• Das Märchen vom Zauberstein

    Ach, ich freue mich, daß Du in meinen Besitz gelangt bist, Zauberstein.
    Auf Umwegen, die eigentlich gar keine sind,hab ich Dich gefunden oder Du mich?
    Seitdem es Dich gibt, ist Frieden eingekehrt in mein ganzes Leben, in meine Seele, in mein Herz. Tiefer innerer Friede und blindes Vertrauen in die Zukunft, daß tatsächlich alles gut wird. Auch wenn ich manchmal in meiner Ungeduld nicht sofort nachvollziehen kann, warum Dinge nicht auf Anhieb so funktionieren, wie ich es gern hätte.Erst später sehe ich dann oft ein, warum es sich so und nicht anders entwickelt hat.
    Viele Dinge brauchen einfach Zeit. Inneren Frieden,wie lange hab ich den nicht mehr gespürt. Wie wertvoll gerade heute in unserer schnelllebigen Zeit, wo nur noch Streß und Hektik unser Leben zu beherrschen scheinen. Keine Zeit für Ruhe, für Besinnlichkeit, für Entspannung. Dankbarkeit durchströmt meinen Körper, endlich den Zauberstein gefunden zu haben, der mir soviel Gutes schenkt.Ich fasse in meine Hosentasche, um das Gefühl der glatten Oberfläche zu genießen, das Kleinod mit zärtlichen Fingerspitzen zu streicheln, den Stein zu fühlen. Den Stein? Du wirst staunen, der Zauberstein besteht nämlich aus zwei Steinen. Komisch, was? Aber so ist es nun mal.Zwei unterschiedliche Steine in Farbe, Form und Oberfläche bilden den Zauberstein. Ich wollte es anfangs auch nicht glauben, aber der Stein hat mit mir gesprochen. Er hat mir erzählt, daß er zwar aus zwei Steinkörpern besteht, aber nur ein einziger Zauberstein ist. Nur beide Hälften ergeben ein Ganzes.Gleich, als der Stein auf dem Küchentisch lag, fing er an mich zu faszinieren. Er übte eine magische Wirkung aus, ich streckte meine Hand automatisch nach ihm aus. Ein wenig mußte ich ihn mir erkämpfen, weil auch andere Hände danach griffen. Für die anderen waren es neben Muscheln nur einfache Strandmitbringsel, Steine eben. Ich wußte auf Anhieb, in meinem Leben würde er ab sofort eine besondere Rolle spielen, ein Zauberstein, der sogleich begann, mit mir zu sprechen. Er erzählte, daß er meine Körperwärme und meine Streicheleinheiten braucht, um alle Kraft, die in ihm steckt, auf mich übertragen zu können. Wunderbar, neue Kraft für Körper und Geist. Genau das, was ich so dringend brauche, um den ganz normalen Alltag zu bewältigen. Wie oft habe ich mich in letzter Zeit gefragt, wo ich neue Kraft tanken kann. Ich fühlte mich so leer und ausgebrannt. Schließlich bin ich ja ein Mensch und kein Auto, das nur an der Tankstelle wieder mit Benzin nachgefüllt wird. Immerhin hat für Menschen noch niemand eine solche Krafttankstelle erfunden. Und jetzt das! Ein Kraftakku, in meiner Tasche. Ein Wunderstein, für andere etwas ganz normales, aber für mich das Wunder überhaupt. Aber ich hatte schon immer eine gute Beziehung zu Steinen, selbst als Kind übten sie diese einzigartige Faszination auf mich aus. Ich erfreute mich an ihnen, nahm sie liebevoll in die Hand, bewunderte ihre Formen, Flächen, ihre Farbschattierungen. Und jetzt besitze ich den König der Steine, den es unter seinesgleichen nur ein einziges Mal gibt. Er hat mich ausgesucht, solch ein kleines Würstchen, dem es so einigermaßen gut ging im Leben, mit Abstrichen, dem es über lange Jahre nicht an materiellen, sondern an emotionalen Dingen gefehlt hat. Wie ein Waisenkind, das versorgt wird, aber keine Liebe bekommt, wenig Wärme, wenig Zärtlichkeit, wenig Streicheleinheiten. Ich kann es immer noch nicht fassen, ich, wirklich ich, der Besitzer vom Zauberstein! Kann ich jetzt alle Menschen, die ich gerne mag, die ich liebe, mit der Kraft des Steins glücklich machen? Funktioniert es wohl, daß ich Kraft und Frieden, die der Stein ausströmt, weitergebe an die Menschen, die es brauchen? Kann ich das Medium sein, das diese wundersamen Dinge weiterleitet, damit diese anderen ihre Kraftreservekanister durch mich wieder auffüllen könne? Ich glaube noch an Wunder und an die Zauberkraft des Steins. Könnte ich jetzt in die Zukunft schaun, dann könnte ich seine Kraftstromwege verfolgen. Eins weiß ich ganz sicher, niemand darf etwas von ihm erfahren. Er und ich bilden diese einmalige Einheit, wie auch die beiden Steine diese einzigartige Einheit bilden, die niemand anders teilen und erfahren kann. Wir beide besitzen das größte Geheimnis der Welt. Und Geheimnisse behält man für sich, nicht wahr, Zauberstein? Und wenn er nicht gestorben ist, dann lebt er auch noch heute, denn Steine sind unsterblich.


    Copyright by
    Birgit Mertens

    Eine Blume die ihren Kopf h�ngen l�sst,
    hat die Kraft verloren noch dran zu glauben,
    dass sie wasser bekommt zum Leben.

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  • Smile zu Lama hatte mir auch gut gefalln ...Hallo schön Dich wieder hier zu lesen :]

    Eine Blume die ihren Kopf h�ngen l�sst,
    hat die Kraft verloren noch dran zu glauben,
    dass sie wasser bekommt zum Leben.

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  • Aschenputtel
    Einem reichen Manne, dem wurde seine Frau krank, und als sie fühlte, daß ihr Ende herankam, rief sie ihr einziges Töchterlein zu sich ans Bett und sprach "liebes Kind, bleibe fromm und gut, so wird dir der liebe Gott immer beistehen, und ich will vom Himmel auf dich herabblicken, und will um dich sein."

    Darauf tat sie die Augen zu und verschied. Das Mädchen ging jeden Tag hinaus zu dem Grabe der Mutter und weinte, und blieb fromm und gut. Als der Winter kam, deckte der Schnee ein weißes Tüchlein auf das Grab, und als die Sonne im Frühjahr es wieder herabgezogen hatte, nahm sich der Mann eine andere Frau.

    Die Frau hatte zwei Töchter mit ins Haus gebracht, die schön und weiß von Angesicht waren, aber garstig und schwarz von Herzen. Da ging eine schlimme Zeit für das arme Stiefkind an. "Soll die dumme Gans bei uns in der Stube sitzen", sprachen sie, "wer Brot essen will, muß es verdienen: hinaus mit der Küchenmagd." Sie nahmen ihm seine schönen Kleider weg, zogen ihm einen grauen alten Kittel an, und gaben ihm hölzerne Schuhe.

    "Seht einmal die stolze Prinzessin, wie sie geputzt ist", riefen sie, lachten und führten es in die Küche. Da mußte es von Morgen bis Abend schwere Arbeit tun, früh vor Tag aufstehn, Wasser tragen, Feuer anmachen, kochen und waschen. Obendrein taten ihm die Schwestern alles ersinnliche Herzeleid an, verspotteten es und schütteten ihm die Erbsen und Linsen in die Asche, so daß es sitzen und sie wieder auslesen mußte. Abends, wenn es sich müde gearbeitet hatte, kam es in kein Bett, sondern mußte sich neben den Herd in die Asche legen. Und weil es darum immer staubig und schmutzig aussah, nannten sie es Aschenputtel.

    Es trug sich zu, daß der Vater einmal in die Messe ziehen wollte, da fragte er die beiden Stieftöchter, was er ihnen mitbringen sollte.

    "Schöne Kleider" sagte die eine, "Perlen und Edelsteine" die zweite.

    "Aber du, Aschenputtel" sprach er, "was willst du haben?"

    "Vater, das erste Reis, das Euch auf Eurem Heimweg an den Hut stößt, das brecht für mich ab."

    Er kaufte nun für die beiden Stiefschwestern schöne Kleider, Perlen und Edelsteine, und auf dem Rückweg, als er durch einen grünen Busch ritt, streifte ihn ein Haselreis und stieß ihm den Hut ab. Da brach er das Reis ab und nahm es mit. Als er nach Haus kam, gab er den Stieftöchtern, was sie sich gewünscht hatten, und dem Aschenputtel gab er das Reis von dem Haselbusch. Aschenputtel dankte ihm, ging zu seiner Mutter Grab und pflanzte das Reis darauf, und weinte so sehr, daß die Tränen darauf niederfielen und es begossen. Es wuchs aber, und ward ein schöner Baum. Aschenputtel ging alle Tage dreimal darunter, weinte und betete, und allemal kam ein weißes Vöglein auf den Baum, und wenn es einen Wunsch aussprach, so warf ihm das Vöglein herab, was es sich gewünscht hatte.

    Es begab sich aber, daß der König ein Fest anstellte, das drei Tage dauern sollte, und wozu alle schönen Jungfrauen im Lande eingeladen wurden, damit sich sein Sohn eine Braut aussuchen möchte. Die zwei Stiefschwestern, als sie hörten, daß sie auch dabei erscheinen sollten, waren guter Dinge, riefen Aschenputtel und sprachen "Kämm uns die Haare, bürste uns die Schuhe und mache uns die Schnallen fest, wir gehen zur Hochzeit auf des Königs Schloß."

    Aschenputtel gehorchte, weinte aber, weil es auch gern zum Tanz mitgegangen wäre, und bat die Stiefmutter, sie möchte es ihm erlauben.

    "Du Aschenputtel" sprach sie, "bist voll Staub und Schmutz, und willst zur Hochzeit? du hast keine Kleider und Schuhe, und willst tanzen". Als es aber mit Bitten anhielt, sprach sie endlich "da habe ich dir eine Schüssel Linsen in die Asche geschüttet, wenn du die Linsen in zwei Stunden wieder ausgelesen hast, so sollst du mitgehen."

    Das Mädchen ging durch die Hintertür nach dem Garten und rief "ihr zahmen Täubchen, ihr Turteltäubchen, all ihr Vöglein unter dem Himmel, kommt und helft mir lesen,

    die guten ins Töpfchen,
    die schlechten ins Kröpfchen."

    Da kamen zum Küchenfenster zwei weiße Täubchen herein, und danach die Turteltäubchen, und endlich schwirrten und schwärmten alle Vöglein unter dem Himmel herein und ließen sich um die Asche nieder. Und die Täubchen nickten mit den Köpfchen und fingen an pick, pick, pick, pick, und da fingen die übrigen auch an pick, pick, pick, pick, und lasen alle guten Körnlein in die Schüssel. Kaum war eine Stunde herum, so waren sie schon fertig und flogen alle wieder hinaus.

    Da brachte das Mädchen die Schüssel der Stiefmutter, freute sich und glaubte, es dürfte nun mit auf die Hochzeit gehen.

    Aber sie sprach "nein, Aschenputtel, du hast keine Kleider, und kannst nicht tanzen, du wirst nur ausgelacht." Als es nun weinte, sprach sie "wenn du mir zwei Schüsseln voll Linsen in einer Stunde aus der Asche rein lesen kannst, so sollst du mitgehen" und dachte "das kann es ja nimmermehr."

    Als sie die zwei Schüsseln Linsen in die Asche geschüttet hatte, ging das Mädchen durch die Hintertür nach dem Garten und rief "ihr zahmen Täubchen, ihr Turteltäubchen, all ihr Vöglein unter dem Himmel, kommt und helft mit lesen,

    die guten ins Töpfchen,
    die schlechten ins Kröpfchen."

    Da kamen zum Küchenfenster zwei weiße Täubchen herein und danach die Turteltäubchen, und endlich schwirrten und schwärmten alle Vögel unter dem Himmel herein und ließen sich um die Asche nieder. Und die Täubchen nickten mit ihren Köpfchen und fingen an pick, pick, pick, pick, und da fingen die übrigen auch an pick, pick, pick, pick, und lasen alle guten Körner in die Schüsseln. Und ehe eine halbe Stunde herum war, waren sie schon fertig, und flogen alle wieder hinaus.

    Da trug das Mädchen die Schüsseln zu der Stiefmutter, freute sich und glaubte, nun dürfte es mit auf die Hochzeit gehen. Aber sie sprach "es hilft dir alles nichts, du kommst nicht mit, denn du hast keine Kleider und kannst nicht tanzen; wir müßten uns deiner schämen." Darauf kehrte sie ihm den Rücken zu und eilte mit ihren zwei stolzen Töchtern fort.

    Als nun niemand mehr daheim war, ging Aschenputtel zu seiner Mutter Grab unter den Haselbaum und rief

    "Bäumchen, rüttel dich und schüttel dich,
    wirf Gold und Silber über mich."

    Eine Blume die ihren Kopf h�ngen l�sst,
    hat die Kraft verloren noch dran zu glauben,
    dass sie wasser bekommt zum Leben.

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  • Da warf ihm der Vogel ein golden und silbern Kleid herunter und mit Seide und Silber ausgestickte Pantoffeln. In aller Eile zog es das Kleid an und ging zur Hochzeit. Seine Schwestern aber und die Stiefmutter kannten es nicht und meinten, es müsse eine fremde Königstochter sein, so schön sah es in dem goldenen Kleide aus. An Aschenputtel dachten sie gar nicht und dachten, es säße daheim im Schmutz und suchte die Linsen aus der Asche. Der Königssohn kam ihm entgegen, nahm es bei der Hand und tanzte mit ihm. Er wollte auch sonst mit niemand tanzen, also daß er ihm die Hand nicht losließ, und wenn ein anderer kam, es aufzufordern, sprach er "das ist meine Tänzerin."

    Es tanzte, bis es Abend war, da wollte es nach Haus gehen. Der Königssohn aber sprach "ich gehe mit und begleite dich" denn er wollte sehen, wem das schöne Mädchen angehörte. Sie entwischte ihm aber und sprang in das Taubenhaus. Nun wartete der Königssohn, bis der Vater kam, und sagte ihm, das fremde Mädchen wär in das Taubenhaus gesprungen. Der Alte dachte "sollte es Aschenputtel sein?" und sie mußten ihm Axt und Hacken bringen, damit er das Taubenhaus entzweischlagen konnte, aber es war niemand darin. Und als sie ins Haus kamen, lag Aschenputtel in seinen schmutzigen Kleidern in der Asche, und ein trübes Öllämpchen brannte im Schornstein; denn Aschenputtel war geschwind aus dem Taubenhaus hinten herabgesprungen, und war zu dem Haselbäumchen gelaufen: da hatte es die schönen Kleider abgezogen und aufs Grab gelegt und der Vogel hatte sie wieder weggenommen, und dann hatte es sich in seinem grauen Kittelchen in die Küche zur Asche gesetzt.

    Am andern Tag, als das Fest von neuem anhub, und die Eltern und Stiefschwestern wieder fort waren, ging Aschenputtel zu dem Haselbaum und sprach

    "Bäumchen, rüttel dich und schüttel dich,
    wirf Gold und Silber über mich."

    Da warf der Vogel ein noch viel stolzeres Kleid herab als am vorigen Tag. Und als es mit diesem Kleide auf der Hochzeit erschien, erstaunte jedermann über seine Schönheit. Der Königssohn aber hatte gewartet, bis es kam, nahm es gleich bei der Hand und tanzte nur allein mit ihm. Wenn die andern kamen und es aufforderten, sprach er "das ist meine Tänzerin." Als es nun Abend war, wollte es fort und der Königssohn ging ihm nach und wollte sehen, in welches Haus es ging: aber es sprang ihm fort und in den Garten hinter dem Haus. Darin stand ein schöner großer Baum, an dem die herrlichsten Birnen hingen, es kletterte so behend wie ein Eichhörnchen zwischen die Äste, und der Königssohn wußte nicht, wo es hingekommen war. Er wartete aber, bis der Vater kam, und sprach zu ihm "das fremde Mädchen ist mir entwischt, und ich glaube, es ist auf den Birnbaum gesprungen." Der Vater dachte "sollte es Aschenputtel sein?" ließ sich die Axt holen und hieb den Baum um, aber es war niemand darauf. Und als sie in die Küche kamen, lag Aschenputtel da in der Asche, wie sonst auch, denn es war auf der andern Seite vom Baum herabgesprungen, hatte dem Vogel auf dem Haselbäumchen die schönen Kleider wiedergebracht und sein graues Kittelchen angezogen.

    Am dritten Tag, als die Eltern und Schwestern fort waren, ging Aschenputtel wieder zu seiner Mutter Grab und sprach zu dem Bäumchen

    "Bäumchen, rüttel dich und schüttel dich,
    wirf Gold und Silber über mich."

    Nun warf ihm der Vogel ein Kleid herab, das war so prächtig und glänzend, wie es noch keins gehabt hatte, und die Pantoffeln waren ganz golden. Als es in dem Kleid zu der Hochzeit kam, wußten sie alle nicht, was sie vor Verwunderung sagen sollten. Der Königssohn tanzte ganz allein mit ihm, und wenn es einer aufforderte, sprach er "das ist meine Tänzerin."

    Als es nun Abend war, wollte Aschenputtel fort, und der Königssohn wollte es begleiten, aber es entsprang ihm so geschwind, daß er nicht folgen konnte. Der Königssohn hatte aber eine List gebraucht, und hatte die ganze Treppe mit Pech bestreichen lassen: da war, als es hinabsprang, der linke Pantoffel des Mädchens hängen geblieben. Der Königssohn hob ihn auf, und er war klein und zierlich und ganz golden.

    Am nächsten Morgen ging er damit zu dem Mann und sagte zu ihm "keine andere soll meine Gemahlin werden als die, an deren Fuß dieser goldene Schuh paßt." Da freuten sich die beiden Schwestern, denn sie hatten schöne Füße. Die älteste ging mit dem Schuh in die Kammer und wollte ihn anprobieren, und die Mutter stand dabei. Aber sie konnte mit der großen Zehe nicht hineinkommen, und der Schuh war ihr zu klein, da reichte ihr die Mutter ein Messer und sprach "hau die Zehe ab: wann du Königin bist, so brauchst du nicht mehr zu Fuß zu gehen." Das Mädchen hieb die Zehe ab, zwängte den Fuß in den Schuh, verbiß den Schmerz und ging heraus zum Königssohn. Da nahm er sie als seine Braut aufs Pferd und ritt mit ihr fort. Sie mußten aber an dem Grabe vorbei, da saßen die zwei Täubchen auf dem Haselbäumchen und riefen

    "rucke di guck, rucke di guck,
    Blut ist im Schuck (Schuh):
    Der Schuck ist zu klein,
    die rechte Braut sitzt noch daheim."

    Da blickte er auf ihren Fuß und sah, wie das Blut herausquoll. Er wendete sein Pferd um, brachte die falsche Braut wieder nach Hause und sagte, das wäre nicht die rechte, die andere Schwester solle den Schuh anziehen. Da ging diese in die Kammer und kam mit den Zehen glücklich in den Schuh, aber die Ferse war zu groß. Da reichte ihr die Mutter ein Messer und sprach "hau ein Stück von der Ferse ab: wann du Königin bist, brauchst du nicht mehr zu Fuß zu gehen." Das Mädchen hieb ein Stück von der Ferse ab, zwängte den Fuß in den Schuh, verbiß den Schmerz und ging heraus zum Königssohn. Da nahm er sie als seine Braut aufs Pferd und ritt mit ihr fort. Als sie an dem Haselbäumchen vorbeikamen, saßen die zwei Täubchen darauf und riefen

    "rucke di guck, rucke di guck,
    Blut ist im Schuck (Schuh):
    Der Schuck ist zu klein,
    die rechte Braut sitzt noch daheim."

    Er blickte nieder auf ihren Fuß und sah, wie das Blut aus dem Schuh quoll und an den weißen Strümpfen ganz rot heraufgestiegen war. Da wendete er sein Pferd und brachte die falsche Braut wieder nach Haus. "Das ist auch nicht die rechte," sprach er, "habt ihr keine andere Tochter?" "Nein" sagte der Mann, "nur von meiner verstorbenen Frau ist noch ein kleines verbuttetes Aschenputtel da: das kann unmöglich die Braut sein." Der Königssohn sprach, er sollte es heraufschicken, die Mutter aber antwortete "ach nein, das ist viel zu schmutzig, das darf sich nicht sehen lassen." Er wollte es aber durchaus haben, und Aschenputtel mußte gerufen werden.

    Da wusch es sich erst Hände und Angesicht rein, ging dann hin und neigte sich vor dem Königssohn, der ihm den goldenen Schuh reichte. Dann setzte es sich auf einen Schemel, zog den Fuß aus dem schweren Holzschuh und steckte ihn in den Pantoffel, der war wie angegossen. Und als es sich in die Höhe richtete und der König ihm ins Gesicht sah, so erkannte er das schöne Mädchen, das mit ihm getanzt hatte, und rief "das ist die rechte Braut." Die Stiefmutter und die beiden Schwestern erschraken und wurden bleich vor Arger: er aber nahm Aschenputtel aufs Pferd und ritt mit ihm fort. Als sie an dem Haselbäumchen vorbeikamen, riefen die zwei weißen Täubchen

    "rucke di guck, rucke di guck
    kein Blut im Schuck
    Der Schuck ist nicht zu klein,
    die rechte Braut, die führt er heim."

    Und als sie das gerufen hatten, kamen sie beide herabgeflogen und setzten sich dem Aschenputtel auf die Schultern, eine rechts, die andere links, und blieben da sitzen.

    Als die Hochzeit mit dem Königssohn sollte gehalten werden, kamen die falschen Schwestern, wollten sich einschmeicheln und teil an seinem Glück nehmen. Als die Brautleute nun zur Kirche gingen, war die älteste zur rechten, die jüngste zur linken Seite: da pickten die Tauben einer jeden das eine Auge aus. Hernach, als sie herausgingen, war die älteste zur linken und die jüngste zur rechten: da pickten die Tauben einer jeden das andere Auge aus. Und waren sie also für ihre Bosheit und Falschheit mit Blindheit auf ihr Lebtag bestraft.


    Geb.Grimm

    Eine Blume die ihren Kopf h�ngen l�sst,
    hat die Kraft verloren noch dran zu glauben,
    dass sie wasser bekommt zum Leben.

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  • Brüderchen und Schwesterchen...

    Brüderchen nahm sein Schwesterchen an der Hand und sprach: "Seit die Mutter tot ist, haben wir keine gute Stunde mehr; die Stiefmutter schlägt uns alle Tage und stößt uns mit den Füßen fort. Die harten Brotkrusten, die übrigbleiben, sind unsere Speise, und dem Hündchen unter dem Tisch geht's besser, dem wirft sie doch manchmal einen guten Bissen zu. Daß Gott erbarm, wenn das unsere Mutter wüßte! Komm, wir wollen miteinander in die weite Welt gehen."

    Sie gingen den ganzen Tag, und wenn es regnete, sprach das Schwesterlein: "Gott und unsere Herzen, die weinen zusammen!" Abends kamen sie in einen großen Wald und waren so müde von Jammer, vom Hunger und von dem langen Weg, daß sie sich in einen hohlen Baum setzten und einschliefen.

    Am andern Morgen, als sie aufwachten, stand die Sonne schon hoch am Himmel und schien heiß in den Baum hinein. Da sprach das Brüderchen: "Schwesterchen, mich dürstet, wenn ich ein Brünnlein wüßte, ich ging' und tränk' einmal; ich mein', ich hört' eins rauschen."

    Brüderchen stand auf, nahm Schwesterchen an der Hand, und sie wollten das Brünnlein suchen. Die böse Stiefmutter aber war eine Hexe und hatte wohl gesehen, wie die beiden Kinder fortgegangen waren, war ihnen nachgeschlichen, heimlich, wie die Hexen schleichen, und hatte alle Brunnen im Walde verwünscht.

    Als sie nun ein Brünnlein fanden, das so glitzerig über die Steine sprang, wollte das Brüderchen daraus trinken; aber das Schwesterchen hörte, wie es im Rauschen sprach:

    "Wer aus mir trinkt, wird ein Tiger,
    wer aus mir trinkt, wird ein Tiger."

    Da rief das Schwesterchen: "Ich bitte dich, Brüderchen, trink nicht, sonst wirst du ein wildes Tier und zerreißt mich." Das Brüderchen trank nicht, obgleich es so großen Durst hatte, und sprach: "Ich will warten bis zur nächsten Quelle."

    Als sie zum zweiten Brünnlein kamen, hörte das Schwesterchen, wie auch dieses sprach:

    "Wer aus mir trinkt, wird ein Wolf,
    wer aus mir trinkt, wird ein Wolf."

    Da rief das Schwesterchen: "Brüderchen, ich bitte dich, trink nicht, sonst wirst du ein Wolf und frissest mich." Das Brüderchen trank nicht und sprach: "Ich will warten, bis wir zur nächsten Quelle kommen, aber dann muß ich trinken, du magst sagen, was du willst; mein Durst ist gar zu groß."

    Und als sie zum dritten Brünnlein kamen, hörte das Schwesterlein, wie es im Rauschen sprach:

    "Wer aus mir trinkt, wird ein Reh,
    wer aus mir trinkt, wird ein Reh."

    Das Schwesterchen sprach: "Ach, Brüderchen, trink nicht, sonst wirst du ein Reh und läufst mir fort." Aber das Brüderchen hatte sich gleich beim Brünnlein niedergekniet, und von dem Wasser getrunken, und wie die ersten Tropfen auf seine Lippen gekommen waren, lag es da als ein Rehkälbchen.

    Nun weinte das Schwesterchen über das arme verwünschte Brüderchen, und das Rehchen weinte auch und Saß so traurig neben ihm. Da sprach das Mädchen endlich: "Sei still, liebes Rehchen, ich will dich ja nimmermehr verlassen." Dann band es sein goldenes Strumpfband ab und tat es dem Rehchen um den Hals und rupfte Binsen und flocht ein weiches Seil daraus. Daran band es das Tierchen und führte es weiter und ging immer tiefer in den Wald hinein.

    Und als sie lange, lange gegangen waren, kamen sie endlich an ein kleines Haus, und das Mädchen schaute hinein, und weil es leer war, dachte es: "Hier können wir bleiben und wohnen." Da suchte es dem Rehchen Laub und Moos zu einem weichen Lager, und jeden Morgen ging es aus und sammelte Wurzeln, Beeren und Nüsse, und für das Rehchen brachte es zartes Gras mit, war vergnügt und spielte vor ihm herum. Abends, wenn Schwesterchen müde war und sein Gebet gesagt hatte, legte es seinen Kopf auf den Rücken des Rehkälbchens, das war sein Kissen, darauf es sanft einschlief. Und hätte das Brüderchen nur seine menschliche Gestalt gehabt, es wäre ein herrliches Leben gewesen.

    Das dauerte eine Zeitlang, daß sie so allein in der Wildnis waren. Es trug sich aber zu, daß der König des Landes eine große Jagd in dem Wald hielt. Da schallte das Hörnerblasen, Hundegebell und das lustige Geschrei der Jäger durch die Bäume, und das Rehlein hörte es und wäre gar zu gerne dabeigewesen.

    "Ach", sprach es zum Schwesterlein, "laß mich hinaus in die Jagd, ich kann's nicht länger mehr aushalten", und bat so lange, bis es einwilligte. "Aber", sprach es zu ihm, "komm mir ja abends wieder, vor den wilden Jägern schließ' ich mein Türlein; und damit ich dich kenne, so klopf und sprich: 'Mein Schwesterlein, laß mich herein!' Und wenn du nicht so sprichst, so schließ ich mein Türlein nicht auf."

    Nun sprang das Rehchen hinaus und es war ihm so wohl und es war so lustig in freier Luft. Der König und seine Jäger sahen das schöne Tier und setzten ihm nach, aber sie konnten es nicht einholen, und wenn sie meinten, sie hätten es gewiß, da sprang es über das Gebüsch weg und war verschwunden. Als es dunkel ward, lief es zu dem Häuschen, klopfte und sprach: "Mein Schwesterlein, laß mich herein." Da ward ihm die kleine Tür aufgetan, es sprang hinein und ruhete sich die ganze Nacht auf seinem weichen Lager aus.


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    hat die Kraft verloren noch dran zu glauben,
    dass sie wasser bekommt zum Leben.

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  • Am andern Morgen ging die Jagd von neuem an, und als das Rehlein wieder das Hifthorn hörte und das "Ho ho!" der Jäger, da hatte es keine Ruhe und sprach: "Schwesterchen, mach mir auf, ich muß hinaus." Das Schwesterchen öffnete ihm die Tür und sprach: "Aber zu Abend mußt du wieder da sein und dein Sprüchlein sagen." Als der König und seine Jäger das Rehlein mit dem goldenen Halsband wiedersahen, jagten sie ihm alle nach, aber es war ihnen zu schnell und behend. Das währte den ganzen Tag, endlich aber hatten es die Jäger abends umzingelt, und einer verwundete es ein wenig am Fuß, so daß es hinken mußte und langsam fortlief.

    Da schlich ihm ein Jäger nach bis zu dem Häuschen und hörte, wie es rief: "Mein Schwesterlein, laß mich herein", und sah, daß die Tür ihm aufgetan und alsbald wieder zugeschlossen ward. Der Jäger ging zum König und erzählte ihm, was er gesehen und gehört hatte. Da sprach der König: "Morgen soll noch einmal gejagt werden."

    Das Schwesterchen aber erschrak gewaltig, als es sah, daß sein Rehkälbchen verwundet war. Es wusch ihm das Blut ab, legte Kräuter auf und sprach: "Geh auf dein Lager, lieb Rehchen, daß du wieder heil wirst." Die Wunde aber war so gering, daß das Rehchen am Morgen nichts mehr davon spürte. Und als es die Jagdlust wieder draußen hörte, sprach es: "Ich kann's nicht aushalten, ich muß dabeisein!"

    Das Schwesterchen weinte und sprach: "Nun werden sie dich töten, und ich bin hier allein im Wald und bin verlassen von aller Welt, ich lass' dich nicht hinaus."

    "So sterb' ich dir hier vor Betrübnis", antwortete das Rehchen, "wenn ich das Hifthorn höre, so mein' ich, ich müßt' aus den Schuhen springen!"

    Da konnte das Schwesterchen nicht anders und schloß ihm mit schwerem Herzen die Tür auf, und das Rehchen sprang gesund und fröhlich in den Wald. Als es der König erblickte, sprach er zu seinen Jägern: "Nun jagt ihm nach den ganzen Tag bis in die Nacht, aber daß ihm keiner etwas zuleide tut." Sobald die Sonne untergegangen war, sprach der König zum Jäger: "Nun komm und zeige mir das Waldhäuschen." Und als er vor dem Türlein war, klopfte er an und rief: "Lieb Schwesterlein, laß mich herein."

    Da ging die Tür auf, und der König trat herein, und da stand ein Mädchen, das war so schön, wie er noch keines gesehen hatte. Das Mädchen erschrak, als es sah, daß ein Mann hereinkam, der eine goldene Krone auf dem Haupt hatte. Aber der König sah es freundlich an, reichte ihm die Hand und sprach: "Willst du mit mir gehen auf mein Schloß und meine liebe Frau sein?"

    "Ach ja", antwortete das Mädchen, "aber das Rehchen muß auch mit, das verlass' ich nicht."

    Sprach der König: "Es soll bei dir bleiben, solange du lebst, und es soll ihm an nichts fehlen." Indem kam es hereingesprungen; da band es das Schwesterchen wieder an das Binsenseil, nahm es selbst in die Hand und ging mit ihm aus dem Waldhäuschen fort. Der König nahm das schöne Mädchen auf sein Pferd und führte es in sein Schloß, wo die Hochzeit mit großer Pracht gefeiert wurde, und es war nun die Frau Königin, und sie lebten lange Zeit vergnügt zusammen; das Rehlein ward gehegt und gepflegt und sprang in dem Schloßgarten herum.

    Die böse Stiefmutter aber, um derentwillen die Kinder in die Welt hineingegangen waren, die meinte nicht anders als, Schwesterchen wäre von den wilden Tieren im Walde zerrissen worden und Brüderchen als ein Rehkalb von den Jägern totgeschossen. Als sie nun hörte, daß sie so glücklich waren und es ihnen so wohlging, da wurden Neid und Mißgunst in ihrem Herzen rege und ließen ihr keine Ruhe, wie sie die beiden doch noch ins Unglück bringen könnte.

    Ihre rechte Tochter, die häßlich war wie die Nacht und nur ein Auge hatte, die machte ihr Vorwürfe und sprach: Eine Königin zu werden, das Glück hätte mir gebührt."

    "Sei nur still", sagte die Alte und sprach sie zufrieden, wenn's Zeit ist, will ich schon bei der Hand sein."

    Als nun die Zeit herangerückt war und die Königin ein schönes Knäblein zur Welt gebracht hatte und der König gerade auf der Jagd war, nahm die alte Hexe die Gestalt der Kammerfrau an, trat in die Stube, wo die Königin lag, und sprach zu der Kranken: "Kommt, das Bad ist fertig, das wird Euch wohltun und frische Kräfte geben; geschwind, eh' es kalt wird." Ihre Tochter war auch bei der Hand, sie trugen die schwache Königin in die Badstube und legten sie in die Wanne. Dann schlossen sie die Türe ab und liefen davon. In der Badstube aber hatten sie ein rechtes Höllenfeuer angemacht, daß die schöne junge Königin bald ersticken mußte.

    Als das vollbracht war, nahm die Alte ihre Tochter, setzte ihr eine Haube auf und legte sie ins Bett an der Königin Stelle. Sie gab ihr auch die Gestalt und das Ansehen der Königin; nur das verlorene Auge konnte sie ihr nicht wiedergeben. Damit es aber der König nicht merkte, mußte sie sich auf die Seite legen, wo sie kein Auge hatte. Am Abend, als er heimkam und hörte, daß ihm ein Söhnlein geboren war, freute er sich herzlich und wollte ans Bett seiner lieben Frau gehen und sehen, was sie machte. Da rief die Alte geschwind: "Beileibe, laßt die Vorhänge zu, die Königin darf noch nicht ins Licht sehen und muß Ruhe haben." Der König ging zurück und wußte nicht, daß eine falsche Königin im Bette lag.

    Als es aber Mitternacht war und alles schlief, da sah die Kinderfrau, die in der Kinderstube neben der Wiege saß und allein noch wachte, wie die Tür aufging und die rechte Königin hereintrat. Sie nahm das Kind aus der Wiege, legte es in ihren Arm und gab ihm zu trinken. Dann schüttelte sie ihm sein Kißchen, legte es wieder hinein. Sie vergaß aber auch das Rehchen nicht, ging in die Ecke, wo es lag, und streichelte ihm über den Rücken. Darauf ging sie wieder zur Tür hinaus, und die Kinderfrau fragte am andern Morgen die Wächter, ob jemand während der Nacht ins Schloß gegangen wäre, aber sie antworteten: "Nein, wir haben niemand gesehen." So kam sie viele Nächte und sprach niemals ein Wort dabei; die Kinderfrau sah sie immer, aber sie getraute sich nicht, jemand etwas davon zu sagen.

    Als nun so eine Zeit verflossen war, da hub die Königin in der Nacht an zu reden und sprach:

    "Was macht mein Kind?
    Was macht mein Reh?
    Nun komm' ich noch zweimal
    Und dann nimmermehr."

    Die Kinderfrau antwortete ihr nicht, aber als sie wieder verschwunden war, ging sie zum König und erzählte ihm alles. Sprach der König: "Ach Gott, was ist das? Ich will in der nächsten Nacht bei dem Kinde wachen." Abends ging er in die Kinderstube, aber um Mitternacht erschien die Königin und sprach:

    "Was macht mein Kind?
    Was macht mein Reh?
    Nun komm' ich noch einmal
    Und dann nimmermehr"

    und pflegte dann das Kind, wie sie gewöhnlich tat, ehe sie verschwand. Der König getraute sich nicht, sie anzureden, aber er wachte auch in der folgenden Nacht. Sie sprach abermals:

    "Was macht mein Kind?
    Was macht mein Reh?
    Nun komm' ich noch diesmal
    Und dann nimmermehr."

    Da konnte sich der König nicht zurückhalten, sprang zu ihr und sprach: "Du kannst niemand anders sein als meine liebe Frau." Da antwortete sie: "Ja, ich bin deine liebe Frau", und hatte in dem Augenblick durch Gottes Gnade das Leben wiedererhalten, war frisch, rot und gesund.

    Darauf erzählte sie dem König den Frevel, den die böse Hexe und ihre Tochter an ihr verübt hatten. Der König ließ beide vor Gericht führen, und es ward ihnen das Urteil gesprochen. Die Tochter ward in den Wald geführt, wo sie die wilden Tiere zerrissen, die Hexe aber ward ins Feuer gelegt und mußte jammervoll verbrennen. Und wie sie zu Asche verbrannt war, verwandelte sich das Rehkälbchen und erhielt seine menschliche Gestalt wieder; Schwesterchen und Brüderchen aber lebten glücklich zusammen bis an ihr Ende.

    Geb. Grimm

    Eine Blume die ihren Kopf h�ngen l�sst,
    hat die Kraft verloren noch dran zu glauben,
    dass sie wasser bekommt zum Leben.

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  • Die Sterntaler....

    Es war einmal ein kleines Mädchen, dem war Vater und Mutter gestorben, und es war so arm, daß es kein Kämmerchen mehr hatte, darin zu wohnen, und kein Bettchen mehr hatte, darin zu schlafen, und endlich gar nichts mehr als die Kleider auf dem Leib und ein Stückchen Brot in der Hand, das ihm ein mitleidiges Herz geschenkt hatte. Es war aber gut und fromm. Und weil es so von aller Welt verlassen war, ging es im Vertrauen auf den lieben Gott hinaus ins Feld.

    Da begegnete ihm ein armer Mann, der sprach: "Ach, gib mir etwas zu essen, ich bin so hungerig."

    Es reichte ihm das ganze Stückchen Brot und sagte: "Gott segne dir's", und ging weiter. Da kam ein Kind, das jammerte und sprach: "Es friert mich so an meinem Kopfe, schenk mir etwas, womit ich ihn bedecken kann."

    Da tat es seine Mütze ab und gab sie ihm. Und als es noch eine Weile gegangen war, kam wieder ein Kind und hatte kein Leibchen an und fror: da gab es ihm seins; und noch weiter, da bat eins um ein Röcklein, das gab es auch von sich hin.

    Endlich gelangte es in einen Wald, und es war schon dunkel geworden, da kam noch eins und bat um ein Hemdlein, und das fromme Mädchen dachte: "Es ist dunkle Nacht, da sieht dich niemand, du kannst wohl dein Hemd weggeben", und zog das Hemd ab und gab es auch noch hin.

    Und wie es so stand und gar nichts mehr hatte, fielen auf einmal die Sterne vom Himmel, und waren lauter blanke Taler; und ob es gleich sein Hemdlein weggegeben, so hatte es ein neues an, und das war vom allerfeinsten Linnen. Da sammelte es sich die Taler hinein und war reich für sein Lebtag.


    Geb. Grimm

    Eine Blume die ihren Kopf h�ngen l�sst,
    hat die Kraft verloren noch dran zu glauben,
    dass sie wasser bekommt zum Leben.

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  • Die Prinzessin auf der Erbse
    Es war einmal ein Prinz, der wollte eine Prinzessin heiraten. Aber das sollte eine wirkliche Prinzessin sein. Da reiste er in der ganzen Welt herum, um eine solche zu finden, aber überall fehlte etwas. Prinzessinnen gab es genug, aber ob es wirkliche Prinzessinnen waren, konnte er nie herausfinden. Immer war da etwas, was nicht ganz in Ordnung war. Da kam er wieder nach Hause und war ganz traurig, denn er wollte doch gern eine wirkliche Prinzessin haben.

    Eines Abends zog ein furchtbares Wetter auf; es blitzte und donnerte, der Regen stürzte herab, und es war ganz entsetzlich. Da klopfte es an das Stadttor, und der alte König ging hin, um aufzumachen.

    Es war eine Prinzessin, die draußen vor dem Tor stand. Aber wie sah sie vom Regen und dem bösen Wetter aus! Das Wasser lief ihr von den Haaren und Kleidern herab, lief in die Schnäbel der Schuhe hinein und zum Absatz wieder hinaus. Sie sagte, dass sie eine wirkliche Prinzessin wäre.

    ‘Ja, das werden wir schon erfahren!' dachte die alte Königin, aber sie sagte nichts, ging in die Schlafkammer hinein, nahm alles Bettzeug ab und legte eine Erbse auf den Boden der Bettstelle. Dann nahm sie zwanzig Matratzen, legte sie auf die Erbse und dann noch zwanzig Eiderdaunendecken oben auf die Matratzen.

    Hier sollte nun die Prinzessin die ganze Nacht über liegen. Am Morgen wurde sie gefragt, wie sie geschlafen hätte.

    »Oh, entsetzlich schlecht!« sagte die Prinzessin. »Ich habe fast die ganze Nacht kein Auge geschlossen! Gott weiß, was in meinem Bett gewesen ist. Ich habe auf etwas Hartem gelegen, so dass ich am ganzen Körper ganz braun und blau bin! Es ist ganz entsetzlich!«


    Daran konnte man sehen, dass sie eine wirkliche Prinzessin war, da sie durch die zwanzig Matratzen und die zwanzig Eiderdaunendecken die Erbse gespürt hatte. So feinfühlig konnte niemand sein außer einer echten Prinzessin.

    Da nahm sie der Prinz zur Frau, denn nun wusste er, dass er eine wirkliche Prinzessin gefunden hatte. Und die Erbse kam in die Kunstkammer, wo sie noch zu sehen ist, wenn sie niemand gestohlen hat.

    Seht, das war eine wirkliche Geschichte


    Eine Blume die ihren Kopf h�ngen l�sst,
    hat die Kraft verloren noch dran zu glauben,
    dass sie wasser bekommt zum Leben.

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    Einmal editiert, zuletzt von nightrose (29. August 2003 um 12:52)

  • Das Gänseblümchen
    Nun höre einmal-

    Draußen auf dem Lande, dicht am Wege, lag ein Landhaus; du hast es gewiss selbst schon einmal gesehen! Davor liegt ein kleines Gärtchen mit Blumen und einem Zaun, der gestrichen ist. Dicht dabei am Graben, mitten in dem herrlichen grünen Grase, wuchs ein kleines Gänseblümchen. Die Sonne schien ebenso warm und schön darauf herab, wie auf die großen, reichen Prachtblumen im Garten, und deshalb wuchs es von Stunde zu Stunde. Eines Morgens stand es entfaltet da mit seinen kleinen, weißen Blättern, die wie Strahlen rings um die kleine gelbe Sonne in der Mitte sitzen. Es dachte gar nicht daran, dass kein Mensch es dort im Grase sah und dass es nur ein armes, verachtetes Blümchen sei: nein, es war froh und wandte sich der warmen Sonne entgegen, sah zu ihr auf und horchte auf die Lerche, die in den Lüften sang.

    Das kleine Gänseblümchen war so glücklich, als ob ein großer Festtag sei, und doch war es nur ein Montag. Alle Kinder waren in der Schule; während sie auf ihren Bänken saßen und lernten, saß es auf seinen kleinen grünen Stiel und lernte auch von der warmen Sonne und allem ringsumher, wie gut Gott ist, und es erschien ihm recht, dass die kleine Lerche so deutlich und schön alles sang, was es selbst im Stillen fühlte. Und das Gänseblümchen sah mit einer Art Ehrfurcht zu dem glücklichen Vogel empor, der singen und fliegen konnte, aber es war gar nicht betrübt darüber, dass es selbst das nicht konnte. "Ich sehe und höre ja!" dachte es. "Die Sonne bescheint mich und der Wind küsst mich! Ach, wie reich bin ich doch beschenkt!"

    Innerhalb des Zaunes standen so viele steife, vornehme Blumen; je weniger Duft sie hatten, um so hochmütiger erhoben sie ihr Haupt. Die Bauernrosen bliesen sich auf, um größer als die Rosen zu sein, aber die Größe macht es nicht! Die Tulpen hatten die allerschönsten Farben; das wussten sie wohl und hielten sich kerzengerade, damit man sie noch besser sehen konnte. Sie beachteten das junge Gänseblümchen da draußen gar nicht, aber dies sah desto mehr nach ihnen und dachte: "Wie reich und schön sie sind! Ja, zu ihnen fliegt gewiss der prächtige Vogel herunter und besucht sie! Gott sei Dank!, dass ich so dicht dabei stehe, da kann ich doch den Staat mit ansehen!" Und gerade, wie es das dachte, "quirrevit!" da kam die Lerche herabgeflogen, aber nicht zu den Bauernrosen und Tulpen, nein, nieder ins Gras zu dem armen Gänseblümchen. Das erschrak so vor lauter Freude, dass es gar nicht wusste, was es denken sollte.

    Der kleine Vogel tanzte rings um das Gänseblümchen herum und sang: "Nein, wie ist doch das Gras so weich! Und sieh, welch eine süße kleine Blume mit Gold im Herzen und Silber im Kleid!" Der gelbe Punkt in dem Gänseblümchen sah ja auch aus wie Gold, und die kleinen Blätter ringsherum glänzten silberweiß.

    Wie glücklich das kleine Gänseblümchen war, nein, das kann niemand begreifen! Der Vogel küsste es mit seinem Schnabel, sang ihm etwas vor und flog dann wieder in die blaue Luft empor. Es dauerte bestimmt eine ganze halbe Stunde, bevor das Blümchen wieder zu sich kam. Halb verschämt und doch innerlich beglückt sah es zu den anderen Blumen im Garten hinüber. Sie hatten gesehen, welche Ehre und Glückseligkeit ihm widerfahren war, sie mussten ja begreifen, welche Freude das war. Aber die Tulpen standen noch einmal so steif wie vorher und waren ganz spitz im Gesicht und sehr rot, denn sie hatten sich geärgert. Die Bauernrosen waren ganz dickköpfig, buh, es war doch gut, dass sie nicht sprechen konnten, sonst hätte das Gänseblümchen eine ordentliche Predigt bekommen. Die arme, kleine Blume konnte wohl sehen, dass sie nicht guter Laune waren, und das tat ihr von Herzen leid.

    Im selbes Augenblick kam ein Mädchen mit einem großen, glänzend scharfen Messer in den Garten. Sie ging gerade auf die Tulpen zu und schnitt eine nach der anderen ab. "Ach!" seufzte das kleine Gänseblümchen, "das ist doch schrecklich! nun ist es vorbei mit ihnen!" Dann ging das Mädchen mit den Tulpen fort. Das Gänseblümchen war froh, dass es draußen im Grase stand und eine kleine ärmliche Blume war.

    Es fühlte sich so recht dankbar, und als die Sonne unterging, faltete es seine Blätter, schlief ein und träumte die ganze Nacht von der Sonne und dem kleinen Vogel.

    Am nächsten Morgen, als die Blume glücklich wieder all ihre weißen Blättchen wie kleine Arme dem Licht und der Luft entgegenstreckte, erkannte sie des Vogels Stimme, aber was er sang, klang so traurig. Ja, die arme Lerche hatte guten Grund dazu, sie war gefangen worden und saß nun in einem Bauer dicht an dem offenen Fenster. Sie sang davon, frei und glücklich umherzufliegen, sang von dem jungen, grünen Korn auf den Feldern und von den herrlichen Reisen, die sie auf ihren Schwingen hoch in die Luft hinauf machen konnte. Der arme Vogel war in keiner glücklichen Stimmung. Gefangen saß er im Käfig.

    Das kleine Gänseblümchen wollte ihm so gerne helfen, aber wie sollte sie das anfangen, ja, es war schwer, ein Mittel zu finden. Es vergaß fast, wie schön alles rundumher stand, wie warm die Sonne schien und wie schön seine eigenen Blätter aussahen. Ach, sie konnte nur an den armen Vogel denken, für den sie doch gar nichts tun konnte.

    Zu gleicher Zeit kamen zwei kleine Knaben aus dem Garten; der eine hatte ein Messer in der Hand, ebenso groß und scharf wie das, mit dem das Mädchen die Tulpen abgeschnitten hatte. Sie gingen gerade auf das kleine Gänseblümchen zu, das gar nicht begreifen konnte, was sie wollten.

    "Hier können wir uns einen prächtigen Rasenfleck für die Lerche herausschneiden!" sagte der eine Knabe und begann ein Viereck tief um das Gänseblümchen herum herauszuschneiden, so dass es mitten in den Rasenfleck zu stehen kam.

    "Reiß die Blume ab!" sagte der andere Knabe und das Gänseblümchen zitterte ordentlich vor Angst, denn abgerissen werden, hieß ja das Leben verlieren, und nun wollte sie so gern leben, da sie doch mit dem Rasenfleck in das Bauer zu der gefangenen Lerche kommen sollte.

    "Nein, laß sie sitzen!" sagte der andere Knabe, "sie putzt so hübsch!" und so blieb sie stehen und kam mit in das Bauer zu der Lerche.

    Aber der arme Vogel klagte laut über die verlorene Freiheit und schlug mit den Flügeln gegen den Eisendraht des Käfigs; das kleine Gänseblümchen konnte nicht sprechen, konnte nicht ein tröstendes Wort sagen, wie gerne sie es auch wollte. So verging der ganze Vormittag.

    "Hier ist kein Wasser!" sagte die gefangene Lerche", sie sind alle fortgegangen und haben vergessen, mir einen Tropfen zu trinken zu geben! Mein Hals ist trocken und brennend! Es ist, als ob Feuer und Eis in mir wären und die Luft ist so schwer! Ach, ich muß sterben, muß fort von dem warmen Sonnenschein, dem frischen Grün, von all der Herrlichkeit, die Gott geschaffen hat!" und sie bohrte ihren Schnabel in den kühlen Rasenfleck, um sich dadurch ein wenig zu erfrischen; da fielen ihre Augen auf das Gänseblümchen; der Vogel nickte ihm zu, küßte es mit dem Schnabel und sagte: "Du mußt auch hier drinnen verwelken, du arme, kleine Blume! Dich und den kleinen, grünen Rasenfleck hat man mir für die ganze Welt gegeben, die ich draußen hatte! Jeder kleine Grashalm soll für mich ein grüner Baum sein, jedes von deinen weißen Blättchen eine duftende Blume! Ach, Ihr erzählt mir nur, wieviel ich verloren habe!"

    "Wer ihn doch trösten könnte!" dachte das Gänseblümchen, aber es konnte kein Blatt bewegen; doch der Duft, der aus den feinen Blättchen strömte, war weit stärker, als man ihn sonst bei dieser Blume findet. Das merkte der Vogel auch, und obgleich er vor Durst verschmachtete und in seiner Pein die grünen Grashalme abriß, berührte er doch das Blümchen nicht.

    Es wurde Abend, und noch immer kam niemand und brachte dem armen Vogel einen Tropfen Wasser; da streckte er seine hübschen Flügel aus, schüttelte sie krampfhaft, sein Gesang war ein wehmütiges Piepiep; das kleine Köpfchen neigte sich der Blume entgegen, und des Vogels Herz brach vor Durst und Sehnsucht. Da konnte das Blümchen nicht mehr, wie am Abend vorher, seine Blätter zusammenfalten und schlafen, sie hingen krank und traurig zur Erde nieder.

    Erst am nächsten Morgen kamen die Knaben, und als sie den Vogel tot sahen, weinten sie. Sie weinten viele Tränen und gruben ihm ein niedliches Grab, das mit Blumenblättern geschmückt wurde. Des Vogels Leiche kam in eine schöne, rote Schachtel; königlich sollte er begraben werden, der arme Vogel! Als er lebte und sang, vergaßen sie ihn, ließen ihn im Bauer sitzen und Durst leiden, nun bekam er Pracht und viele Tränen.

    Aber der Rasenfleck mit dem Gänseblümchen wurde auf die Landstraße in den Staub geworfen. Niemand dachte an sie, die doch am meisten für den kleinen Vogel gefühlt hatte und ihn so gerne getröstet hätte!

    Eine Blume die ihren Kopf h�ngen l�sst,
    hat die Kraft verloren noch dran zu glauben,
    dass sie wasser bekommt zum Leben.

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    Einmal editiert, zuletzt von nightrose (29. August 2003 um 12:53)

  • Das Märchen vom Mann im Monde

    Ludwig Bechstein


    Vor uralten Zeiten ging einmal ein Mann am lieben Sonntagmorgen in den Wald, haute sich Holz ab, eine großmächtige Welle, band sie, steckte einen Staffelstock hinein, huckte die Welle auf und trug sie nach Hause zu.

    Da begegnete ihm unterwegs ein hübscher Mann in Sonntagskleidern, der wollte wohl in die Kirche gehen, blieb stehen redete den Wellenträger an und sagte: »Weißt du nicht, daß auf Erden Sonntag ist, an welchem Tage der liebe Gott ruhte, als er die Welt und alle Tiere und Menschen geschaffen? Weißt du nicht, daß geschrieben steht im dritten Gebot, du sollst den Feiertag heiligen?«

    Der Fragende aber war der liebe Gott selbst; jener Holzhauer jedoch war ganz verstockt und antwortete: »Sonntag auf Erden oder Mondtag im Himmel, was geht das mich an, und was geht es dich an?«

    »So sollst du deine Reisigwelle tragen ewiglich!« sprach der liebe Gott, »und weil der Sonntag auf Erden dir so gar unwert ist, so sollst du fürder ewigen Mondtag haben und im Mond stehen, ein Warnungsbild für die, welche den Sonntag mit Arbeit schänden!«

    Von der Zeit an steht im Mond immer noch der Mann mit dem Holzbündel, und er wird wohl auch so stehen bleiben bis in alle Ewigkeit.

    Eine Blume die ihren Kopf h�ngen l�sst,
    hat die Kraft verloren noch dran zu glauben,
    dass sie wasser bekommt zum Leben.

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  • Vogel Phoenix
    Im Garten des Paradieses, unter dem Baume der Erkenntnis, stand ein Rosenstrauch. Hier, in der ersten Rose, wurde ein Vogel geboren, dessen Flug war wie der des Lichts, herrlich war seine Farbe und herrlich sein Gesang.

    Als aber Eva die Frucht der Erkenntnis brach und sie und Adam aus dem Garten des Paradieses gejagt wurden, fiel vom flammenden Schwerte des strafenden Engels ein Funken in das Nest des Vogels und zündete es an. Der Vogel starb in den Flammen, aber aus dem glühenden Ei flog ein neuer, der einzige, der stets einzige Vogel Phönix. Die Sage meldet, daß er in Arabien nistet und sich selbst jedes hundertste Jahr in seinem Neste verbrennt, und ein neuer Phönix, wieder der einzige in der Welt, fliegt aus dem glühenden Ei empor.

    Der Vogel umflattert uns, schnell wie das Licht, herrlich von Farbe und herrlich klingt sein wundersamer Sang. Wenn die Mutter an der Wiege ihres Kindes sitzt, schwebt er über dem Kopfkissen und weht mit den Flügeln einen Glorienschein um des Kindes Haupt. Er fliegt durch die Stuben der Genügsamkeit, und Sonnenglanz breitet sich darüber und die ärmliche Kommode duftet nach Veilchen.

    Doch der Vogel Phönix ist nicht allein der Vogel Arabiens. Er flattert im Nordlichtschein über die Eisfelder Lapplands, er hüpft zwischen den gelben Blumen in Grönlands kurzem Sommer. Über Faluns Kupferfelsen ist er zu sehen und in Englands Kohlengruben. Er huscht wie eine gepuderte Motte hin über das Gesangbuch in des frommen Arbeiters Händen. Er segelt auf dem Lotosblatt mit den heiligen Fluten des Ganges hinab und des Hindumädchens Augen leuchten bei seinem Anblick.

    Vogel Phönix, kennst Du ihn nicht? Den Vogel des Paradieses, des Gesanges heiligen Schwan. Auf dem Tespiskarren saß er wie ein geschwätziger Rabe und schlug mit den schwarzen, hefetriefenden Flügeln. Über Islands Sängerharfe glitt des Schwanes roter, klingender Schnabel; auf Shakespeares Schultern saß er wie Odins Rabe und flüsterte ihm ins Ohr: Unsterblichkeit. Beim Sängerfeste flog er durch der Wartburg Rittersaal.

    Vogel Phönix Kennst Du ihn nicht? Er sang Dir die Marsallaise vor, und Du küßtest die Feder, die aus seiner Schwinge fiel. Im Paradiesesglanze kam er, und Du wandtest Dich vielleicht fort und dem Sperling zu, der mit Schaumgold auf den Flügeln dasaß.

    O, Du Vogel des Paradieses, in jedem Jahrhundert erneut, in Flammen geboren, in Flammen gestorben, Dein Bild hängt in Gold gefaßt in den Sälen der Reichen und selbst fliegst Du verirrt und einsam - eine Sage nur: Vogel Phönix in Arabien!

    Im Garten des Paradieses, da Du geboren wurdest unter dem Baume der Erkenntnis in der ersten Rose, küßte Dich Gott und gab Dir Deinen rechten Namen "- Poesie.

    @Hans Christian Andersen...wie die beiden davor

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  • Herzeleid
    Es ist eigentlich eine Geschichte in zwei Teilen, mit der wir hier aufwarten; der erste Teil könnte recht gut fortfallen, - aber er gibt uns die Vorkenntnisse, und die sind nützlich!

    Wir hielten uns weiter drinnen auf dem Lande auf einem Herrenhofe auf. Da traf es sich, daß die Herrschaft dort für einen Tag fortfuhr und an demselben Tage aus dem benachbarten Flecken eine Frau mit ihrem Mops kam. Sie kam, wie sie sagte, um Aktien auf ihre Gerberei aufzunehmen. Ihr Papiere hatte sie mitgebracht und wir rieten ihr, einen Umschlag darum zu tun und den Namen des Gutsbesitzers darauf zu schreiben: "Generalkriegskommissar, Ritter etc."

    Sie tat, wie wir ihr sagten, sie ergriff die Feder, stockte und bat uns, die Aufschrift noch einmal zu wiederholen, aber langsam. Wir taten es und sie schrieb. Aber mitten im "Generalkriegs" blieb sie stecken, seufzte und sagte: "Ich bin nur ein Frauenzimmer." Den Mops hatte sie auf den Fußboden gesetzt, während sie schrieb, und er knurrte. Er war wegen seiner Gesundheit und um seines Vergnügens willen mitgenommen worden, und dann will man nicht auf den Fußboden gesetzt werden. Stumpfnase und Speckrücken waren seine äußeren Kennzeichen.

    "Er beißt nicht!" sagte die Frau, "er hat keine Zähne. Er ist wie jemand, der zur Familie gehört, treu und bissig, aber dazu ist er von meinen Enkelkindern gebracht worden. Sie spielen immer Hochzeit, und er soll Brautjungfer sein, das strengt ihn zu sehr an, das alte Tier!"

    Und sie ließ ihre Papiere da und nahm den Mops auf den Arm. Das ist der erste Teil der eigentlich entbehrlich war. "Der Mops starb!" das ist der zweite Teil.

    Es war eine Woche später; wir kamen in den Flecken und zogen in einen Gasthof. Unsere Fenster gingen auf den Hof hinaus, der durch einen Bretterzaun in zwei Teile geteilt war. In dem einen hingen Felle und Häute, rohe und gegerbte, und hier standen auch alle Materialien zu einer Gerberei; sie gehörte der Witwe. - Der Mops war an diesem Morgen gestorben und hier im Hofe begraben worden. Der Witwe Enkelkinder, daß heißt also der Gerberwitwe, denn der Mops war nicht verheiratet gewesen, klopften das Grab zu. Es war ein schönes Grab, es mußte wahrlich ein Vergnügen sein, darin zu ruhen.

    Das Grab war mit Topfscherben eingefaßt und mit Sand bestreut. Oben darauf hatten sie eine kleine Bierflasche mit dem Halse nach oben gesetzt, aber es war nicht allegorisch gemeint.

    Die Kinder tanzten rund um das Grab und der älteste der Knaben, ein praktischer Jüngling von sieben Jahren, schlug vor, daß das Grab des Mopses ausgestellt werden solle, und zwar für alle Kinder aus der Straße. Der Eintritt mußte mit einem Knopf bezahlt werden, das war etwas, was jeder Knabe besaß und was er auch den kleinen Mädchen liefern konnte, und der Vorschlag wurde einstimmig angenommen.

    Und alle Kinder aus der Straße und der Nebenstraße kamen und gaben ihren Knopf. Da kam mancher dazu, den ganzen Nachmittag lang mit nur einem Hosenträger herumzulaufen, aber dafür hatte man auch des Mopses Grab gesehen, und das war es wohl wert.

    Doch draußen vor dem Gerberhofe, dicht an der Pforte, stand ein kleines zerlumptes Mädchen, so hübsch und niedlich, mit dem schönsten Lockenhaar und Augen so blau und so klar, daß es eine Lust war. Sie sagte nicht ein Wort, sie weinte auch nicht, aber sie machte so lange Augen, wie sie nur konnte, jedesmal, wenn die Tür geöffnet wurde. Sie wußte genau, daß sie keinen Knopf besaß und blieb deshalb traurig draußen stehen. Dort stand sie, bis alle fortgegangen waren; dann setzte sie sich nieder, hielt die kleinen, braunen Händchen vor die Augen und brach in Tränen aus. Sie allein hatte des Mopses Grab nicht gesehen. Das war ein Herzeleid, so groß wie es oft die Erwachsenen nicht haben.

    Wir sahen es von oben - und von oben gesehen - ja, über diese, wie über viele unserer und anderer Sorgen - konnten wir lächeln! Das ist die Geschichte, und wer sie nicht versteht, kann Aktien auf die Gerberei der Witwe nehmen.


    @HCA

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    hat die Kraft verloren noch dran zu glauben,
    dass sie wasser bekommt zum Leben.

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  • Ein Blatt vom Himmel
    Hoch oben in der dünnen, klaren Luft flog ein Engel mit einer Blume aus dem Himmelsgarten, und während er einen Kuß auf die Blume drückte, löste sich ein winzig kleines Blättchen ab und fiel auf die nasse Erde mitten im Walde; da faßte es sogleich Wurzeln und begann mitten zwischen den anderen Kräutern zu sprossen.

    "Das ist ja ein merkwürdiger Steckling" sagten sie, und keiner wollte sich zu ihm bekennen, weder die Distel noch die Brennessel.

    "Es wird wohl eine Art Gartengewächs sein" sagten sie und lachten spöttisch. Und sie machten sich über das vermeintliche Gartengewächs lustig; aber es wuchs und wuchs wie keines von den anderen und trieb Zweige weit umher in langen Ranken.

    "Wo willst Du hin?" sagten die hohen Disteln, die Stacheln an jedem Blatte hatten. "Du gehst zu weit. Deine Zweige haben keine Stütze und keinen Halt mehr. Wir können doch nicht stehen und Dich tragen!"

    Der Winter kam und Schnee legte sich über die Pflanze; aber durch sie bekam die Schneedecke einen Glanz, als würde er von unten her mit Sonnenlicht durchströmt. Im Frühjahr stand dort ein blühendes Gewächs, herrlich wie kein anderes im Walde.

    Da kam ein Professor der Botanik daher, der ein Zeugnis bei sich hatte, daß er war, was er war. Er besah sich die Pflanze, biß sogar in ihre Blätter, aber sie stand nicht in seiner Pflanzenkunde; es war ihm nicht möglich zu entdecken, zu welcher Gattung sie gehörte.

    "Das ist eine Spielart!" sagte er. - "Ich kenne sie nicht, sie ist nicht in das System aufgenommen!"

    "Nicht in das System aufgenommen" sagten die Disteln und Nesseln.

    Die großen Bäume ringsum hörten, was gesagt wurde, und auch sie sahen, daß es kein Baum von ihrer Art war; aber sie sagten nichts, weder etwas Gutes noch etwas Schlechtes, das ist immer das Sicherste, wenn man dumm ist.

    Da kam ein armes, unschuldiges Mädchen durch den Wald; ihr Herz war rein und ihr Verstand groß durch ihren Glauben; ihr ganzes Erbteil in dieser Welt bestand in einer alten Bibel, aber aus deren Blättern sprach Gottes Stimme zu ihr: Wollen die Menschen Dir übel, so denke an die Geschichte von Joseph: "Sie dachten übles in ihren Herzen, aber Gott wendete es zum Besten" Leidest Du Unrecht, wirst Du verkannt und verhöhnt, so denke an den Reinsten und Besten, den sie verspotteten und an das Kreuz nagelten, wo er noch betete: "Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!"

    Sie blieb vor der wunderbaren Pflanze stehen, deren grüne Blätter so süß und erquickend dufteten und deren Blüten im hellen Sonnenschein wie ein wahres Farbenfeuerwerk leuchteten. Und aus jeder sang und klang es, als verberge sie aller Melodien tiefen Born, der in Jahrtausenden nicht erschöpft wird. Mit frommer Andacht schaute sie auf all die Gottesherrlichkeit; sie bog einen der Zweige nieder, um die Blüte recht anschauen zu können und ihren Duft einzuatmen. Und ihr wurde licht und wohl ums Herz. Gern hätte sie eine Blüte mitgenommen, aber sie hatte nicht das Herz, sie zu brechen, sie würde nur zu schnell bei ihr welken, und so nahm sie nur ein einziges von den grünen Blättern, trug es heim, legte es in ihre Bibel und dort lag es frisch, immer frisch und unverwelklich.

    Zwischen den Blättern der Bibel lag es verborgen, und mit der Bibel wurde es unter des jungen Mädchens Haupt gebettet, als sie einige Wochen später im Sarge lag, des Todes heiligen Ernst auf dem frommen Antlitz, als ob es sich in ihrer irdischen Hülle noch abpräge, daß sie nun vor ihrem Gotte stand.

    Aber draußen im Walde blühte die wunderbare Pflanze, die bald wie ein Baum anzusehen war. Und alle Zugvögel kamen und neigten sich vor ihr, besonders die Schwalben und Störche.

    "Das ist ein ausländisches Gehabe!" sagten die Distel und die Klette, "so würden wir uns doch hier niemals aufführen!"

    Und die schwarzen Waldschnecken spuckten auf den Baum.

    Da kam der Schweinehirt, er raufte Disteln und Ranken aus, um sie zu Asche zu verbrennen; den ganzen wunderbaren Baum, mit allen Wurzeln riß er aus und stopfte ihn mit in das Bund. "Er muß auch Nutzen bringen!" sagte er, und dann war es getan.

    Aber nach Jahr und Tag litt des Landes König an der tiefsten Schwermut; er war fleißig und arbeitssam, aber es half nichts. Es wurden ihm tiefsinnige Schriften vorgelesen und auch die allerleichtesten, aber auch das half nichts. Da kam Botschaft von einem der weisesten Männer der Welt. Man hatte sich an ihn gewendet und er ließ sie wissen, daß sich ein sicheres Mittel finde, den Leidenden zu kräftigen und zu heilen. "In des Königs eigenem Reiche wächst im Walde eine Pflanze himmlischen Ursprungs, so und so sieht sie aus, man kann sich gar nicht irren!" - und dann folgte eine Zeichnung der Pflanze, sie war leicht zu erkennen. - "Sie grünt Sommer und Winter; man nehme jeden Abend ein frisches Blatt davon und lege es auf des Königs Stirn, da wird es seine Gedanken licht machen, und ein schöner Traum wird ihn für den kommenden Tag stärken!"

    Das war nun deutlich genug, und alle Doktoren und der Professor der Botanik gingen in den Wald hinaus. - Ja, aber wo war die Pflanze?

    "Ich habe sie wohl mit in mein Bund gepackt!" sagte der Schweinehirt. "Sie ist schon längst zu Asche geworden, aber ich verstand es nicht besser!"

    "Er verstand es nicht besser!" sagten alle. "Unwissenheit! Unwissenheit wie groß bist Du." Und diese Worte konnte sich der Schweinehirt zu Herzen nehmen, denn ihm und keinem anderen galten sie.

    Nicht ein Blatt war zu finden, das einzige lag in dem Sarge der Toten, und das wußte niemand.

    Der König selbst kam in seiner Schwermut in den Wald zu dem Orte hinaus. "Hier hat der Baum gestanden" sagte er, "das ist ein heiliger Ort"

    Und die Erde wurde mit einem goldenen Gitter eingefaßt und eine Schildwache stand Tag und Nacht davor.

    Der Professor der Botanik schrieb eine Abhandlung über die himmlische Pflanze, und dafür wurde er vergoldet. Das war ihm ein großes Vergnügen. Und die Vergoldung kleidete ihn und seine Familie, und das ist das Erfreulichste an der ganzen Geschichte, denn die Pflanze war fort und der König war schwermütig und betrübt - "aber das war er auch schon vorher!" sagte die Schildwache.


    @HCA

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  • Die Schnecke und der Rosenstock
    Rings um den Garten zog sich eine Hecke von Haselbüschen, außerhalb derselben war Feld und Wiese mit Kühen und Schafen, aber mitten in dem Garten stand ein blühender Rosenstock; unter diesem saß eine Schnecke, die hatte vieles in sich, sie hatte sich selbst.

    "Wartet nur bis meine Zeit kommt!" sagte sie, "ich werde mehr ausrichten, als Rosen ansetzen, Nüsse tragen oder Milch geben wie Kühe und Schafe!"

    "Ich erwarte sehr viel von Ihr!" sagte der Rosenstock. "Darf ich fragen: wann wird es zum Vorschein kommen?"

    "Ich lasse mir Zeit!" sagte die Schnecke. "Sie haben nun solche Eile! Das spannt die Erwartungen nicht!"

    Im darauffolgenden Jahr lag die Schnecke ungefähr auf derselben Stelle im Sonnenschein unter dem Rosenstock, der wieder Knospen trieb und Rosen entfaltete, immer frische, immer neue. Und die Schnecke kroch halb aus ihrem Haus heraus, steckte die Fühlhörner aus und zog sie wieder ein.

    "Alles sieht aus wie im vorigen Jahr! Gar keinen Fortschritt; der Rosenstock bleibt bei den Rosen, weiter kommt er nicht!"

    Der Sommer, der Herbst verstrich, der Rosenstock trug Rosen und Knospen, bis der Schnee fiel, bis das Wetter rauh und naß wurde; der Rosenstock beugte sich zur Erde, die Schnecke kroch in die Erde.

    Es begann ein neues Jahr; die Rosen kamen zum Vorschein, die Schnecke kam zum Vorschein.

    "Sie sind jetzt ein alter Rosenstock!" sagte die Schnecke. "Sie müssen machen, daß Sie bald eingehen. Sie haben der Welt alles gegeben, was Sie in sich gehabt haben, ob es von Belang war, das ist eine Frage, über die nachzudenken ich keine Zeit gehabt habe; so viel ist aber klar und deutlich, daß Sie nicht das Geringste für Ihre innere Entwicklung getan haben, sonst wäre wohl etwas anderes aus Ihnen hervorgegangen. Können Sie das verantworten? Sie werden jetzt bald ganz und gar nur Stock sein! Begreifen Sie, was ich sage?"

    "Sie erschrecken mich!" sagte der Rosenstock. "Darüber habe ich noch nicht nachgedacht."

    "Nein, Sie haben sich wohl überhaupt nie mit Denken abgegeben! Haben Sie sich jemals Rechenschaft gegeben, weshalb Sie blühen, und wie der Hergang beim Blühen ist; wie und warum nicht anders!"

    "Nein!" sagte der Rosenstock. "Ich blühte in Freude, weil ich nicht anders konnte. Die Sonne schien und wärmte, die Luft erfrischte, ich trank den klaren Tau und den kräftigen Regen; ich atmete, ich lebte! Aus der Erde stieg eine Kraft in mich hinauf, von oben kam eine Kraft, und deshalb mußte ich immer blühen; das war mein Leben, ich konnte nicht anders!"

    "Sie haben ein sehr gemächliches und angenehmes Leben geführt!" sagte die Schnecke.

    "Gewiß! Alles wurde mir gegeben!" sagte der Rosenstock. "Doch Ihnen wurde noch mehr gegeben! Sie sind eine dieser denkenden, tiefsinnigen Naturen, eine dieser Hochbegabten, welche die Welt in Erstaunen setzen werden!"

    "Das fällt mir nicht im entferntesten ein!" sagte die Schnecke. "Die Welt geht mich nichts an! Was habe ich mit der Welt zu schaffen? Ich habe genug mit mir selbst und genug in mir selbst!"

    "Aber müssen wir alle hier auf Erden nicht unser bestes Teil den anderen geben, das darbringen, was wir eben vermögen? Freilich, ich habe nur Rosen gegeben! Doch Sie? Sie, die so reich begabt sind, was schenken Sie der Welt? Was werden Sie geben?"

    "Was ich gab? Was ich gebe? - Ich spucke sie an! Sie taugt nichts! Sie geht mich nichts an. Setzen Sie Rosen an, meinetwegen, Sie können es nicht weiterbringen! Mag die Haselstaude Nüsse tragen, die Kühe und Schafe Milch geben, die haben jedes ihr Publikum, ich habe das meine in mir selbst! Ich gehe in mich selbst hinein, und dort bleibe ich. Die Welt geht mich nichts an!"

    Und damit begab die Schnecke sich in ihr Haus hinein und verkittete dasselbe.

    "Das ist recht traurig!" sagte der Rosenstock. "Ich kann mit dem besten Willen nicht hineinkriechen, ich muß immer heraus, immer Rosen ausschlagen. Die entblättern nun gar, verwehen im Winde! Doch ich sah, wie eine Rose in das Gesangbuch der Hausfrau gelegt wurde, eine meiner Rosen bekam ein Plätzchen an dem Busen eines jungen schönen Mädchens, und eine ward geküßt von den Lippen eines Kindes in lebensfroher Freude. Das tat mir so wohl, das war ein wahrer Segen. Das ist meine Erinnerung, mein Leben!"

    Und der Rosenstock blühte in Unschuld, und die Schnecke lag und faulenzte in ihrem Haus. Die Welt ging sie nichts an.

    Und Jahre verstrichen.

    Die Schnecke war Erde in der Erde, der Rosenstock war Erde in der Erde; auch die Erinnerungsrose in dem Gesangbuch war verwelkt - aber im Garten blühten neue Rosenstöcke, im Garten wuchsen neue Schnecken; sie krochen in ihre Häuser hinein, spuckten aus - die Welt ging sie nichts an.

    Ob wir die Geschichte wieder von vorne zu lesen anfangen? - Sie wird doch nicht anders.

    @HCA

    Eine Blume die ihren Kopf h�ngen l�sst,
    hat die Kraft verloren noch dran zu glauben,
    dass sie wasser bekommt zum Leben.

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