Einsam, allein, (von allen) verlassen

  • Ich sehe in all unseren Argumentationen nicht wirklich Widersprüche.
    Vielleicht sollten wir hier nur mal kurz festhalten, über welche Begriffe wir in unterschiedlichem Sprachgebrauch schreiben:

    einsam
    allein
    verlassen

    Die drei Worte können mit gleichem Sinn benutzt werden, aber auch völlig unterschiedlich. Daher liest es sich vielleicht manchmal so, als ob wir aneinander vorbei argumentierten.

    einsam, ob selbstgewählt oder nicht, bedeutet doch rein sprachlich den Gegenpart zu zweisam, denn das Wort Zweisamkeit existiert in unserer Sprache ebenso wie Einsamkeit. Aber wie Sirius richtig feststellt (oder war es Asu?), Einsamkeit hat (auch) eine negative Bedeutung gewonnen, während Zweisamkeit positiv besetzt ist.

    allein, im Gegensatz zu zweit, zu dritt .... zusammen.
    Hat eigentlich eine relativ wertfreie Bedeutung oder?

    Aber verlassen? Jemand ist verlassen (worden), das bedeutet nicht, dass er/sie aktiv dazu beigetragen hat, sondern dies passiv erleiden muss. Daran gibt es nichts zu deuteln.

    In der Unterschiedlichkeit der Bedeutung dieser drei Wörter zeigt sich das ganze Spektrum dessen, was wir heute unter Einsamkeit verstehen.
    Es reicht von "Frieden und Ruhe suchen in der Abgeschiedenheit" bis hin zu (unfreiwilliger) Isolation.

    Ein Funke, kaum zu sehen, entfacht doch helle Flammen.  [color=#000000]eg 659

  • Zitat


    Die drei Worte können mit gleichem Sinn benutzt werden, aber auch völlig unterschiedlich. Daher liest es sich vielleicht manchmal so, als ob wir aneinander vorbei argumentierten.

    Zuerst einmal sind die 3 von Dir aufgeführten Begriffe Gefühle, welche individuell von individuellen Wesen empfunden werden.

    Der Sinn liegt demnach keineswegs darin, Gefühle mit dem Instrument des Verstandes be-greifen zu wollen, denn das führt in die Irre, einfach, weil es sich um zwei verschiedene Ebenen handelt. Gefühlsebene und Verstandesebene.

    Einsamkeit, Alleinsein und Verlassenheit als Gefühl sind immer ein Ausdruck des inneren Wesens im Sinne des Empfindens einer Trennung von sich selbst, einem mangelnden Selbst-bewusstseins. Selbstbewusstsein führt zur Selbst-erkenntnis, wer sich selbst erkennt, ruht in seiner Mitte, wer in seiner Mitte ruht, fühlt sich nicht getrennt, sondern mit allem verbunden. Wer sich mit allem verbunden fühlt, fühlt sich in dieser Verbundenheit von nichts und niemandem getrennt, einsam, verlassen oder allein.

    Gefühle spielen sich auf der ihnen gebührenden Gefühlsebene ab, nicht im Verstand und seinen Erklärungen dazu, :)

  • kolibri

    Passivität führt, und das nicht nur bisweilen, auch zu Verlassenwerden, was dann ja parodoxerweise doch 'ne aktive Beeinflussung ist oder nicht ?

    Demnach genauso uneindeutig um zu beschreiben was Du scheints zu beschreiben suchtst.

    wenn'se wissen was ich meine
    dujunowattaimien
    :lift:


  • Zitat

    Original von Nucleus1
    kolibri

    Passivität führt, und das nicht nur bisweilen, auch zu Verlassenwerden, was dann ja parodoxerweise doch 'ne aktive Beeinflussung ist oder nicht ?


    All das beinhaltet auch moralische Aspekte. Im Allgemeinen wird, der/die, der/die einen Partner, ein Elternteil, Kinder usw. verlässt von der Gesellschaft als "moralisches Schwein" ausgegrenzt oder zumindest "gekennzeichnet".
    Wenn der Verlassene also, laut Deiner Aussage, aufgrund seiner eigenen Passivität quasi selbst das Verlassenwerden aktiv gefördert hat, dann dürfte der, der den anderen verlässt doch nicht als "schuldig" gebrandmarkt werden.
    Nur, wer sagt das der "Blöd"-Zeitung, damit die der Gesellschaft das klar macht?

    Ein Funke, kaum zu sehen, entfacht doch helle Flammen.  [color=#000000]eg 659

  • @ Kolibri, Hermann van Veen hatte doch diesen Song :

    Einsam, Zweisam, Dreisam und am Ende dann allein.

    Eigentlich gibt dieser Niederländer den richtigen Sprachgegrauch wieder des Wortes Einsam. Denn es kommt ja von "Ein" und "Same".

    Somit ist am Anfang erst mal ein Same, Samenkorn welcher sich vielleicht spaltet wächst und je nachdem was für Samen es ist entweder Säugetiere oder halt Pflanzen hervorbringt.

    Bei Pflanzen sind dann meistens am Ende viele "Ein-samen" und die werden wieder ganz am Ende "allein" in die Erde gesteckt.

    Aber ich verbinde Einsam/Einsamkeit- Alleine/Alleinsein nicht mit Verlassen oder Verlassenheit.

    Und selbst verlassen muß nicht nicht unbedingt immer negativ sein, denn ich verlasse auch Gefahrenzonen!

    Und "das Verlassen werden" oder jemanden "verlassen" ist auch wieder was anders. Jemand der stirbt verlässt immer jemand! Somit ist Beispielsweise in Beziehungen der Begriff "eine Liebe starb" gar nicht so verkehrt (ebenfalls auch "die Geschäftsbeziehung endete")

    Aber so wie der Tod eine wohl nicht zu verhinderende Tatsache ist (falls jemand andere Erfahrungen gemacht hat, bitte melden) gilt dieses auch für zwischenmenschliche Beziehungen.

    Mann/Frau kann 90 Jahre werden, aber Mensch kann auch bei der Geburt sterben, es gibt sogar Fehlgeburten, wirklich!

    Es ist in den meisten Fällen für die Verlassenen immer ein persönliches dramatisches Ereignis, nicht aber im biologischen Zusammenspiel allen Lebens, da ist es eine ganz natürliche Sache.

    Somit ist der Begriff Schuld völlig überflüssig in diesem Zusammenhang zu erwähnen (deshalb auch keine Schuldzuweisungen mehr bei Scheidungen).

    Und was die Blöd-Zeitung angeht, "seit Heinrichs Böll's die verlorene Ehre der Katharina Blum" weiß ein jeder was von dieser Zeitung zu halten ist, okay die Pisa-Generation nicht, aber die kann doch eh nicht lesen, nicht wahr?

    Sirius:-)):-))

    Ja, ich habe auch Hobbys

  • Zitat

    All das beinhaltet auch moralische Aspekte. Im Allgemeinen wird, der/die, der/die einen Partner, ein Elternteil, Kinder usw. verlässt von der Gesellschaft als "moralisches Schwein" ausgegrenzt oder zumindest "gekennzeichnet".

    Da kann ich jetzt wirklich nicht ganz folgen. Verlassenwerden und eine daraus resultierende Einsamkeit wie ein Alleinsein beinhalten keinerlei Aspekte, sie sind im Ureigensten das, was sie sind.

    Es ist gänzlich irrelevant, wie man sie benennt, tituliert oder gedanklich färbt, sie werden nur zu all diesem, wenn man selber daran glaubt.

    Und der Glaube bei sich selbst daran zeigt nur den Grad auf, wie sehr fremdbestimmt man ist und damit, wie un (selbst) bewusst man ist.

    Unbewusstheit zeigt nichts anderes als die Schwäche, sich nicht selbst bewusst zu sein, sich nicht selbst zu verstehen (mangelndes Selbstverständnis), damit keine Selbsterkenntnis, was in diesem Tenor zu dem Resultat führen kann, das man, weil man sich nicht selbst genug ist, aus dieser Schwäche heraus zurückzieht und als Folge eines solchen Rückzuges einsam und alleingelassen wird.

    Es gilt somit, die Schwäche bei sich selbst in Stärke zu verwandeln, indem man aus der Unbewusstheit zur Selbstbewusstheit wächst, und nicht, sich die Verbalakrobatien der Gesellschaft oder sonst wem zu eigen zu machen.

    Zitat

    Wenn der Verlassene also, laut Deiner Aussage, aufgrund seiner eigenen Passivität quasi selbst das Verlassenwerden aktiv gefördert hat, dann dürfte der, der den anderen verlässt doch nicht als "schuldig" gebrandmarkt werden.

    Was ganz genau hat Verlassen an sich mit Schuld zu tun?

    Doch nur die "Schuld", das man sich schuldig fühlt, weil man den Schuldvorwürfen anderer glaubt und damit wieder nichts anderes als fremdbestimmt ist.

    Wer sich schuldig fühlen möchte, sollte sich dann schon eingedenken, das man nur sich selbst und damit seinem Selbst was schuldet, und das ist, das man dieses bewusst wahrnimmt und lebt.

    Zitat

    Nur, wer sagt das der "Blöd"-Zeitung, damit die der Gesellschaft das klar macht?

    Was ist wohl wichtiger: Selbstbestimmung oder Fremdbestimmung?