einmal ein Knabe war, in diesem Augenblick die amtsblauen Hosenbeine geschlottert. Denn der Autofahrer trug eine Kurre, einen mächtigen weißen Bart, eine Rute in der Hand und sah ehrfurchtsvoll drein.
    „....im Parkverbot stehen“, monierte der Beamte nur noch schwach und hätte sich eigentlich am liebsten unverzüglich auf seinen Rundgang begeben.
    „Stimmt!“ brummte der Nikolaus und ließ lässig die Rute in den Fingern kreisen.
    „Das ist ein Parkverbot. Aber sie wissen, dass auch im Parkverbot das Be- und entladen des Fahrzeugs erlaubt ist!“
    „Allerdings“, stimmte der Polizist froh ein.
    „Und wie sie hier sehen“, fuhr der Nikolaus fort und schwang einen leeren Sack, „habe ich in diesem Haus einiges entladen. Dieser Sack war einmal voll mit Äpfeln, Nüssen und anderen Sachen. Oder wollten sie, dass ein Nikolaus von heute einen Sack zu Fuß schleppen soll, wo jedes Bierfahrzeug im Halteverbot halten darf?“
    „Oh!“ lächelte der Polizeibeamte, „das wollte ich keineswegs. Das geht in Ordnung. Ich wünsche Ihnen ein frohes Weihnachtsfest!“
    Am liebsten hätte er noch „lieber Nikolaus“ angefügt. Aber da genierte er sich. Ein Polizeibeamter ist ja schließlich kein Knabe mehr.

    ;)

  • Apfent, Apfent, der Bärwurz brennt
    von Toni Lauerer

    Der Apfent ist die schönste Zeit vom Winter.
    Die meisten Leute haben im Winter eine Grippe. Die ist mit Fieber.
    Wir haben auch eine. Aber die ist mit Beleuchtung. Und man schreibt sie mit K.
    Drei Wochen bevor das Christkindl kommt, stellt der Papa die Krippe im Wohnzimmer auf und meine kleine Schwester und ich dürfen mithelfen.
    Viele Krippen sind dodal langweilig, aber die unsere nicht, weil wir haben mords tolle Figuren drin. Ich habe einmal den Josef und das Christkindl auf unseren Ofen gestellt damit sie es schön warm haben. Aber es war ihnen zu heiß.
    Das Christkindl ist ganz schwarz g´wordn und den Josef hat's in lauter Trümmer zerrissn. Ein Fuß von ihm ist bis in den Plätzlteig geflogen und das war kein schöner Anblick. Meine Mama hat mich geschimpft und gesagt, daß nicht einmal die Heiligen vor meiner Blödheit sicher sind. Wenn Maria ohne Mann und ohne Kind in der Krippe herumsteht, schaut es nicht gut aus.
    Aber ich habe gottseidank viele Figuren in meiner Spielkiste und der Josef ist jetzt Donald Duck. Als Christkindl wollte ich den Asterix nehmen, weil der ist als einziger so klein, dass er in den Futtertrog gepasst hätte. Da hat meine Mama gesagt, man kann doch als Christkindl keinen Asterix hernehmen, da ist ja das verbrannte Christkindl noch besser.
    Es ist zwar schwarz, aber immerhin ein Christkindl. Hinter dem Christkindl stehen zwei Oxen, ein Esel, ein Nilpferd und ein Brontosaurier. Das Nilpferd und den Brontosaurier hab ich hingestellt, weil der Ox und der Esel waren mir allein zu langweilig.
    Links neben dem Stall kommen gerade die Heiligen Drei Könige daher. Ein König ist dem Papa im letzten Apfent beim Putzen runtergefallen und war dodal hin. Jetzt haben wir nur noch Zwei heilige Könige und einen heiligen Batman als Ersatz.
    Eigentlich wollte ich ja Vier Heilige Drei Könige, doch der Spiderman muss ja im Stall auf die depperten Schafe aufpassn. Normal haben die Heiligen Könige einen Haufen Zeug für das Christkindl dabei, nämlich Gold, Weihrauch und Pürree. Von den unseren hat einer anstatt Gold ein Kaugummipapierl dabei, das glänzt auch schön. Der andere hat eine Marlboro in der Hand, weil wir keinen Weihrauch haben. Aber die Marlboro raucht auch schön, wenn man sie anzündet. Der heilige Batman hat eine Pistole dabei. Das ist zwar kein Geschenk für das Christkindl, aber damit kann er es vor dem Saurier beschützen.
    Hinter den Heiligen sind ein paar rothäutige Indianer und ein kaasiger Engel. Dem Engel ist ein Fuß abgebrochen, darum haben wir ihn auf ein Motorrad gesetzt, damit er sich leichter tut. Mit dem Motorrad kann er fahren, wenn er nicht gerade fliegt. Rechts neben dem Stall haben wir ein Rotkäppchen hingestellt. Sie hat eine Pizza und drei Weizen für die Oma dabei und reißt gerade eine Marone ab. Einen Wolf haben wir leider nicht. Dafür lurt hinter dem Baum ein Bummerl als Ersatz-Wolf hervor, mehr steht in unserer Krippe nicht.
    Aber das reicht voll. Am Abend schalten wir die Lampe an und dann ist unsere Krippe erst richtig schön. Wir sitzen so herum und singen Lieder vom Apfent.
    Manche gefallen mir, aber die meisten sind mir zu lusert. Mein Opa hat mit ein Gedicht vom Apfent gelernt und das geht so: "Apfent, Apfent, der Bärwurz brennt. Erst trinkst oan, dann zwoa - drei - vier, dann hauts'de mit deim Hirn an d`Tür" Obwohl das Gedicht ganz schön ist, hat die Mama g´sagt, dass ich es mir nicht merken darf.
    Im Apfent wird auch gebastelt. Wir haben eine große Schüssel voll Nüsse und eine kleine voll mit Goldstaub. Darin wälzen wir die Nüsse, bis sie goldern sind und das Christkindl hängt sie später an den Christbaum. Man darf gar net fest schnaufen, weil der Goldstaub ist dodal leicht und er fliegt überall rum wenn man hineinschnauft.
    Einmal hab ich vorher in den Goldstaub ein Niespulver hineingetan und wie der Papa die erste Nuss dann drin gewälzt hat, hat er einen Nieserer gmacht, dass es ihn grissn hat und sein Gsicht war goldern und die Nuss nicht. Die Mama hat ihn dann geschimpft weil er keine Beherrschung hat und sie hat gsagt, dass er sich dümmer anstellt als ein Kind. Dann war der Papa recht z´wieder und er hat nicht mehr mitgetan. Er hat nur gsagt, dass bei dem Goldstaub irgendwas net stimmt. Ich habe mich sehr gefreut, weil es war insgesamtein lustiger Apfentabend.
    Kurz vor Weihnachten müssen wir unsere Wunschzettel schreiben. Meine Schwester wünscht sich meistens Puppen oder sonst ein Glump. Ich schreibe vorsichtshalber gleich mehr Sachen drauf und zum Schluss schreibe ich dem Christkindl, es soll einfach soviel kaufen, bis das Geld ausgeht. Die Mama sagt, das ist eine Unverschämtheit und irgendwann bringt mir das Christkindl gar nix mehr, weil ich nicht bescheiden bin. Aber bis jetzt habe ich immer etwas gekriegt.
    Und wenn ich groß bin und ein Geld verdiene, dann kaufe ich mir selber etwas und bin auch überhaupt nicht bescheiden. Dann kann sich das Christkindl von mir aus ärgern, weil dann ist es mir wurscht.
    Bis man schaut ist der Apfent vorbei und Weihnachten aus. Und mit dem restlichen Jahr geht es auch dahin. Die Geschenke sind ausgepackt und man kriegt bis Ostern nix mehr, höchstens wenn man Geburtstag hat.
    Aber eins ist Gewiss: Der Apfent kommt immer wieder...

  • Felix holt Senf
    von Erich Kästner

    Es war am Weihnachtsabend im Jahre 1927 gegen sechs Uhr, und Preissers hatten eben beschert. Der Vater balancierte auf einem Stuhl dicht vorm Weihnachtsbaum und zerdrückte die Stearinflämmchen zwischen den angefeuchteten Fingern. Die Mutter hantierte draußen in der Küche, brachte das Eßgeschirr und den Kartoffelsalat in die Stube und meinte >>Die Würstchen sind gleich heiß!<<
    Ihr Mann kletterte vom Stuhl, klatschte fidel in die Hände und rief ihr nach: >>Vergiß den Senf nicht!<< Sie kam, statt zu antworten, mit dem leeren Senfglas zurück und sagte: >>Felix, hol Senf! Die Würstchen sind sofort fertig.<<
    Felix saß unter der Lampe und drehte an einem kleinen billigen Fotoapperat herum. Der Vater versetzte dem Fünfzehnjährigen einen Klaps und polterte: >>Nacher ist auch noch Zeit. Hier hast du Geld. Los, hol Senf! Nimm den Schlüssel mit, damit du nicht klingeln brauchst. Soll ich dor Beine machen?<<
    Felix hielt das Senfglas, als wolle er damit fotografieren, nahm den Schlüssel und lief auf die Straße. Hinter den Ladentüren standen die Geschäftsleute ungeduldig und fanden sich vom Schicksal ungerecht behandelt. Aus den Fenstern aller Stockwerke schimmerten die Christbäume. Felix spazierte an hundert Läden vorbei und starrte hinein, ohne etwas zu sehen. Er war in einem Schwebezustand, der mit Senf und Würstchen nichts zu tun hatte. Er war glücklich, bis ihm vor lauter Glück das Senfglas aus der Hand aufs Pflaster fiel. Die Rolläden prasselten an den Schaufenstern herunter und Felix merkte, dass er sich seit einer Stunde in der Stadt herumtrieb. Die Würstchen waren längst geplatzt! Er brachte es nicht über sich, nach Hause zu gehen. So ganz ohne Senf! Gerade heute hätte er Ohrfeigen nicht gut vertragen.
    Herr und Frau Preisser aßen die Würstchen mit Ärger und ohne Senf. Um acht wurden sie ängstlich. Um neun liefen sie aus dem Haus und klingelten bei Felix Freunden.
    Am ersten Weihnachtsfeiertag verständigten sie die Polizei. Sie warteten drei Tage vergebens. Sie warteten drei Jahre vergebens.
    Langsam ging ihre Hoffnung zugrunde, schließlich warteten sie nicht mehr und versanken in hoffnungsloser Traurigkeit.
    Die Weihnachtsabende wurden von nun an das Schlimmste im Leben der Eltern. Da saßen sie schweigend vorm Christbaum, betrachteten den kleinen billigen Fotoapperat und ein Bild ihres Sohnes, das ihn als Konfirmanden zeigte, im blauen Anzug, den schwarzen Filzhut keck auf dem Ohr. Sie hatten den Jungen so liebgehabt, und daß der Vater manchmal eine lockere Hand bewiesen hatte, war doch nicht böse gemeint, nicht wahr? Jedes Jahr lagen die zehn alten Zigarren unterm Baum, die Felix dem Vater damals geschenkt hatte, und die warmen Handschuhe für die Mutter. Jedes Jahr aßen sie Kartoffelsalat mit Würstchen, aber aus Pietät ohne Senf. Das war ja auch gleichgültig, es konnte ihnen doch niemals schmecken. Sie saßen nebeneinander, und vor ihren weinenden Augen verschwammen die brennenden Kerzen zu großen glitzernden Lichtkugeln. Sie saßen nebeneinander, und er
    sagte jedes Jahr: >>Diesmal sind die Würstchen aber ganz besonders gut.<< Und sie antwortete jedesmal: >>Ich hol dir die von Felix noch aus der Küche. Wir können jetzt nicht mehr warten.<<

    Doch um es rasch zu sagen: Felix kam wieder.
    Das war am Weihnachtsabend im Jahre 1932 kurz nach sechs Uhr...
    Die Mutter hatte die heißen Würstchen hereingebracht, da meinte der Vater: >>Hörst du nichts? Ging nicht eben die Tür?<<
    Sie lauschten und aßen dann weiter. Als jemand ins Zimmer trat,wagten sie nicht, sich umzudrehen. Eine zitternde Stimme sagte: >>So, da ist der Senf, Vater.<<
    Und eine Hand schob sich zwischen den beiden alten Leuten hindurch und stellte wahrhaftig ein gefülltes Senfglas auf den Tisch. Die Mutter senkte den Kopf ganz tief und faltete die Hände. Der Vater zog sich am Tisch hoch, drehte sich trotz der Tränen lächelnd um , hob den Arm, gab dem jungen Mann eine schallende Ohrfeige und sagte: >>Das hat aber ziemlich lange gedauert, du Bengel. Setz dich hin!<<
    Was nützte der Beste Senf der Welt, wenn die Würstchen kalt werden? Daß sie kalt wurden, ist erwiesen. Felix saß zwischen den Eltern und erzählte von seinen Erlebnissen in der Fremde, von fünf langen Jahren und vielen wunderbaren Sachen. Die Eltern hielten ihn bei den Händen und hörten vor Freude nicht zu
    Unterm Christbaum lagen Vaters Zigarren, Mutters Handschuhe und der billige Fotoapperat. Und es schien, als hätten fünf Jahre nur zehn Minuten gedauert. Schließlich stand die Mutter auf und sagte: >>So Felix, jetzt hol ich dir deine Würstchen.<< 

    Einmal editiert, zuletzt von Nikolausi (18. Dezember 2003 um 05:57)

  • Rudolph, das Rentier mit der Roten Nase


    Hoch oben im Norden, wo die Nächte dunkler und länger und der Schnee viel weißer ist als in unseren Breitengraden, sind die Rentiere beheimatet. In jedem Jahr geht der Weihnachtsmann dort auf die Suche nach den stärksten und schnellsten Tieren, um seinen gewaltigen Schlitten durch die Luft zu befördern. In dieser Gegend lebte eine Rentierfamilie mit ihren fünf Kindern. Das Jüngste hörte auf den Namen Rudolph und war ein besonders lebhaftes und neugieriges Kind, das seine Nase in allerlei Dinge steckte. Tja, und diese Nase hatte es wirklich in sich. Immer, wenn das kleine Rentierherz vor Aufregung ein bisschen schneller klopfte, leuchtete sie so rot wie die glühende Sonne kurz vor dem Untergang. Egal, ob er sich freute oder zornig war, Rudolphs Nase glühte in voller Pracht. Seine Eltern und Geschwister hatten ihren Spaß an der roten Nase, aber schon im Rentierkindergarten wurde sie zum Gespött der vierbeinigen Racker. "Das ist der Rudolph mit der roten Nase", riefen sie und tanzten um ihn herum, während sie mit ihren kleinen Hufen auf ihn zeigten. Und dann erst in der Rentierschule! Die Rentier-Kinder hänselten ihn wo sie nur konnten. Mit allen Mitteln versuchte Rudolph seine Nase zu verbergen, indem er sie mit schwarzer Farbe übermalte. Spielte er mit den anderen verstecken, freute er sich, dass er diesmal nicht entdeckt worden war. Und im gleichen Moment begann seine Nase so zu glühen, dass die Farbe abblätterte. Ein anderes Mal stülpte er sich eine schwarze Gummikappe darüber. Nicht nur, dass er durch den Mund atmen musste. Als er auch noch zu sprechen begann, klang es als säße eine Wäscheklammer auf seiner Nase. Seine Mitschüler hielten sich die Rentier-Bäuche vor Lachen, aber Rudolph lief nach Hause und weinte bitterlich. "Nie wieder werde ich mit diesen Blödhufen spielen", rief er unter Tränen, und die Worte seiner Eltern und Geschwister konnten ihn dabei nur wenig trösten.

    Die Tage wurden kürzer und wie in jedem Jahr kündigte sich der Besuch des Weihnachtsmannes an. In allen Rentier-Haushalten wurden die jungen und kräftigen Burschen herausgeputzt. Ihre Felle wurden so lange gestriegelt und gebürstet bis sie kupfernfarben schimmerten, die Geweihe mit Schnee geputzt bis sie im fahlen Licht des nordischen Winters glänzten. Und dann war es endlich soweit. Auf einem riesigen Platz standen Dutzende von Rentieren, die ungeduldig und nervös mit den Hufen scharrten und schaurig-schöne Rufe ausstießen, um die Mitbewerber zu beeindrucken. Unter ihnen war auch Rudolph, an Größe und Kraft den anderen Bewerbern zumeist deutlich überlegen. Pünktlich zur festgelegten Zeit landete der Weihnachtsmann aus dem nahegelegenen Weihnachtsdorf, seiner Heimat, mit seinem Schlitten, der diesmal nur von Donner, dem getreuen Leittier gezogen wurde. Leichter Schnee hatte eingesetzt und der wallende rote Mantel war mit weißen Tupfern übersät. Santa Claus machte sich sofort an die Arbeit, indem er jedes Tier in Augenschein nahm. Immer wieder brummelte er einige Worte in seinen langen weißen Bart.
    Rudolph kam es wie eine Ewigkeit vor. Als die Reihe endlich bei ihm angelangt war, glühte seine Nase vor Aufregung fast so hell wie die Sonne. Santa Claus trat auf ihn zu, lächelte freundlich und schüttelte den Kopf. "Du bist groß und kräftig. Und ein hübscher Bursche dazu ", sprach er, "aber leider kann ich dich nicht gebrauchen. Die Kinder würden erschrecken, wenn sie dich sähen." Rudolphs Trauer kannte keine Grenzen. So schnell er konnte, lief er hinaus in den Wald und stampfte brüllend und weinend durch den tiefen Schnee. Die Geräusche und das weithin sichtbare rote Licht lockten eine Elfe an. Vorsichtig näherte sie sich, legte ihre Hand auf seine Schulter und fragte : "Was ist mit dir?"
    "Schau nur, wie meine Nase leuchtet. Keiner braucht ein Rentier mit einer roten Nase!" antwortete Rudolph.
    "Das kenne ich", sprach die Elfe, "ich würde gerne im Weihnachtsdorf mit den anderen Elfen arbeiten. Aber immer, wenn ich aufgeregt bin, beginnen meine Ohren zu wackeln. Und wackelnde Ohren mag Santa Claus nicht."
    Rudolph blickte auf, wischte sich mit den Hufen die Tränen aus den Augen und sah eine bildhübsche Elfe, deren Ohren im Rhythmus eines Vogelschlags hin und her wackelten.
    "Mein Name ist Herbie", sagte sie schüchtern. Und während sie sich so in die Augen sahen, der eine mit einer leuchtend roten Nase, die andere mit rhythmisch wackelnden Ohren, prusteten sie urplötzlich los und lachten bis ihnen die Bäuche weh taten.

    An diesem Tag schlossen sie Freundschaft schwatzten bis in die Nacht und kehrten erst am frühen Morgen heim. Mit Riesenschritten ging die Zeit auf Weihnachten zu. Herbie und Rudolph trafen sich in dieser Zeit viele Male im Wald. Alle waren mit den Vorbereitungen für das Weihnachtsfest so beschäftigt, dass sie nicht bemerkten, wie sich das Wetter von Tag zu Tag verschlechterte. Am Vorabend des Weihnachtstages übergab die Wetterfee Santa Claus den Wetterbericht. Mit sorgenvoller Miene blickte er zum Himmel und seufzte resigniert : "Wenn ich morgen anspanne, kann ich vom Kutschbock aus noch nicht einmal die Rentiere sehen. Wie soll ich da den Weg zu den Kindern finden?"
    In dieser Nacht fand Santa Claus keinen Schlaf. Immer wieder grübelte er über einen Ausweg nach. Schließlich zog er Mantel, Stiefel und Mütze an, spannte Donner vor seinen Schlitten und machte sich auf den Weg zur Erde. "Vielleicht finde ich dort eine Lösung", dachte er. Während seines Fluges begann es in dichten Flocken zu schneien. So dicht, dass Santa Claus kaum etwas sehen konnte. Lediglich ein rotes Licht unter ihm leuchtete so hell, dass ihm der Schnee wie eine riesige Menge Erdbeereis vorkam. Santa Claus liebte Erdbeereis. "Hallo", rief er, "was hast du für eine hübsche und wundervolle Nase! Du bist genau der, den ich brauche. Was hältst du davon, wenn du am Weihnachtstag vor meinem Schlitten herläufst und mir so den Weg zu den Kindern zeigst?"

    Als Rudolph die Worte des Weihnachtsmannes hörte, fiel ihm vor Schreck der Tannenbaum zu Boden und seine Nase glühte so heftig wie noch nie in seinem Leben. Vor lauter Freude fehlten ihm die Worte. Erst langsam fand er seine Fassung wieder.

    "Natürlich furchtbar gerne. Ich freu’ mich riesig."
    Doch plötzlich wurde er sehr traurig. "Aber wie finde ich den Weg zurück zum Weihnachtsdorf, wenn es so dicht schneit?" Im gleichen Moment, in dem er die Worte aussprach, kam ihm eine Idee. "Bin gleich wieder da", rief er, während er schon in schnellem Galopp auf dem Weg in den Wald war und einen verdutzten Santa Claus zurückließ. Wenige Minuten später kehrten ein Rentier mit einer glühenden Nase und eine Elfe mit wackelnden Ohren aus dem Wald zurück. "Sie wird uns führen, Santa Claus", sagte Rudolph voller Stolz und zeigte auf Herbie. "Mit ihren Ohren hält sie uns den Schnee vom Leibe. Und sie kennt den Weg." "Das ist eine prachtvolle Idee", dröhnte Santa Claus. "Aber jetzt muss ich zurück. Auf morgen dann."
    Und so geschah es, dass Santa Claus am Weihnachtstag von einem Rentier mit einer roten Nase und einer Elfe mit wackelnden Ohren begleitet wurde.

    Rudolph wurde für seine treuen Dienste am nächsten Tag von allen Rentieren begeistert gefeiert. Den ganzen Tag tanzten sie auf dem großen Marktplatz und sangen dazu : "Rudolph mit der roten Nase, du wirst in die Geschichte eingehen."
    Und es muss jemanden gegeben haben, der Santa Claus und seine beiden Helfer beobachtet hat. Sonst gäbe es sie heute nicht, die Geschichte von Rudolph mit der roten Nase.

  • Der vierte Weise aus dem Morgenland
    nach einer Erzählung von Henry Van Dyke

    Zu der Zeit als Kaiser Augustus Herr über viele Könige war und in Jerusalem Herodes regierte, lebte in der Stadt Ekbatana in den Bergen Persiens ein gewisser Artaban der Meder. Vom Dach seines Hauses schweifte der Blick über die ragenden Zinnen der sieben Mauern, die die königliche Schatzkammer umgaben, bis zu dem Hügel, auf dem der Sommerpalast der Partherherrscher gleich einem Kronjuwel schimmerte.
    Rings um Artabans Wohnhaus breitete sich ein schöner Garten, ein Labyrinth aus Blumen und Obstbäumen, gewässert von Bächen, die von den Hängen des Orontes herabplätscherten, und durchflötet von Vögeln ohne Zahl. Doch im weichduftigen Dunkel der Nacht im späten September waren alle Laute verstummt bis auf das plätschern des Wassers. Hoch über den Bäumen schien ein schwacher Lichtglanz durch die gardinenverhängten Fensterbögen des Obergemachs, wo der Herr des Hauses im Begriff war, mit seinen Freunden Rat zu halten.
    Er war ein hochgewachsener, dunkelhäutiger Mann von etwa 40 Jahren. Eng standen die feurigen Augen unter den Brauen, und um die feinen schmalen Lippen hatten sich strenge Linien eingegraben: Die Stirn eines Träumers und der Mund eines Kriegers, eines Mannes von feinem Empfinden, aber unbeugsamen Willen. Sein Gewand das er über der seidenen Tunika trug, war von reiner weißer Wolle, und eine weiße, spitze Mütze saß auf seinem wallenden Schwarzhaar. Es war das Kleid der alten Priestergilde, der Magier, auch Feueranbeter genannt.
    "Willkommen" sagte er mit seiner gedämpften, angenehmen Stimme als einer nach dem anderen den Raum betrat. "Ihr seid alle willkommen und die Freude eurer Gegenwart erhellt mein Haus."
    Es waren neun Männer von unterschiedlichem Alter, doch gleicher Pracht der Kleidung. Der Kragen aus purem Gold bezeichnete sie als Edelleute des Parthervolkes, und auf der Brust trugen sie den goldenen Flügelkreis, das Abzeichen der Jünger Zoroasters. Sie nahmen um einen kleinen schwarzen Altar am Ende des Raumes Platz, auf dem eine winzige Flamme brannte. Artaban, der neben dem Altar stand und einen Wedel aus dünnen Tamariskenzweigen über dem Feuer schwenkte, nährte die Flamme mit dürrem Föhrenreisig und wohlriechenden Ölen. Dann stimmte er den alten Gesang an, und die Stimmen seiner Gefährten fielen ein in den schönen Hymnus an Ahura Masda: "Wir verehren den göttlichen Geist,
    den Träger von Weisheit und Güte...."
    Das Feuer züngelte auf unter dem Gesang und flackerte, als nehme die Flamme selbst teil an der Musik, bis es das ganze Gemach erleuchtete. Dessen Boden war ausgelegt mit weißgeäderten blauen Fliesen. Gedrehte Silberpilaster ragten vor den blauen Wänden auf; der Lichtgaden aus Bogenfenstern war mit azurener Seide verhängt; die Deckenwölbung war ein Mosaik von Saphiren, klar wie das Firmament, übersät mit silbernen Sternen. Am östlichen Ende hinter dem Altar befanden sich zwei dunkelrote Säulen aus Porphyr, und der Durchgang zwischen ihnen, der auf die Terrasse hinausführte, war bedeckt mit einem schweren Vorhang von der Farbe reifer Granatäpfel, bestickt mit zahllosen goldenen, vom Boden aufschießenden Strahlen.
    So bot der Raum das Bild einer stillen Sternennacht, ganz Silber und Azur, im Osten angehaucht von rosiger Morgenverheißung. Er war, wie es sein soll, Ausdruck von Charakter und Geist des Hausherrn.
    Der Gesang ging zu Ende, Artaban lud seine Gefährten ein, sich auf den Diwan zu setzten, und sagte: "Als getreue Schüler Zoroasters seid ihr heute Abend meinem Ruf gefolgt, um von neuem dem Gott der Reinheit eure Anbetung und euer Bekenntnis darzubringen, gleichwie das Feuer auf diesem Altar neu entzündet worden ist. Nicht das Feuer beten wir an, sondern ihn, dessen erkorenes Bildes ist als das lauterste aller geschaffenen Dinge. Es spricht zu uns von einem, der Licht und Wahrheit ist. ist es nicht so, mein Vater?"
    "Das ist wohl gesprochen, mein Sohn", antwortete der ehrwürdige Abgarus. "Die Erleuchteten sind niemals Götzendiener, sie heben den Schleier der Form und treten ein ins Heiligtum der Wirklichkeit."
    "Hört mich denn, mein Vater und meine Freunde", sagte Artaban. "zusammen haben wir nach den Geheimnissen der Natur geforscht und die heilenden Kräfte der Pflanzen, des Wassers und des Feuers studiert. Wir haben auch die Bücher der Prophezeiung gelesen, in denen die Zukunft verhüllt geweissagt wird. Doch der Gipfel aller Gelehrsamkeit ist die Kenntnis der Sterne. Ihrem Lauf nachzuspüren, heißt die Fäden des Lebensmysteriums von Anfang bis Ende zu entwirren. Aber ist unsere Kenntnis nicht noch unvollständig? Gibt es nicht außerhalb unseres Gesichtskreises noch viele Sterne - Lichter, die nur die Bewohner des fernen Südlandes kennen unter den Gewürzbäumen von Punt und bei den Goldminen von Ophir?"
    Es erhob sich ein Murmeln der Zustimmung.
    "Die Sterne", sagte Tigranes, "sind die Gedanken des ewigen. Sie sind ohne Zahl. Die Weisheit der Magier ist die größte Weisheit auf Erden, weil sie um ihre Unwissenheit weiß. Und das ist das Geheimnis der Macht. Wir haben Männer angestellt, die allezeit nach einem neuen Sonnenaufgang Ausschau halten. Doch wir selbst wissen, dass die Dunkelheit dem Licht ebenbürtig ist und dass der Kampf zwischen ihnen niemals enden wird."
    "Das ist mir nicht genug", sagte Artaban. "Denn wenn das Warten endlos unerfüllt bleiben muss, dann wäre es keine Weisheit, Ausschau zu halten und zu hoffen. Zur bestimmten Zeit wird er gewiss dämmern, der neue Sonnenaufgang. Sagen uns das nicht unsere Bücher, dass die Menschen sehen werden die Helligkeit eines großen Lichts?"
    "Das ist wahr", sagte Abgarus . "Jeder treue Jünger Zoroasters kennt die Weissagung: ,An jenem Tage wird Sosiosch der Sieger auferstehen aus den Propheten. Um ihn wird scheinen ein gewaltiger Glanz; ewig, unzerstörbar und unsterblich wird er das Leben machen, und die Toten werden wieder erstehen.´"
    "Mein Vater", sagte Artaban, und sein Gesicht leuchtete,"ich habe diese Weissagung in meinem Herzen getragen. Glaube ohne große Hoffnung wäre wie ein Altar ohne lebendiges Feuer. Und jetzt bei dem Licht der Flamme habe ich andere Worte gelesen, die noch klarer davon sprechen." Er zog aus seiner Tunika zwei beschriebene kleine Rollen aus feinem Leinen. "Lange ehe unsere Väter in das Land um Babylon kamen, lebten weise Männer in Chaldäa, von denen der erste der Magier das Geheimnis der Himmel lernte. Und von diesen war Bileam einer der mächtigsten. Höret die Worte seiner Weissagung: ,Es soll ein Stern aus Jakob aufgehen, und ein Szepter soll erwachsen aus Israel.´"
    "Juda war ein Gefangener an den Wassern Babylons", sagte Tigranes verächtlich, "und die Söhne Jakobs waren Vasallen unserer Könige. Die Stämme Israels sind über die Berge verstreut wie verlorene Schafe. Aus dem Rest, der unter Roms Joch in Judäa wohnt, wird weder Stern noch Szepter erwachsen."
    "Und doch", erwiderte Artaban, "war es der Hebräer Daniel, der mächtige Erforscher von Träumen, der weise Belsazar, den unser großer König Kyros am meisten ehrte und liebte. Als sicherer Prophet und Leser der Gedanken Gottes erwies sich Daniel unserem Volk. Und er schrieb:,So wisse nun und merke: von der Zeit an, da ausgeht der Befehl, dass Jerusalem soll wiederum gebaut werden, bis auf den Gesalbten, den Fürsten, sind sieben Wochen, und zweiundsechzig Wochen.´"


    gleich geht es weiter.........