Eine Geschichte...

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    ich erzähle euch nun die geschichte einer liebe, die an eifersucht und nicht verstehenwollen der menschheit scheiterte.....

    lysander lebte alleine. er lebte einsam und zufrieden am waldesrand in einer kleinen hütte, die er sich selbst aus baumstämmen und moos erbaut hatte. lysander war ein junger mann von vielleicht achtundzwanzig sonnenwenden.
    er kannte die menschen aus dem dorf, aber er mochte sie nicht, denn sie waren anders als er. sie verstanden nichts davon, in der natur zu sein und diese zu geniessen. die natur mit all ihren schönheiten und ihren makellosen plätzen. er liebte diese plätze.
    lysander wanderte jeden tag durch den wald. er genoß die sonnenstrahlen, die seinen leib wärmten, wenn sie durch das blätterdach brachen. lysander erkannte jeden vogel des waldes an seiner stimme. sie kamen zu ihm herunter, begrüßten ihn und sangen ihm einen guten morgen. er genoß den gesang der vögel, das weiche moos, auf dem er sich von zeit zu zeit niederließ, um sich auszuruhen.
    lysander beobachtete alles, was sich bewegte und was sich im wald aufhielt, um dort zu leben. die tiere bezeichnete er als seine freunde, denn die menschen, welche ihn mit namen beschimpften und sich über ihn lustig machten, weil sie ihn nicht verstanden, konnten nie seine freunde sein.
    eines tages ging er mal wieder querfeldein, der morgennebel lag noch über dem waldboden. bei jedem schritt, den lysander tat, kräuselten sich die kühlen wassertröpfchen feucht gebunden um seine knöchel. als die ersten sonnenstrahlen durch die hohen baumkronen fielen und dunstig den waldboden erhellten, blieb er stehen und spürte die wärme, die ihn einzuhüllen vermochte. seichte nebelschwaden, die noch dünn und kühl die erde bedeckten, krochen seine waden herauf, um bei einem nächsten windhauch wieder verweht zu werden.
    lysander spazierte durch den wald, sprach mit einem reh, sah nach den fuchskindern. die tiere hatten sich an ihren seltsamen besucher gewöhnt. sie kannten ihn und sahen ihm nicht voller scheu entgegen. die füchsin lief noch ein stückchen mit ihm seines weges, jedoch musste sie umkehren, sie hatten ihr revier verlassen und sie musste noch etwas nahrung für sich und ihre vier kleinen suchen, die voller erwartung mit noch geschlossenen äuglein im bau sassen und warteten. lysander ging tiefer und tiefer in den wald hinein. an einer quelle schöpfte er ein wenig wasser, um seinen durst zu stillen. er erreichte einen teil des waldes, der ihm zuvor noch nie aufgefallen war. ein junger buchenhain, in voller blüte. lysander wunderte sich, denn zu dieser jahreszeit waren alle bäume im restlichen wald schon längst verblüht, jedoch trat er ein und sah sich um. der waldboden schien gesäubert, nirgends lagen blätter verstreut. die buchen schienen lebendig, jedoch wirkten sie nur so. ein mattes grünliches licht fiel herein und zauberte schattenumrisse in menschlichen formen auf das moos. die bäume standen stark und liebevoll beieinander, einige näher und ander weiter entfernt von anderen, jedoch waren sie alle zusammen- eine große einheit, durch nichts zu zerstören. lysander sog diese wunderlichen eindrücke in sich auf, noch nie hatte er soetwas wunderschönes gesehen. lysander lief und lief und lief. immer neue eindrücke taten sich auf. nicht weit vor ihm sah es aus, als ob die bäume ein ende nahmen. er schritt langsam auf das vermeintliche ende des waldes zu und erkannte, dass sich der wald auftat und eine lichtung hervorbrachte, auf der in der mitte eine uralte trauerweide stand. er trat auf die lichtung und betrachtete den baum. er war anders als alle anderen bäume des gesamten waldes. er war groß und schon sehr alt. diesen baum musste es bereits gegeben haben, bevor dieser wald, in dem er stand, begonnen hatte zu wachsen. seine zweige reichten bis auf den boden hinab. der mächtige stamm war von einer warmen trockenen rinde mit tiefen furchen umgeben. lysander ließ sich zu den wurzeln des baumes nieder und atmete ein. reine unverdorbene luft drang in seinen körper ein. er spürte die kraft, die sich in ihm breitmachte. er schloss seine augen und vermochte die blätter singen zu hören.
    von nun an besuchte er diesen baum jeden tag. die lichtung hatte etwas zauberhaftes an sich. mitten im sommer erblühten die bäume ringsherum. im herbst brachte die wiese, welche die bäume umgaben, die wundervollsten blüten hervor und jeden tag dufteten sie nach leben und freiheit. der frühling würde auf dieser lichtung niemals vergehen, dachte er bei sich im stillen. in manchen sommernächten lag er noch lange unter dem baum, hörte dem rauschen und flüstern der bäume zu, betrachtete die sterne und ihre seltsamen gebilde, die sie im laufe der zeit geschaffen hatten und schlief nicht selten unter der weide ein, die ihm ein schützendes dach gab und ihn zuzudecken schien, wenn er eingeschlafen war. eines morgens wachte er wie schon so oft auf, erfreute sich der sonnenstrahlen, die ihm in der nase kitzelten und besann sich des traumes der letzten nacht.
    die weide hatte zu ihm gesprochen. er stand im traume vor ihr und betrachtete ihre schönheit, die kein baum der welt hätte übertreffen können. ihre blätter und zweige rauschten sachte im wind, der sanft über die lichtung strich. in des windes rauschen säuselte ihm die stimme der weide zu, dass sie seine nähe und steten besuche sehr schätze und dass sie es auf gleiche weise vergelten wolle. wieder rauschten die blätter und zweige, doch dieser eine satz, war das einzige, was er je von ihr vernahm.
    nie wolle er mehr an einem anderen platz nächtigen, als unter ihrem gewaltigen blätterdach, das sich des nachts schützend zu ihm herunterbeugte, um ihm wärme und zuneigung zu geben, wie es schien.
    immer wieder schlief er unter der alten weide ein und wachte morgens frohen mutes auf, um den neuen tag zu begrüssen. lächeln schien die sonne zu ihm hernieder, begrüsste ihn mit einem strahl, der die nase kitzelte und versprach, einen wundervollen tag zu geben, an dem er sich wieder an der nahen quelle des frischen wassers laben konnte um dann den tag zu geniessen und wieder unter der weide einzuschlafen.
    eines morgens, es war schon frühling, erwachte er aus seinem traum, dessen bedeutung er immer noch erhoffte zu erfahren, glaubte er ein leises lachen gehört zu haben, doch als er sich umsah, erblickte er nichts ungewöhnliches, das ihm das lachen erklären konnte. das lachen war beruhigend und wunderschön. es muss das lachen eines mädchens gewesen sein, doch weit und breit war kein ort, kein dorf, das das heim eines mädchens hätte sein können. einmal schien das lachen direkt vor ihm zu sein, doch blickte er hin, kam es aus einer anderen richtung.

    Eine Blume die ihren Kopf h�ngen l�sst,
    hat die Kraft verloren noch dran zu glauben,
    dass sie wasser bekommt zum Leben.

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    Einmal editiert, zuletzt von nightrose (13. Juli 2003 um 02:08)

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    lysander stand auf, hatte er dort zwischen den jungen buchen nicht eine zierliche gestalt umherhuschen gesehen? er lief ihr hinterher, jedoch vermochte er nicht, sie zu erlangen, sie war geschmeidig und gewandt. so sehr ihn seine neugierde auch trieb, setzte er sich unter seine weide und wartete. er wusste, dass sie sich eines tages zeigen würde. er liess nicht von der hoffnung ab, bis es sommer wurde. er erwachte und spürte seine nase kitzeln. er dachte daran, dass es die sonne hätte sein können, jedoch verspürte er auf seinem gesicht einen lieblichen schatten, der das warme sonnenlicht nicht an seine nase heran liess. lysander öffnete die augen und hörte das lachen. da stand sie, mit einem grashalm in ihrer kleinen zarten hand, mit dem sie ihn hatte wachgekitzelt. lysander war nicht in der lage, irgendetwas zu sprechen. in seinem leib tat sich ein gefühl auf, welches sich anfühlte, als ob er schmetterlinge darin hätte, seine gedanken dachten nicht mehr, er konnte seinen blick nicht mehr abwenden. nie hatte er solch eine schönheit erblickt. nie solche augen, die leuchteten, als seien sie dem himmel entnommen worden, um ihr das blau des universums zu geben. ihre lippen waren voll und rot wie walderdbeeren, ihre wangen leuchteten wie reife pfirsiche in der sonne und ihr haar glänzte wie weidenzweige im morgentau. sie brach das schweigen. sie habe ihn schon seit langer zeit beobachtet, sie habe sehen wollen, ob er den wald genauso liebe wie sie. erzählte davon, dass diese weide wie ein teil von ihr sei und die kleinen buchen wie ihre schützlinge, die sie ihren lebtag lang bewachte, dass ihnen nichts schlimmes widerfahre, sie sprach von dem hain und ihrem namen. ihr name lautete eurydike. ein name, der so zu ihr passte, wie das leuchten der sterne in ihren augen.

    Eine Blume die ihren Kopf h�ngen l�sst,
    hat die Kraft verloren noch dran zu glauben,
    dass sie wasser bekommt zum Leben.

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    Einmal editiert, zuletzt von nightrose (13. Juli 2003 um 02:08)

  • Mein Atem geht so flach, dass er meine endlos flüsternde Stimme kaum mehr trägt.
    Meine Augen sind so erschöpft von den ständig fließenden Tränen, dass ich mir wünsche, sie für immer vor allem Schmerz zu verschließen.
    Meine Hände berühren so eisig kalt und leblos meine neben mir liegende Kleidung, dass ich nichts fühle. Sie zittern unmerklich.
    Langsam fahre ich sanft und bedächtig über den kühlenden Stoff, der seidig leuchtend in zartschwarzen Falten daliegt.
    Das Pochen meines Herzens verebbt im unendlichen Strom der Zeit . . .
    Indem ich allzu langsam meinen schmerzenden Kopf drehe, starre ich auf die schwarze Kerze vor mir. Ihre Flamme erhellt nicht die Finsternis meiner Umgebung und scheint nicht im Geringsten zu flackern. Wenig wundernd wende ich den Kopf nach oben und sehe zur Uhr auf. Der Zeiger ist geräuschlos stehengeblieben. Es sieht so aus, als ob auch er viel zu müde vom unendlichen Ticken der Zeit wäre . . .
    Irgendwie berührt mich das alles nicht. Irgendwie ist mir all das egal. Nur eines zählt wirklich für mich . . . und all meine Gedanken sind darauf gerichtet . . .
    Meine gesamte Existenz sehnt sich danach . . . aber meine verzweifelte Seele hat längst schon den – doch nur aussichtslosen – Kampf aufgegeben und drückt sich kleinlaut ins letzte ummauerte Eckchen meiner Selbst. Mein kleines Schloß ist längst schon eingestürzt und in den Trümmern huschen schreckenerregende Schatten umher, in denen meine Seele Unterschlupf sucht. Vor Kälte und Einsamkeit erzittert sie in Angst. Dennoch gibt es keinen Ausweg für sie . . . oder ?

    Ich höre den Schnee jenseits meines Zimmers fallen. Ich kann ihn fast schon auf meiner puren weißen Haut spüren . . . Unwillkürlich schließe ich die Augen, und das Gefühl von weißer Unschuld auf meinem Körper ist überwältigend.
    Ich stelle mir den stillen Mond in der samtenen Dunkelheit außerhalb meiner Welt vor . . . und ich wünsche mir, endlich wieder die Mondgöttin zu spüren. Ich weiß, dass sie heute alle Magie aufwendet und hell erstrahlend am wunderschönen Nachthimmel steht ... umringt von Tausenden ihrer Dienerinnen, die funkelnd um sie tanzen, am nächtlichen Firmament Diamanten gleich.
    Deine Worte, die nie jemand außer mir so gehört hat, tönen immer noch in meinen in die Stille lauschenden Ohren . . . All meine Sinne sind übersensibilisiert. Ich denke einen Windhauch zu fühlen, obwohl ich weiß, dass die Luft in meinem Zimmer stickig stillsteht. Es ist nahezu unmöglich, zu atmen.
    Wieder und wieder starre ich ungläubig die Uhr vor meinen gequälten Augen an, die mehr als nur eine bestimmte Uhrzeit angibt. Das Pendel, das scheinbar nie geschlagen hat, wirkt so, als ob es mich anstarre. Ich erkenne mein bleiches Gesicht, dass kaum mehr menschliche Farbe in sich trägt. Verzweiflung hat alles Leben aus mir gedrängt. Verschwommen erkenne ich meine Gestalt, aber dahinter bewegt sich etwas . . . Der lange Stab, den die Figur hinter mir in Händen trägt, endet in einer unbeschreiblich scharfen Klinge. Eine dunkle Robe verhüllt die Gestalt hinter mir, doch glaube ich, seinen Atem in meinem Nacken zu spüren. All meine Nackenhaare richten sich auf und mein Herz schlägt wild. Ich wage es nicht, mich umzudrehen und das Unvermeidliche zu erblicken. Mein Atem wird vor meinem Gesicht zu weißlichem Dampf und beschlägt die dunkle Glasscheibe vorm stehenden Pendel. Ein eigentlich unhörbares Knacken ganz nah an meinem Ohr lässt mich erschrocken zusammenfahren. Schnell atmend wende ich mich um, doch da ist nichts. Nichts befindet sich in meiner Kammer, und doch . . . da war doch etwas . . .
    Der Wind draußen ruft mich . . .leise, leise . . . in durchsichtigen Wellen weht er um die scheinbar schlafenden Bäume und flüstert . . . sein leises Gemurmel vermischt sich mit meiner eigenen Stimme, die ich nicht wiedererkenne.
    Und ehe ich es selbst weiß, habe ich alle Sicherheit hinter mich gebracht und wandere mit nackten Füßen über einen zugeschneiten Pfad. Während ich die Augen schließe, wird mir klar, dass es nur jetzt möglich ist, einen winzigen Teil der zeitlosen Unendlichkeit zu erfassen.
    Als ich an mir selbst herabblicke, sehe ich die schwarze Rose in meiner Hand. Wenig frierend ziehe ich doch den schwarzen, fast durchsichtigen Mantel enger um meine zusammengezogene Gestalt. Tränen fließen meine Wangen hinab und benetzen mein Gewand, anfänglich noch perlmuttenen Perlen gleich.
    Den Weg, den meine Beine intuitiv wählen, kenne ich nicht.
    Mein Ziel in der Ferne ist ein Rätsel, dass ich nicht wage zu lüften.
    Aber die Vorahnung in mir ist richtiger, als ich mir selbst eingestehen will.
    Vor mir erscheint ein winterlicher Wald, von Nebel mystisch umhüllt.
    Ich weiß, dass ich ihn keinesfalls alleine betreten werde. Dennoch betrete ich ihn ohne zu zögern. Ein milchig-silbriges Leuchten vom Vollmond deutet meinen Weg an. Verwundert starre ich zu den Sternen über mir auf und schließe kurz meine Augen, um sie gleich darauf wieder zu öffnen. Rieselnd wie reiner Schnee fallen sie um mich herum zur Erde und lassen die undurchsichtige Welt vor mir wie eine andere Sphäre wirken. Nebel umstreicht mich zärtlich und liebkost meine geplagte Seele. In den wirbelnden Nebelbildern um mich herum malt meine Fantasie die schönsten Bilder. Ein längst vergessenes Lächeln umspielt meine purpurroten Lippen.
    Wie ein kleines Kind wandere ich weiter und entdecke Antworten tief in mir, die kein Mensch zuvor kannte. Mit vor Begeisterung schimmernden Augen bewundere ich die Wunderwelt, die sich mir darbietet. Nur die schwarze Rose in meiner Hand erinnert mich an die endlose Trauer in mir und lässt mich wankend weitergehen. Ein Nachtrabe kräht von einem verschneiten Ast herunter und begrüßt mich.
    In seinen unergründlichen Augen erkenne ich die Gestalt von vorhin.

    Eine Blume die ihren Kopf h�ngen l�sst,
    hat die Kraft verloren noch dran zu glauben,
    dass sie wasser bekommt zum Leben.

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  • Dennoch habe ich keine Angst, als er mich krächzend begleitet. Er führt mich zu einem purpur schimmernden Wasserfall, der klar und rein das gesamte Licht der Sterne in sich auffängt. Verborgene Schönheit offenbart sich meinen Augen und verschlägt mir den Atem. Nur zögernd komme ich näher, sehe ich den dicken Dampf, der sanft und bewegungslos über dem Wasser schwebt. Ein Ozean von unerklärlicher Schönheit liegt vor mir.

    Noch immer zögernd versuche ich, einen Blick vom anderen Ufer zu erhaschen.
    Es gelingt mir nicht, aber plötzlich höre ich leise Stimmen näherkommen. Keine menschlichen Stimmen.
    Da, unerwartet wie ein rauschender Fluß mitten in der Wüste sehe ich winzige Gestalten mich umringen. Hell singend tanzen sie einen Reigen um mich herum, nur um dann mit ihren winzigen Flügeln in alle Richtungen zerstreut wieder zu entschwinden.
    Die angehaltene Luft in meinen Lungen lasse ich mit einem leisen Lachen entweichen.
    Das kristallklare Rauschen des Wasserfalls lockt mich an.
    Endlich trete ich in das Wasser und spüre augenblicklich die reinigende Kraft dieser Quelle, die jenseits jedes irdischen Wissens liegt. Ich spüre den wohlwollenden Blick der Mondgöttin auf mir.
    Aber die Nähe, nach der ich mich sehne, bleibt mir verwehrt. Melancholie erfasst mein Herz wieder. Unsere Seelen waren so sehr im Einklang gewesen, dass ich mich ohne dich nicht mehr lebendig fühle. Alle Emotionen habe ich verloren. Und dein Bild in meiner Erinnerung fügt mir jede Nacht von neuem unendliche Folter und Schmerz zu. Meine Kraft schwindet. Deine Nähe fehlt mir so sehr . . . deine tiefe Stimme, deine tröstenden Worte . . .
    In einer so scheinenden Unendlichkeit wate ich durch das Wasser, dass sanft Wellen von meiner Gestalt aus in alle Richtungen schickt, wie um alle Kraft in mir zu vereinen und alles Elend aus mir zu ziehen.
    Ein Luftzug wie von Flügelschlag lässt mich aufblicken.
    Ich reiße meine Augen auf, als ich die Engelsgestalt vor mir erkenne. Mein Atem wird schneller und schneller, genau wie mein zuvor noch müder Herzschlag. Ich glaube, dass mein Herz zerspringt.
    Als deine Hand mich berührt, beginnt die Rose in meiner Hand, ihre Farbe zu wechseln.
    Zuerst langsam verändert sie sich vom Rotschwarz bis ins unschuldige Weiß. Als mein Blick sich wieder nach oben richtet, sind deine Konturen längst verschwunden.
    Erneut fällt mein Blick auf die Rose, deren Farbe nun wunderlicherweise ins Karminrot übergegangen ist.
    Dann spüre ich nichts mehr.


    Verwirrt und völlig durcheinander erwache ich am nächsten Morgen, der genauso verschneit ist wie die vorhergehende, schicksalhafte Nacht. Vom Boden bis zum Himmel erscheint alles Weiß, das erkenne ich sogar von meinem Bett aus.
    Als mir klar wird, dass alles nur ein Traum war, schwindet ein Teil meiner Freude wieder.
    Dennoch spüre ich ganz ungekannte Kraft durch meine Adern fließen, in denen das Blut zuvor, wie von Gift, schwer geflossen war.
    Verwundert strecke ich meine Arme, um aus dem tiefen und erholenden Schlaf wieder zu erwachen.
    Am Rande meines Blickfeldes entdecke ich einen roten Punkt. Als ich mich umdrehe, habe ich ihn längst aus den Augen verloren. Dann plötzlich fällt mir auf, dass ich einen Gegenstand in meiner Hand fühle. Lebendig und warm füllt er nur eine dünne Linie meiner Handfläche aus.
    Ich halte eine rote Rose in meiner Hand!

    Ich höre leise Schritte vor meiner Tür, die aber plötzlich verstummen plötzlich.
    Die Flamme der Kerze vor mir flackert wie von neuem Leben erfüllt munter hin und her.
    Das Knarren meiner Türe lässt mich aufhorchen.
    Deine schwarzgekleidete Gestalt füllt meine ganze Tür und bringt mein Herz fast zum bersten.
    Der Blick deiner nicht irdischen Augen durchdringt mich und trifft meine Seele in ihrem tiefsten Schlupfwinkel.
    Als ich meinen Augen immer noch nicht so richtig traue und dich fragend anblicke, tritt hinter dir die Gestalt hervor, die mich gestern vom stillen Pendel meiner Uhr aus angesehen hatte. In Seiner Hand sehe ich meine Lebensuhr, deren leises Rauschen doch allen Lärm übertönt. Klein und unscheinbar gleicht sie einer Eieruhr, deren Sand kontinuierlich von der oberen Hälfte in die untere fließt und kostbare Sekunden meines Lebens stiehlt.
    “Fürchtest du dich vor der Ewigkeit . . . ?“ flüstert eine Stimme in meinem Kopf und lässt mich alles andere vergessen.
    Nur du zählst, nur du, du . . .
    Die Luft schneidend neigt sich mir die Sense entgegen.
    Aber ich habe keine Angst und verabschiede mich vom Leben.

    Du umarmst mich warm und leidenschaftlich, ein Gefühl, nach dem ich mich ewig gesehnt habe . . . alles andere ist unwichtig in dem Moment, wenn du bei mir bist. Dir folge ich überall hin. Selbst in die tiefsten Sphären der Niederhölle, selbst in den unendlich trostlosen Limbus.
    Aber während deine Arme mich umschlingen, hält ER mit einem eigentlich unmöglichen Lächeln deine Lebensuhr hoch und dreht sie umdreht.
    Der Sand, der seit dem Beginn aller Verzweiflung verebbt war, fließt erneut, voller Möglichkeiten

    Eine Blume die ihren Kopf h�ngen l�sst,
    hat die Kraft verloren noch dran zu glauben,
    dass sie wasser bekommt zum Leben.

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  • Die Bernsteinprinzessin

    Autorin: Anna Kuehne


    Es war einmal ein Kaufmann, der war weit gereist und hatte schon so manche Ladung Waren sicher nach Hause gebracht, so manche aber auch an wilde Ritter verloren und nur mit Mühe sein Leben gerettet. Sein älterer Bruder daheim führte ihm die Kontorgeschäfte, und er, der schon immer gern Abenteuer bestanden hatte, bereiste derweil die weite Welt. Entsetzliche Strapazen hatte er ebenso erlebt wie luxuriöse Gastfreundschaft. Jeder Tag konnte sein letzter sein auf dieser Erde, und deshalb genoss er jeden Atemzug, den er tat, und ließ sich keine Freude entgehen, die sich ihm bot. Weil er aber nicht nur ein abenteuerlustiger, sondern auch ein gutaussehender, starker Mann war, schenkte manch Tochter eines Vaters ihm mehr Aufmerksamkeit, als dieser gutgeheißen hätte.
    Einmal kam der Kaufmann in ein fremdes, wildes Land im Norden, in dem er noch nie gewesen war. Es war kein großes Land, dafür aber reich gesegnet mit Schätzen aller Art. Die Erde barg kostbare Erze, Tiere mit wertvollen Pelzen lebten in den endlosen Wäldern und auch der Fleiß der Landeseinwohner trug wertvolle Früchte. An der Meeresküste aber fand sich Bernstein in unvorstellbaren Mengen. Deswegen nannte man dieses Königreich auch das Bernsteinland.
    Wie es sich gehörte, machte der Kaufmann dem König des Landes seine Aufwartung, und dieser lud den weitgereisten Fremdling zu einem Ball ein, der am Abend stattfinden sollte.
    Viele Gäste kamen zu diesem Ball, und auch viele, schöne Frauen. Das war dem Kaufmann sehr angenehm, denn in jedem neuen Land, das er kennen lernte, untersuchte er auch, wie sich die dortige Damenwelt von der daheim unterschied. Das war eine sehr interessante Wissenschaft, wie er fand, und er studierte fleißig.
    Als das Fest in vollem Gange war und alles lachte, tanzte und scherzte, bemerkte der Kaufmann auf einmal eine Sänfte, die in einer Ecke stand. Er hatte gar nicht bemerkt, wie sie hereingetragen worden war.
    "Wem gehört denn die Sänfte dort?" erkundigte er sich.
    "Der Prinzessin", antwortete ihm jemand.

    Der Kaufmann wunderte sich, denn noch niemand hatte bisher erwähnt, dass der König eine Tochter hatte. Neugierig näherte er sich der Sänfte.
    "Darf ich bitten, Eure Hoheit?" fragte er, ohne den Vorhang zu öffnen, denn er wusste, was sich gehörte und was nicht.
    Er bekam aber keine Antwort und überlegte, ob vielleicht gar niemand darin war? Um das herauszufinden, schob er unauffällig den Vorhang ein wenig beiseite und lugte in die Sänfte hinein.
    Drinnen saß die lieblichste Jungfrau, die er auf all seinen Reisen je erblickt hatte. Sie war aber ganz und gar nackt und spielte so hingebungsvoll mit ihrem kleinen Kätzchen, dass sie gar nicht merkte, wie sie beobachtet wurde. Seidiges, honigfarbenes Haar wallte ihr über die Schultern, und ihre Haut war zart und weiß wie allerfeinste Milch. Die großen, festen Brüste waren wohlgeformt wie reife Äpfel mit hübschen, rosenfarbenen Blüten, und das weiche Fell des Kätzchens glich in seiner Färbung aufs Genaueste den langen Haaren des Mädchens.
    Der Kaufmann konnte den Blick nicht abwenden von soviel Schönheit. Er fand auch das Spiel sehr interessant, das die Prinzessin mit ihrem Kätzchen trieb. Es war so ein niedliches, anschmiegsames Tierchen, dass er es gern auch einmal gestreichelt hätte. Er räusperte sich. Die Prinzessin schrak zusammen, erblickte den Fremdling und öffnete den Mund wie zum Schrei. Doch sie schrie nicht, sondern presste die Lippen fest aufeinander und hieb ihm eine scharfe Gerte ins Gesicht, die neben ihr auf den Kissen gelegen hatte.
    Mit einem Laut der Überraschung wich der Kaufmann zurück und befühlte sein Gesicht, wo die Gerte ihn getroffen hatte, während in der Sänfte ein helles Glöckchen ertönte und vier kräftige Träger herbeieilten, um sie fortzutragen.
    Diese Erlebnis fand der Kaufmann nun äußerst interessant. Er war ein sehr neugieriger Mensch, deshalb hatte es ihn ja schon früh in die weite Welt hinaus getrieben. Voller Eifer versuchte er herauszufinden, wo die Prinzessin wohnte. Doch niemand war bereit, es ihm zu sagen, gleich, wie viel Geld er bot. Nichts aber erfüllte ihn mit mehr Leidenschaft als Dinge, von denen er nichts erfahren sollte - und Frauen, die er nicht haben konnte.

    Unser Kaufmann ließ sich also nicht entmutigen. Im Gegenteil, nun packte ihn erst recht die Jagdleidenschaft! Er legte sich auf die Lauer und beobachtete tagelang die Dienerschaft des Schlosses. Bald hatte er herausgefunden, dass es auf der Seite, wo das Schloss steil ans Meer grenzte, einen fensterlosen Turm gab, den zwei der Mägde mehrmals am Tage betraten und wieder verließen. Sie trugen Essen, Wasser und Feuerholz hinauf, und der Kaufmann hatte den Verdacht, dass es dieser Turm war, in dem man die schöne, nackte Prinzessin versteckt hielt.
    Er rasierte sich kurzentschlossen den Bart ab, zog sich Frauengewänder über und begab sich des Abends mit einem Krug auserlesensten Weines in jenen fensterlosen Turm.
    Die steile, schmale Treppe, die innen an der Turmwand in die Höhe führte, war zwar von Fackeln beleuchtet, hatte aber keinerlei Geländer. Ein Fehltritt genügte, und man stürzte in die steinerne Tiefe hinab! Den verkleideten Kaufmann schauderte es, aber er schritt unverzagt vorwärts, bis er schließlich an eine unverschlossene Tür aus kunstvoll geschnitztem und bemaltem Holz kam. Dieser Anblick erstaunte ihn, denn er hatte gedacht, die Prinzessin werde hier oben hinter schweren, eisernen Schlössern gefangen gehalten.
    Er trat ein und sah, dass der Turm auch keineswegs so fensterlos war, wie es vom Schlosshof aus den Anschein gehabt hatte. Zur Meerseite hin war ein hohes, breites Fenster in die meterdicke Mauer eingelassen, wo man auf gepolsterten Bänken sitzen und hinausschauen konnte.
    Dort saß die Prinzessin, umarmte eine der schlanken, steinernen Fenstersäulen und sah bitterlich weinend in die Abenddämmerung hinaus. Sie war nach wie vor nackt, und den Kaufmann erfasste heftiges Verlangen, als er ihren prallen, weißen Hintern sah, wie er sich in die kostbar bestickten, rotseidenen Polster drückte.
    Leise stellte er den Weinkrug auf einen kleinen orientalischen Tisch, der neben dem Bett stand, und begab sich hinüber zu der weinenden Schönen.
    Sie schien so vertieft in ihren Kummer, dass sie ihn erst bemerkte, als er sich auf der Fensterbank ihr gegenüber niedergelassen hatte und ihr bewundernd über die herrliche Rundung des Hinterteils strich.
    Die Prinzessin wandte sich um und sah den Kaufmann mit großen, ungläubigen Augen an. Ihr Gesicht war ganz nass vom vielen Weinen. Ein paar Tränen tropften ihr in den Schoß und verwandelten sich noch im Fallen in klaren Bernstein.
    Vor Staunen brachte der Kaufmann kein Wort hervor. Das wurde nicht besser, als die nackte Prinzessin ihm nun um den Hals fiel und ausrief: "Ach, Ihr seid es! Warum habt Ihr mich nur so lange warten lassen? Ich liebe Euch von ganzem Herzen, seit ich Euch auf dem Ball gesehen habe!"

    Der Kaufmann machte große Augen und konnte nicht umhin, sich an die Wange zu fassen, wo die Strieme noch längst nicht verheilt war. "Wie kann das sein, Prinzessin?" fragte er, als er endlich seine Sprache wieder gefunden hatte. "Ich hatte nicht den Eindruck, als hätte ich Eure Gunst erlangt."
    Sie schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. "Wie töricht ihr Männer doch seid. In meinen Augen hättet Ihr es sehen müssen!"
    Der Kaufmann überlegte. Aber so angestrengt er auch nachdachte, er konnte sich lediglich an die Brüste und das flauschige Kätzchen ganz genau erinnern - und an den Hieb mit der Gerte. Er hätte nicht einmal sagen können, welche Augenfarbe die Prinzessin hatte! Glücklicherweise sah er es jetzt: Sie glänzten braungolden wie Bernstein.
    "Dann ... darf ich Euch küssen?" fragte er hoffnungsvoll. "Und Eure Brüste streicheln?"
    "Gern!" sagte sie und hielt sie ihm unbefangen hin.
    "Und ... Euer Kätzchen vielleicht auch?"
    "Aber natürlich."
    "Und ... darf ich meinen Kater damit spielen lassen?"
    "Wenn die beiden sich mögen, warum nicht?"
    Der Kaufmann konnte sein Glück kaum fassen. Eilig hob er die Prinzessin samt ihrem Kätzchen hinüber auf das Bett. Natürlich vertrug sich sein Kater sehr gut mit dem niedlichen Kätzchen der Prinzessin, und sie ließen die beiden lange miteinander herumtollen. Zwischendurch aber tranken sie von dem köstlichen Wein, den der Kaufmann mitgebracht hatte. Gegen Morgen lagen sie dann alle vier eng umschlungen und zufrieden im prächtigen, gelbseidenen Bett der Bernsteinprinzessin und schliefen erschöpft.

    So fand man sie, und der König wurde gleich benachrichtigt. Der spuckte Gift und Galle vor Wut, hatte er seine wertvolle Tochter doch wohl behütet gewähnt!

    Eine Blume die ihren Kopf h�ngen l�sst,
    hat die Kraft verloren noch dran zu glauben,
    dass sie wasser bekommt zum Leben.

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  • Der Kaufmann wurde in Ketten vor den Thron geführt, und der Bernsteinkönig teilte ihm mit, dass er sofort das Land zu verlassen habe, und zwar zu Fuß und ohne seine Waren. Die seien als Strafe für den Verrat konfisziert, und er könne froh sein, nicht hingerichtet zu werden.
    Der Kaufmann trug es mit Fassung. Er bat lediglich darum, noch sein Messer aus dem Turm holen zu dürfen. Das sei ihm in die Tiefe gefallen, als man ihn die schmale, steile Treppe heruntergezerrt habe. Ihn völlig unbewaffnet in die Wildnis zu schicken, käme nämlich einer Hinrichtung gleich, und das würde der König seines Landes gewiss als Beleidigung auffassen. Womöglich gäbe es Krieg deswegen.
    Der Bernsteinkönig hatte ein Einsehen und erlaubte dem Kaufmann, noch einmal in den Turm zu gehen. Während der Kaufmann dort unter Bewachung nach seinem Messer suchte, ertönte über ihm plötzlich ein Schrei und jemand sprang ihm von oben auf den Rücken, dass er ächzend in die Knie ging.
    Es war die Prinzessin, nackt wie zuvor, und sie klammerte sich mit Armen und Beinen an ihm fest und flüsterte ihm ins Oh: "Oh bitte, bitte nimm mich mit!"
    Obwohl er zunächst von diesem Überfall verärgert war, dachte der Kaufmann doch, dass dies nicht das schlechteste Andenken sei, das er aus dem Bernsteinlande mit nach Hause nehmen konnte. Und man würde ihm nicht einmal vorwerfen können, er habe es gestohlen, denn so sehr sich die Soldaten jetzt auch bemühten, die Prinzessin vom Rücken des Kaufmannes zu pflücken - sie saß auf ihm wie festgewachsen.
    Bevor es weitere Unannehmlichkeiten mit dem König gab, machte sich der Kaufmann mit der Bernsteinprinzessin auf dem Rücken davon.
    Es machte ihm zunächst nichts aus, sie zu tragen, denn er spürte, wie sie sich vertrauensvoll an ihn schmiegte, und das erfüllte ihn mit Stolz. Wer Kostbares trägt, dem wird die Last zur Lust. Aber als es Abend wurde, bat der Kaufmann die Prinzessin doch abzusteigen, denn er war jetzt rechtschaffen müde, und Verfolger brauchten sie nicht länger zu fürchten.
    "Nein", sagte sie da, "ich kann ja nicht alleine laufen."
    "Was, Ihr könnt nicht laufen? Warum denn nicht? Jeder Mensch kann laufen, wenn er zwei Füße hat."
    "Ich nicht", entgegnete die Prinzessin. "Man hat mich immer in einer Sänfte getragen, so lange ich denken kann."
    Der Kaufmann schüttelte den Kopf, hatte aber Mitleid mit ihr. "Gut, dann trage ich Euch morgen weiter. Aber für die Nacht könnt Ihr doch wohl absteigen."
    "Nein, ich fürchte, Ihr könntet mich so nackt und lahm, wie ich bin, hier im finsteren Wald zurücklassen!"
    "Das werde ich gewiss nicht, Prinzessin. Wie könnt Ihr so etwas von mir denken?"
    Doch die Bernsteinprinzessin blieb auf ihm sitzen und krallte sich sogar noch fester an ihn. Wenn sie so große Angst hat, muss sie wirklich völlig hilflos sein, wenn man sie allein lässt, dachte der Kaufmann und gab gerührt nach.

    So ging das noch einige Tage. Jeden Abend bat der Kaufmann die Prinzessin erneut, doch wenigstens für die Nacht von ihm abzusteigen, damit er wieder zu Kräften kommen könne, und jedes Mal weigerte sie sich. Mit jedem neuen Morgen, der anbrach, schleppte der Kaufmann sich und die Prinzessin mühsamer durch den Wald.
    Eines Tages hatte er endgültig genug. "Ihr könnt nicht laufen?" rief er ärgerlich. "Dann werdet Ihr es heute lernen. Steigt ab!"
    Aber die Prinzessin blieb, wo sie war. "Ihr habt mit meinem Kätzchen gespielt, Kaufmann. Und Ihr habt mich aufgefangen, als ich in die Tiefe sprang. Also müsst Ihr mich jetzt tragen."
    Der Kaufmann glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. "Was heißt hier aufgefangen? Fängt denn ein Vogel den Pfeil auf, der ihm die Brust durchbohrt?"
    Doch die Bernsteinprinzessin ließ sich nicht erweichen. Sie hing dem erschöpften Kaufmann auf dem Rücken wie eine Klette, er konnte machen, was er wollte. Er versuchte, sich auf dem Boden zu wälzen, er warf sich mit dem Rücken gegen Baumstämme und Felsbrocken und fügte der nackten Prinzessin manchen Schmerz zu, um sie loszuwerden. Doch sie ließ nicht von ihm ab.
    "Prinzessin, wir werden beide zugrunde gehen, wenn ich Euch die ganze Zeit durch die Wildnis tragen soll! Ihr müsst laufen lernen, wenn Ihr überleben wollt."
    "Nein, ich kann nicht laufen. Das konnte ich noch nie. Ihr habt mich hier in die Wildnis mitgenommen, Kaufmann. Ihr seid für mich verantwortlich!"
    Der Kaufmann war zum Äußersten entschlossen. Er zog sein Messer hervor und drohte: "Ich schneide Euch die Arme ab, Prinzessin, dann könnt Ihr Euch nicht mehr an mir festhalten!"
    "Dann habe ich immer noch meine Beine!" lachte sie nur.
    "Ich schneide Euch auch die ab", entgegnete er wütend und tat einen tiefen Schnitt in ihren weichen, weißen Arm. Da stieß die Bernsteinprinzessin einen verzweifelten Schrei aus, der dem Kaufmann fast das Herz zerriss. Doch sein Leben war ihm lieb, und er ließ sich nicht beirren, sondern schnitt der Prinzessin auch noch in den anderen Arm, dass sie wieder schrie.
    Nun endlich ließ sie von ihm ab und sank nackt und weiß, weinend und blutend auf den Waldboden hin. Keinen Herzschlag länger wartete indes der Kaufmann, sondern brachte sich schleunigst in Sicherheit, ohne sich auch nur ein einziges Mal umzuschauen.
    Nach einigen Tagen erreichte er den Rand des Waldes und fand Aufnahme in einem Gasthaus, wo ihn Freunde, wenn auch mit Mühe, erkannten. Er sah nämlich aus, als sei er von wilden Tieren durch das Dickicht gehetzt worden und nur knapp dem Tode entronnen. Während er in der Obhut seiner Freunde nach und nach wieder zu Kräften kam, dachte er die ganze Zeit voller Reue an die hilflose Prinzessin, die er so kaltblütig in der Wildnis zurückgelassen hatte, und er schwor sich, nach ihr zu sehen, sobald er wieder dazu in der Lage war.

    Seine Freunde, denen er die Geschichte erzählte, rieten ihm ab, ja, versuchten gar, ihn zurückzuhalten, als er in den Wald zurückkehren wollte. Doch erließ sich nicht beirren.
    Wie der Kaufmann aber zu der Stelle kam, wo er die Bernsteinprinzessin verlassen hatte, war sie fort. Er fand auch keine Anzeichen dafür, dass sie von wilden Tieren gefressen worden war, und er wunderte sich, was wohl aus ihr geworden sein mochte.
    Traurig wanderte er durch den Wald, bis er bei einem Bach eine kleine Grashütte fand. Der weiche Boden ringsum war bedeckt mit Bernsteintränen, doch die Prinzessin war nirgendwo zu sehen.
    Der Kaufmann versteckte sich in der Nähe und wartete. Nicht lange dauerte es, da raschelte es im Unterholz, und die nackte Bernsteinprinzessin kam zu ihrer Grashütte gekrochen. Sie konnte noch immer nicht laufen, aber sie hatte es offenbar verstanden, sich die Hütte zu bauen und im Wald etwas zu essen zu finden.
    Der Kaufmann verließ sein Versteck und zeigte sich der Prinzessin. Mit einem Freudenschrei kam sie auf ihn zugerobbt. Elend sah sie aus, und völlig abgemagert.
    "Oh, Liebster, du bist zurückgekommen! Ich wusste, dass du ohne mich nicht mehr leben kannst. Mir geht ja ebenso. Komm her und laß uns Versöhnung feiern. Mein Kätzchen hat sich so nach deinem Kater gesehnt!"
    Doch der Kaufmann blieb wachsam und wich vor ihr zurück. "Ich wollte nur sehen, wie es Euch geht, Prinzessin. Aber solange Ihr nicht aufrecht neben mir laufen und auf diese Weise den Wald verlassen könnt, wird Euer Kätzchen auf die Gesellschaft meines Katers verzichten müssen. Strengt Euch an, Prinzessin. Ich komme wieder."

    Eine Blume die ihren Kopf h�ngen l�sst,
    hat die Kraft verloren noch dran zu glauben,
    dass sie wasser bekommt zum Leben.

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  • Damit verließ er sie und kehrte zu seinen Freunden im Gasthaus zurück. Als er nach einer Woche wieder zu der Grashütte kam, war er erfreut zu sehen, dass die Bernsteinprinzessin sich in mühsamer Arbeit aus Gräsern ein Kleid geflochten hatte, welches ihre weiche, weiße Haut vor Wind und Wetter schützte, und dass sie sich bereits mit Hilfe von Krücken vorwärtsbewegte. Sie lächelte ihn stolz an, als sie ihn erblickte, und er lächelte zurück.

    Nach einer weiteren Woche besuchte er sie erneut. Die Bernsteinprinzessin hatte ihn schon erwartet. Sie stand jetzt ohne Krücken neben der Grashütte und war schöner als je zuvor. Der Kaufmann winkte sie zu sich, und die Prinzessin kam mit sicherem Schritt und wundervollem Hüftschwung auf ihn zu.
    Als sie vor ihm stehen blieb, streifte er ihr mit bebenden Fingern das Kleid aus geflochtenen Gräsern ab und küsste erst ihren Mund, dann ihre prallen Brüste und zum Schluss das geliebte, weiche Kätzchen. Da zog die Prinzessin auch den Kaufmann aus, küsste erst seine Lippen, dann die Stelle, wo sein herrlich gewölbter Brustkorb in den flachen, muskulösen Bauch überging, und schließlich seinen Kater, den sie so sehr vermisst hatte. Sie sanken nieder auf den weichen Waldboden und ließen Kätzchen und Kater endlich wieder miteinander spielen. Lange, lange dauerte es, bis die beiden erschöpft waren, und alle vier eng miteinander verschlungen einschliefen.

    Als sie wieder erwachten, machten sie sich bereit, die Wildnis gemeinsam zu verlassen. Die Bernsteinprinzessin hatte ihre kostbaren Tränen in einen großen Korb aus Birkenrinde gesammelt, den sie nun aufhob und mit sich nahm. Seite an Seite wanderten sie durch den Wald und blieben nur ab und an stehen, um sich küssen oder um Kätzchen und Kater ein kurzes Spiel zu gönnen.
    Frisch und frohgemut erreichten sie schließlich den Waldrand und das Gasthaus. Dort wurden sie von den Freunden des Kaufmanns begrüßt, die gerade in die Heimat aufbrechen wollten. Neidvolle Blicke trafen den Kaufmann. Selten hatte man eine so schöne, stolze Frau gesehen wie jene, die da an seiner Seite aus dem dunklen Wald getreten war.
    Der Kaufmann reiste nun mit seiner Bernsteinprinzessin und den anderen Kaufleuten zurück in die Heimat. Groß war dort die Freude über seine Rückkehr und noch größer die Bewunderung für den Schatz, den er mitgebracht hatte. Die Bernsteinprinzessin verkaufte die Tränen, die sie im Wald geweint hatte, und auch jene, die sie aus verschiedenen Gründen später noch weinte, an Goldschmiede, die wunderbare Schmuckstücke daraus fertigten. Die beiden Liebenden bauten sich ein prächtiges Haus, in dem sie glücklich und zufrieden lebten. Viele Kinder bekamen sie, und die Mutter legte bei jedem großen Wert darauf, dass es schon früh laufen lernte und niemals, niemals in einer Sänfte umhergetragen wurde!

    Kätzchen und Kater aber hatten noch bis ins hohe Alter ihren Spaß miteinander. Und als die Bernsteinprinzessin am Ende starb, begrub man sie in ihrem Lieblingskleid - jenem, das sie sich einst in mühsamer Arbeit aus Waldgräsern geflochten hatte.

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    hat die Kraft verloren noch dran zu glauben,
    dass sie wasser bekommt zum Leben.

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  • Die Kranke Hirtin

    Autorin: Anna Kuehne

    Es war einmal ein armes Waisenmädchen, das verdiente sich sein Brot damit, die Ziegen der Bauern zu hüten. Jeden Morgen, noch bevor die Sonne erwachte, ging sie durch das Dorf und rief ihren Hirtenruf, und die Bauersfrauen ließen ihre Ziegen aus den Ställen, damit diese der jungen Hirtin folgen konnten. Und am Abend, wenn sie ins Dorf zurückkehrten, rief das Mädchen wieder, und die Bäuerinnen öffneten ihre Hoftüren, damit die Ziegen in ihre Ställe gingen. Die Hirtin aber wohnte in einer alten, windschiefen Hütte am Rande des Dorfes.

    Die Hirtin wuchs zu einer sehr ansehnlichen jungen Frau heran, und manch ein Bursche stellte ihr nach. Es war nicht einfach für sie, sich der drängenden Verehrer zu erwehren. Die morsche Tür der Hütte ließ sich nicht verriegeln, und die Hirtin hatte auch keine Familie, die sie beschützte. Doch um nichts in der Welt wollte sie sich einem der lüsternen Burschen hingeben, denn ihr Leben war schwer genug. Sie wollte nicht mit einem Kind im Leib sitzengelassen werden, wie es so vielen armen Mädchen erging. Da sie sonst niemanden hatte, flehte sie Gott um Hilfe an. Und Gott sandte ihr einen Engel, der jede Nacht, wenn sie schlief, vor der morschen Hüttentür wachte. So mußte sie nicht fürchten, etwa mit Gewalt ihrer Unschuld beraubt zu werden.

    Allerdings hatte noch jemand anders ihr Rufen gehört, und schon in der zweiten Nacht gesellte sich dem von Gott gesandten Engel ein zweiter hinzu. Feindselig betrachteten die beiden einander - dieser eine schimmernde Lichtgestalt mit großen, weißgefiederten Flügeln und sanftem Gesicht, jener ein herzzerreißend schöner Mann mit wilden schwarzen Haaren und geschmeidigen Bewegungen.

    "Wer denn dich gerufen, Luzifer? Du störst hier!" sprach der Engel ärgerlich. "Verschwinde!"

    "Die Hirtin hat mich gerufen. Genau wie dich!"

    "Du lügst! Ihr Herz ist rein, und ihre Gedanken sind unschuldig. Niemals hätte sie nach dir verlangt!"

    Luzifer schüttelte nachsichtig den Kopf. "Ach, ihr Himmelswesen! Ihr wißt so wenig über die Menschen. Mit lauter Stimme erflehen sie das eine, während sie stumm um so stärker das andere ersehnen. Mit dem, was sie verschwieg, rief sie mich. Und da bin ich!"

    Schnell stellte sich der Engel vor die morsche Hüttentür. "Ich lasse dich nicht zu ihr!"

    Der schwarzhaarige Mann lachte verächtlich. "Als ob ich eine Tür bräuchte, um irgendwo hineinzugelangen!" Und er verwandelte sich flugs in eine Mücke, nach welcher der Schutzengel vergebens schlug. Durch eine der zahlreichen Ritzen in den brüchigen Wänden schlüpfte Luzifer in die Hütte zu der schlafenden Hirtin. Dort nahm er wieder seine menschliche Gestalt an. Sofort stand der Engel wieder neben ihm.

    "Was hast du vor?" flüsterte der Engel drohend. "Willst du dir etwa nehmen, was sie den Bauernburschen verweigert?"

    Luzifer verneinte lächelnd, legte sich vorsichtig neben dem Mädchen auf das Heu und wartete.

    Es währte nicht lange, da spürte die Schlafende die Wärme seines Körpers und rückte näher an ihn heran. Und noch ein Weilchen später kuschelte sie sich eng an ihn.

    "Siehst du, wie wohl sie sich fühlt?"

    "Das ist Betrug! Du verführst sie!" empörte sich der Engel.

    "Wenn du genau hinsiehst, mein Guter, erkennst du, daß ich nichts dergleichen tue. Ich rühre sie überhaupt nicht an! Sie sieht mich auch nicht, wie kann ich sie da verführen? Und - was weißt du denn schon davon?"

    Vor den Augen des protestierenden, aber machtlosen weißen Engels legte er eine Hand auf die Brust der schlafenden Hirtin, und das Mädchen seufzte selig auf. Mit triumphierendem Blick auf seinen Gegner bewegte Luzifer die Hand auf dem festen, runden Hügel hin und her. Nur wenige Augenblicke später drehte sich das Mädchen um und umschlang den neben ihr Liegenden mit hemmungsloser Leidenschaft, ihren Unterleib mit kreisenden Bewegungen gegen den seinen drückend.

    "Jetzt sage mir doch einmal, wer hier wen verführt!" spottete Luzifer.

    Fassungslos sah Gottes Engel die wollüstigen Bewegungen seiner schlafenden Schutzbefohlenen, während der Mann mit der wilden schwarzen Mähne lächelnd seine Arme um sie legte. "Was gilt die Wette, Freund, daß zwischen ihren Schenkeln jetzt eine duftende Quelle zu sprudeln beginnt?"

    Angewidert winkte der schimmernd weiße Engel ab, während Luzifer das dünne Leinenhemd der Hirtin hochschob und seine Hand prüfend zwischen ihre Beine schob. Feucht glänzten seine Finger, als er sie wieder hervorzog. "Gewonnen!"

    Gottes Engel war es jetzt genug. Er mußte etwas unternehmen

    "Wach auf, Mädchen! Schnell, wach auf!" rief er laut in ihr Ohr.

    Das Mädchen schlug die Augen auf und blinzelte verwirrt in die Dunkelheit. Sie war allein, doch fühlte sie sich merkwürdig. Sie bemerkte, daß sie ganz naß war zwischen den Beinen, und fühlte ein Zittern und Beben in ihren Gliedern, das sie seltsam unzufrieden machte. Sie vermißte etwas. Irgend etwas war nicht geschehen. Oder war sie womöglich krank?

    Am nächsten Morgen, noch bevor sie die Ziegen holte, ging sie zu einer weisen Frau und fragte sie um Rat. Die Alte schmunzelte mit ihrem eingefallenen, zahnlosen Mund und gab dem Mädchen einen Tee, den sie jeden Morgen gegen das Kindserkriegen trinken solle. Dann empfahl sie ihr, sich den nettesten unter den Burschen auszusuchen und mit diesem ein abendliches Stelldichein zu vereinbaren. Dann würde die Krankheit sie schnell verlassen.

    Die Hirtin wunderte sich, tat aber wie geheißen. Und als sie von ihrem Stelldichein mit dem Sohn des Schmieds zurückkehrte, fühlte sie sich wieder völlig gesund und lachte und sang den ganzen Weg nach Hause. Und wenn sie nicht gestorben ist, so läßt sie sich noch heute von stattlichen jungen Burschen kurieren.

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    dass sie wasser bekommt zum Leben.

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  • Die Wasserfee

    Autorin: Anna Kuehne


    Es war einmal ein armer Bauernbursche, der hatte nach dem Tode seines Vaters das kümmerliche Anwesen geerbt, auf dem er aufgewachsen war, und bewirtschaftete es nun ganz allein. Von morgens bis abends arbeitete er hart, und seine alte, kranke Mutter half ihm, so gut sie eben noch konnte. Ja, wenn der junge Bauer eine Frau gehabt hätte, so wäre das eine große Erleichterung gewesen! Aber kein Mädchen im Dorf wollte ihn heiraten, denn er war nicht nur arm, sondern auch recht klein geraten und unansehnlich. So blieb er also allein und plackte sich auf seinen drei schmalen, schlechten Feldern ab.
    Eines Tages, als er in den Wald gegangen war, um Feuerholz aufzulesen, hörte er plötzlich ein glockenhelles Lachen hinter sich, und er drehte sich um. Aber er konnte nichts sehen. Das Lachen mußte vom Waldsee kommen, der in dieser Richtung lag. Es klang aber so hell und lockend, daß er nicht weiter bei der Arbeit bleiben konnte, sondern gehen mußte, um herauszufinden, welches Mädchen aus seinem Dorfe so wunderbar lachen konnte.
    Als er sich dem Waldsee näherte, entdeckte er am Ufer eine schöne junge Frau, die er nicht kannte. Sie saß auf einem Ast, der übers Wasser hing, und spielte mit bunten Schmetterlingen. Und dabei lachte sie immer wieder hell auf vor Freude.
    Der junge Bauer konnte den Blick nicht abwenden von soviel Anmut und stand wie gebannt zwischen den Bäumen, verborgen vom Ufergebüsch.
    "Warum kommst du nicht her und spielst mit uns?" rief die Schöne plötzlich.
    Der Bauernbursche errötete, weil sie ihn doch ertappt hatte. "Ich habe keine Zeit dafür", antwortete er verlegen. "Wir brauchen Feuerholz für den Winter."
    "Ach, was. Da helfe ich dir dann schon. Jetzt aber spiel mit!"
    Zögernd trat der junge Mann hervor. Er fürchtete, sie würde ihn verspotten wie die Dorfmädchen, wenn sie ihn erst erblickte. Doch sie sah ihn nur fröhlich an und pustete die Schmetterlinge zu ihm hin. Da lachte auch er und freute sich an den zarten Dingern, wie sie ihn in buntem Reigen umtanzten. Er pustete sie zu der Frau zurück, die selbst so zart wie ein Schmetterling schien. Ja, er glaubte sogar, ab und zu, wenn das Sonnenlicht in einem bestimmten Winkel auf sie fiel, durchsichtig schimmernde Libellenflügel an ihr zu entdecken. Nachdem sie eine Weile so gespielt hatten, meinte die Wasserfee - denn eine solche war es ganz ohne Zweifel - endlich zu ihm:
    "Komm, laß uns etwas anderes spielen. Zieh dich aus."
    "Wie?" Der junge Bauer glaubte, sich verhört zu haben.
    Doch sie bestand darauf, daß er sich splitterfasernackt auszog. Ihm war nicht ganz wohl dabei, wie sie nun an ihn herantrat, aber er atmete erleichtert auf, denn sie war sogar noch kleiner als er. Auch sie warf nun übermütig ihre spinnwebzarten Kleider ab, betrachtete ihn neugierig - und runzelte die Stirn.
    "Was versteckst du dort hinter deinen Händen?"
    Der junge Bauer errötete erneut und antwortete: "Das ist nur mein Freund, der Spaßmacher."
    "Ein Spaßmacher? Das ist ja wunderbar. Ich will ihn sehen. Zeig her!" Sie stampfte ungeduldig mit dem Fuß auf, daß das Wasser des Waldsees feine Wellen schlug, und blitzte den jungen Mann zornig an, weil er zögerte. Er wollte sie aber um nichts in der Welt verärgern und nahm die Hände fort.
    Sie sah gespannt auf den großen, wippenden Gesellen und wartete.
    "Wenn er ein Spaßmacher ist, dann muß er aber auch Spaß machen, sonst macht es keinen Spaß", beschwerte sie sich bald.
    Der junge Bauer wußte nicht, wohin er sehen sollte, so verlegen war er.
    "Er soll mir jetzt Spaß machen!" Wieder stampfte die kleine Schöne mit dem Fuß auf. Das Wasser des Waldsees schlug kräftige Wellen.
    Es half nichts, er mußte seinen Spaßmacher Spaß machen lassen, und das zierliche Fräulein jauchzte und freute sich so ausgelassen darüber, daß es im ganzen Walde widerhallte.
    "Oh, weh! Ich war zu wild", schluchzte sie, als sie sich den fröhlichen Gesellen recht besah. "Jetzt hab ich ihn verstimmt! Sieh nur, wie er sich grämt! Gewiß macht er nie wieder Spaß mit mir."
    "Ach, liebes Kind", tröstete sie der junge Bauer. "Er ist nur etwas erschöpft. Solche Späße strengen ihn mehr an als man meinen möchte. Auch muß ich jetzt zurück an die Arbeit. Bald schon bricht der Abend herein."
    Sie streichelte liebevoll den ermatteten Spaßmacher und lachte schon wieder. "Ihr zwei habt mir heute große Freude bereitet. Wenn ihr zurückgeht, werdet ihr einen großen Haufen Feuerholz finden, fertig gesägt und gespalten. Aber versprecht mir, daß ihr zwei von nun an jeden Tag hierher kommt und mit mir spielt!"
    Das versprach der junge Bauer gern.
    Von diesem Tag an aber gelang und gedieh ihm alles, was er anpackte. Die drei schmalen Felder strotzten vor Fruchtbarkeit, sein Vieh war gesund und mehrte sich unaufhörlich. Selbst seine alte Mutter genas von ihrer Krankheit. Das erstaunlichste aber war, daß kein Mädchen ihn mehr verspottete oder auch nur verächtlich ansah. Im Gegenteil, die Brautwerber klopften immer wieder an seine Tür! Er heiratete bald ein kleines, liebes Bauernmädchen und lebte glücklich und in großem Wohlstand mit ihr. Viele Kinder hatten sie und noch mehr Enkelkinder, und des Frohsinns war kein Ende.
    Und wenn er nicht gestorben ist, so geht der kleine Bauer noch bis auf den heutigen Tag an den Waldsee und erfreut die Wasserfee mit seinem großen Spaßmacher.

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    hat die Kraft verloren noch dran zu glauben,
    dass sie wasser bekommt zum Leben.

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  • Es war einmal ein kleines Mädchen. Es lebte in der Stadt und war glücklich. Eines Tages ging es in den Wald und traf einen Bären. Er war groß und stark. Das kleine Mädchen mochte den Bären gleich, denn er was gutmütig und lustig. Jeden Tag trafen sie sich und spielten und lachten zusammen.
    Nach einiger Zeit merkte das kleine Mädchen, daß sie den Bären so sehr mochte, daß sie am liebsten den ganzen Tag mit ihm verbracht hätte. Aber der Bär lehnte diesem Wunsch ab. Das kleine Mädchen war sehr traurig. Es versuchte den Bären zu verstehen. Er brauchte seine Freiheit. Es ging trotzdem jeden Tag in den Wald, um seinen Freund zu besuchen. Er freute sich immer, wenn das kleine Mädchen zu ihm kam und mit ihm spielte und lachte.
    Jeden Abend, wenn sich das kleine Mädchen schlafen legte, dachte es an den großen Bären. Wie gern wäre es bei ihm. Aber es wußte, daß dies nicht möglich war. Und so träumte es jede Nacht von seinem Bären. In seinen Träumen war sein Freund dem kleinen Mädchen immer so nah. Doch jeden Morgen mußte es feststellen, daß es nur ein Traum war und es nie so sein würde.
    Und so lebte das kleine Mädchen weiter in der Stadt und besuchte jeden Tag den großen Bären um mit ihm zu spielen und zu lachen. Aber insgeheim hoffte es doch, eines Tages zu seinen Freund in den Wald ziehen zu können.

    Doch dann traf das kleine Mädchen einen kleinen Jungen. Von da an kam es nicht mehr jeden Tag in den Wald, um mit dem Bären zu spielen und zu lachen.
    Das kleine Mädchen verbrachte nun die ganze Zeit mit dem kleinen Jungen. Und am Abend, wenn es sich schlafen legte, dann träumte das kleine Mädchen von seinem neuen Freund und was sie am nächsten Tag alles zusammen unternehmen konnten.
    Zu seinem Bären kam das kleine Mädchen nur noch selten, um mit ihm zu spielen und zu lachen. Der Bär freute sich immer noch, wenn es ihn besuchte. Das kleine Mädchen mochte den Bären trotzdem noch sehr und es genoß die Zeit, in der sie zusammensaßen und lachten.
    Doch wenn das kleine Mädchen nach Hause ging, war es nicht mehr traurig, nicht die ganze Zeit bei dem Bären sein zu können

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  • Und wieder stand ich vor dem Wasserfall.
    Da hörte ich es hinter mir rascheln. Was konnte das sein?
    Ich lief in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war und bog die Zweige auseinander. Dort war jedoch niemand.
    Ich sah zu Boden und erblickte ein Kästchen, das mit zwei goldenen Schlössern versehen war.
    Ich bückte mich und nestelte mit den Fingern an den Schlössern herum - aber sie wollten nicht aufgehen.
    Enttäuscht ging ich wieder zurück zu dem Wasserfall.
    Plötzlich sah ich im Wasser, das einen runden Teich in dem felsigen Boden ausgespült hatte, etwas glitzern.
    Ich griff in das eiskalte Wasser. Als ich die Hand öffnete, lag ein kleiner Schlüssel darin.
    Sofort rannte ich wieder zu der Kiste zurück und probierte den Schlüssel an einem der beiden Schlösser aus. Und - tatsächlich! Er ließ sich ganz leicht herumdrehen!
    Jetzt probierte ich ihn auch an dem zweiten Schloß. Aber - nein! Er sperrte nicht!
    Plötzlich merkte ich, daß es bereits dämmerte. Ich mußte nach Hause. Schnell sperrte ich das eine Schloß wieder zu, steckte den Schlüssel in die Tasche und lief heim.
    Am nächsten Tag stand ich wieder vor dem Wasserfall.
    Da sah ich hoch oben, wo das Wasser von den Felsen herabstürzte, etwas glitzern. Ich versuchte sofort, emporzuklettern. Als ich fast oben war, griff ich schnell nach dem glitzernden Ding, das sich als Schlüssel herausstellte.
    Doch als ich ihn schließlich in meiner Hand hielt, merkte ich zu spät, wie mir der andere Schlüssel aus der Tasche rutschte, hinabfiel und sofort vom Wasser weggespült wurde.
    Und so kletterte ich wieder herab und warf den Schlüssel, den ich soeben geholt hatte, auch ins Wasser, da ich ja wußte, daß ich das eine Schloß wieder zugesperrt hatte und er mir somit nichts nützen würde. Und auch er wurde sofort von der Strömung hinfortgespült.
    Da hörte ich es wieder rascheln. Und wieder lief ich in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Und wieder war niemand da, nur das Kästchen stad immer noch hier. Und als ich sie näher betrachtete, sah ich plötzlich, daß das eine Schloß doch nicht zugesperrt war!
    Da kam mir die Erkenntnis, daß ich etwas sehr Törichtes getan hatte. Traurig ging ich zurück.
    Und wieder stand ich vor dem Wasserfall.

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  • Ein kleiner Junge ging eines Tages in den Wald um Beeren zu suchen, denn er hatte seit Tagen nichts gegessen.
    Als er fertig war, lief er froh vor sich hin singend aus dem Wald heraus. Seine armen Eltern würden sich bestimmt über die Beeren freuen.
    Plötzlich fiel ihm ein roter Apfel vor die Füße. Er bückte sich und hob ihn auf. Er sah, daß der Apfel schon fast überreif war. Da biß er hinein. Der Apfel schmeckte wirklich gut!
    So machte er sich noch fröhlicher auf den Heimweg.
    Er war so vertieft in seine Gedanken, daß er den Räuber nicht bemerkte, der lauernd hinter einem Baum stand und auch seit Tagen nichts mehr zwischen die Zähne bekommen hatte. Als der Junge nahe genug herangekommen war, stürzte er sich mit Gebrüll auf ihn.
    Dann machte er sich zuerst über die Beeren und dann über den Rest des Apfels her. Das Grips warf er einfach an den Wegrand.

    Jahre später war aus dem Grips ein wunderschöner Apfelbaum geworden.
    Der Räuber erinnerte sich längst nicht mehr daran, als er wieder bei dem Apfelbaum vorbeikam.
    Als er genau darunter stand, fiel ihm ein Apfel vor die Füße. Er hob ihn vom Boden auf und biß herzhaft hinein. Doch als er die saftigen Stücke hinunterschlucken wollte, schmeckte er etwas Bitteres. Er spuckte das (wie er glaubte) faule Zeug aus - und siehe da: In den Stücken ringelte sich ein Wurm!
    Der Räuber ekelte sich und wollte verschwinden, doch eine unsichtbare Macht hielt ihn fest!
    Und als er sich wieder zu dem Wurm umdrehte, glaubte er seinen Augen kaum zu trauen: Aus dem kleinen Wurm war ein riesiges Monster geworden!
    Der Räuber schrie auf und wollte weglaufen, doch wieder hielt ihn die unsichtbare Macht fest.
    Der Wurm war mittlerweile mindestens zehn Meter hochgeworden! Doch er gab keinen Laut von sich.
    Da rief der Räuber zu ihm auf: "Wer oder was bist du? Und was willst du von mir?"
    "Ich bin die Seele des armen Jungen, den du vor Jahren überfallen und getötet hast!"
    Da erinnerte sich der Räuber. "Aber...was willst du nun von mir...?" fragte er mit zitternder Stimme.
    "Ich werde mich nun an dir rächen!"
    "Aber...wie...?"
    "Ich werde dich in einen Apfel verbannen! Und wenn eines Tages jemand den Apfel ißt, wird dich meine Rache treffen: Du wirst langsam zerstückelt und aufgefressen werden!"
    Der Räuber schrie, außer sich vor Angst: "Neeiiin!!!"
    Doch da war es schon geschehen: Er saß mitten in einem Apfelgehäuse! Dort würde er voller Angst auf seinen schrecklichen Tod warten müssen!
    Der Räuber schrie, so laut er konnte.
    Doch natürlich hörte ihn niemand. Denn...wer hört schon einem Räuber in einem Apfel zu...?!

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  • *schmunzel*

    Ein bisschen Spaß muss sein, mhm? ;)

    Ein Funke, kaum zu sehen, entfacht doch helle Flammen.  [color=#000000]eg 659

  • Leila wusste schon immer, dass sie irgendwie anders war. Heute war wieder ein Tag an dem sie dies besonders spürte. Es war Vollmond. Sie stand am Fenster und schaute in die kalte Winternacht. Überall glitzerte der Schein des Mondes. Sie hatte Lust in der Nacht in den Wald zu gehen. Nur ihre Eltern durften davon nichts erfahren. Sie waren streng katholisch und hielten nichts von ihrem Hang zum Mond. "Du hörst dich ja schon wie eine Hexe an!", schimpften sie immer, wenn sie vom Mond und den Naturgeistern schwärmte, die sie immer wieder sah, was ihr natürlich keiner glaubte. Warum waren sie nur so abweisend, wenn es darum ging, dass sie ihren Glauben nicht teilen konnte?
    Als ihre Eltern schließlich schliefen, packte sie schnell ein wenig zu essen und zu trinken ein, zog sich ihre wärmsten Sachen an und schlüpfte aus dem Fenster, sodass ihre Eltern nicht durch den Laut der Tür aufgeweckt wurden. Der Weg zu dem großen Wald, den sie so liebte, führte zunächst an einer Straße entlang. Sie wusste um eine Stelle tief im dichten Gehölz verborgen, wo sie manchmal einige Leute in langen Gewändern beobachtet hatte. Als sie das ihrer Großmutter erzählt hatte, ermahnte diese sie dazu, nie wieder dort hinzugehen, da das sehr böse Leute waren. Natürlich hielt sie sich nicht daran. Auch heute, wie bei jedem Vollmond konnte sie sie wieder entdecken. In der Mitte der Lichtung brannte ein großes Feuer. Alle trugen sie lange Roben in verschiedenen Farben. Sie warfen stark duftende Kräuter in das Feuer. Dann blickten sie alle zum Mond auf, hoben ihre Hände gen Himmel und begannen zu summen. Das Summen wurde immer lauter und Leila konnte förmlich die Energie spüren, die sie damit heraufbeschworen. Plötzlich trat eine der dunklen Gestalten in die Mitte zum Feuer, streute erneut Kräuter hinein und murmelte etwas in einer fremden uralten Sprache. Leila verstand kein Wort. Sie blickte gebannt auf das Feuer, das auf einmal Figuren zu bilden schien. Aus den verschwommenen Konturen entstand langsam die Gestalt eines Drachen. Sie wurde größer und größer und immer lebendiger. Was geschah dort? Sah sie das alles nur in ihrer Phantasie, oder geschah es wirklich? Das war zu viel für sie. Sie packte ihre Sachen und rannte so schnell wie möglich hinaus aus dem Wald, der ihr plötzlich unheimlich erschien, weg von der Magie, die sie gerade gesehen hatte. Es erschien ihr unpassend jetzt nach Hause in ihr Zimmer zu gehen. Deshalb ging sie zu dem kleinen See in der Wiese neben dem Wald. Sie setzte sich und trank etwas von dem eiskalten Wasser aus der kleinen Quelle, die den See mit Wasser versorgte. Sie blickte in den See und sah, wie der Mond sich spiegelte. Was waren das für Leute? Irgend etwas hatte ihr Herz berührt, als sie ihr Ritual beobachtet hatte. Sie nahm sich vor, am nächsten Tag noch einmal zu der Lichtung zu gehen und sich umzusehen. Nachdem sie diesen Entschluss gefasst hatte, bemerkte sie erst, wie bitterkalt es geworden war. Deshalb ging sie nun verwirrt nach Hause durch das Fenster in ihr Zimmer. Sie konnte lange kein Auge zu machen und dachte noch bis spät in die Nacht über ihr Erlebnis nach. Schließlich musste sie doch eingeschlafen sein, denn am nächsten Morgen erwachte sie mit starken Kopfschmerzen. Das mussten die Kräuter gewesen sein.
    Wie sie es sich vorgenommen hatte, kehrte sie zu der Stelle im Wald zurück. Natürlich war keiner mehr dort. Was hatte sie sich erhofft? Doch sie fand nach langem Suchen einen Ring mit einer Mondsichel, den wohl jemand vergessen haben musste, im Schnee. Sie nahm ihn auf und steckte ihn sich an. Er passte ihr. Da er ihr sehr gut gefiel, entschloss sie sich, ihn mitzunehmen und am nächsten Vollmond mit einem Brief wieder auf den Waldboden zu legen.
    Die nächsten Tage bestimmte wieder der Alltag in dem sie zur Schule gehen musste und keinem etwas erzählen konnte. Sie träumte, wie sooft, vor sich hin und passte eigentlich nicht wirklich auf. Wenn sie aufgerufen wurde, war sie mit ihren Gedanken wieder im Wald und wusste keine Antwort. Sie zählte die Tage bis zum nächsten Vollmond und betrachtete immer öfter den geheimnisvollen Ring.
    Dann nach endlosen Tagen des Wartens war es endlich so weit: Der Mond stand in seiner vollen Pracht wieder am Himmel. Sie schrieb einen Brief, in dem sie nach mehr Informationen über das Vollmondritual fragte und kurz erklärte, wie sie sie entdeckt hatte. Am Abend ging sie unter dem Vorwand einen Spaziergang machen zu wollen wieder in den Wald. Sie schaute sich schnell um und legte den Zettel mit dem Ring an eine gut sichtbare Stelle. Sie war sich sicher, keinen gesehen oder gehört zu haben. Da musste sie sich jedoch geirrt haben, da plötzlich eine Hand ihre Schulter berührte und sie zusammenzucken ließ. Sie drehte sich langsam um und blickte in ein gutmütiges Männergesicht. Er war höchstens 20, doch aus seinen Augen sprach eine Weisheit, die sie nur aus den Augen von sehr alten Menschen kannte. Er blickte sie lange schweigend und lächelnd an, dann sagte der in eine lange Robe gehüllte Mann: "Du hast meinen Ring gefunden, wie ich sehe. Wie bist du auf diese Lichtung gestoßen und was weißt du über sie?" Leila versank in seinen sanften Augen und wusste nicht, was sie antworten sollte. Es schien, als würde seine bloße Anwesenheit sie so aus der Bahn werfen, dass sie keinen vernünftigen Entschluss mehr fassen konnte. Sie stammelte darauf los: "Also, äh ... ich war hier beim letzten Vollmond. Und ... äh .. ich habe euch gesehen. Was habt ihr da gemacht? Wer seid ihr?" Er lächelte. Ihn schien nichts aus der Ruhe bringen zu können. "Hast du schon einmal etwas vom alten Glauben gehört? Wir sind Druiden. Wir glauben an Magie und praktizieren sie auch. Man könnte uns auch als Hexen bezeichnen, allerdings wird dieses Wort meistens mit etwas Negativem verbunden. Ich erkenne an deinen Augen, dass dir unser Ritual sehr nahe gegangen ist. Ich lade dich heute dazu ein, mehr über uns zu erfahren. Komm heute Abend hier her und sehe zu, wenn wir den Drachen beschwören. Ich freue mich darauf, dir zeigen zu können, dass es Dinge gibt, die man nicht mit Vernunft erklären kann. Ich bitte dich: Hab keine Angst. Ich erwarte dich. Den Ring schenke ich dir. Er wird dir Glück bringen. Bis dann!" Daraufhin drehte er sich um und verschwand im Wald. Ohne ein weiteres Wort. Sie hatte nicht einmal mehr die Gelegenheit, sich zu bedanken. Er verschwand einfach.
    Nachdem sie zu Abend gegessen hatte und darauf gewartet hatte, dass ihre Eltern eingeschlafen waren, schlich sie sich wieder durch das Fenster. Sie gelangte zu der Lichtung und trat etwas scheu unter die vielen Fremden. Er empfing sie herzlich und stellte sie allen vor.
    Das war das erste Mal, dass sie bei einem ihrer Rituale teilnahm. Von diesem Tag an, kam sie zu jedem Vollmond in den Wald. Sie lernte jedes Mal ein wenig mehr. Nach einem Jahr und einem Tag konnte sie sich schließlich auch eine Hexe nennen. Ihre Eltern erfuhren nie etwas davon. Sie gewann viele Freunde und besonders Elian, der ihr den Ring geschenkt hatte wuchs ihr sehr ans Herz. So hatte sie endlich ihren wahren Glauben gefunden und fühlte sich wohl bei allem, was sie tat. Die Magie des Mondes hatte sie gefesselt und sie in eine vergangene Welt entführt, in der sie noch viel erleben konnte.

    Eine Blume die ihren Kopf h�ngen l�sst,
    hat die Kraft verloren noch dran zu glauben,
    dass sie wasser bekommt zum Leben.

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  • Es ist schon wichtig, dass Igel Stacheln haben. Ein Igel ohne Stacheln wäre verloren. Das wissen alle - auch die Igel.

    Sie pflegen deshalb ihre Stacheln und hegen sie. Mit Recht. Es gibt selbstverständlich - wie überall - Ausnahmen.

    Ein Igel namens Igelstein verliebte sich in ein graumeliertes Hauskätzchen, das Rosamunde hieß. Und das passierte morgens, an einem Frühlingstag in einem Garten. Da stand Rosamundes Milchschälchen, wie jeden Morgen mit schneeweißer Milch gefüllt.

    Rosamunde freute sich auf ihr Frühstück. Aber da sah sie den Igel, wie er ihre Milch schleckte. "Sie", sagte das Kätzchen, " sind sie zum Frühstück eingeladen? Mir ist nichts bekannt." Der Igel Igelstein trank noch ein bisschen und hob dann sein Köpfchen. Er war wie vom Blitz getroffen. Die Rosamunde gefiel ihm so gut, dass er keinen Tropfen Milch mehr schlucken konnte.

    Rosamunde war wirklich eine Schönheit, wie gesagt, graumeliert, mit Saphieraugen und einem bezaubernden Schnurrbart. "Jetzt hab ich keine Worte mehr", sagte der Igel. "Aber morgen komme ich wieder. Adieu." "Sie sind eingeladen", sagte Rosamunde. " Ich frühstücke gerne zu zweit. Aber kommen sie ohne Stacheln."

    Igelstein war ausser sich. Das Kätzchen hatte es ihm wirklich angetan. Und die Milch selbstverständlich auch.. Er ging also zum Sägevogel und liess ich die Stacheln absägen. Und weil er verliebt war, wuchs aus den Stacheln grünes Moos mit gelben Pfifferlingen, auch Walderdbeeren. Und kleine Igelblümchen.

    Am nächsten Morgen kam Igelstein wieder zum Frühstück, aber das Kätzchen erkannte ihn nicht. Sie trank ihre Milch und sagte sich immer wieder: "Igel sind das selbe Gesindel wie Kater." Der Igel war so hingerissen von ihr, dass er kein Wort herausbrachte. Und das Kätzchen sagte:" Da ist ein kleines, sonniges Hügelchen, da leg ich mich hin." Und sie legte sich auf den Igel und schlief sofort ein.

    Der Igel verhielt sich ganz ruhig, und er sagte sich: "Jetzt bleibe ich im Garten als Hügel, und mehr brauche ich nicht. Und etwas Milch vom Frühstück erwische ich unauffällig schon immer."

    Und so entstand aus dem Igel ein Hügel; der wuchs und wuchs.

    Die Kinder nannten ihn Katzenhügel oder auch Kakteenhügel, weil inzwischen die Stacheln ein bisschen nachgewachsen waren.

    Der Igel schlief und schlief und wachte nur zum Frühstück auf. Dann schleckte er ein bisschen Milch, schaute sich glücklich um und schlief wieder ein.

    Das Kätzchen war inzwischen erwachsen geworden und liebte ihren sonnigen Hügel und der Igel liebte Rosamunde, so verband beide eine innige Liebe.

    Eine Blume die ihren Kopf h�ngen l�sst,
    hat die Kraft verloren noch dran zu glauben,
    dass sie wasser bekommt zum Leben.

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  • Es war wieder einmal so weit. Das Fest der Erinnerungen stand ins Haus und alle Tage und Nächte der Vergangenheit hatten sich versammelt. Überall wurde gelacht, geschunkelt und erzählt. Von längst vergangenen Liebesnächten in einer heißen Sommernacht, von dunklen, mit Nebelschwaden durchdrungenen Nächten der Räuber, Spitzbuben und Mörder, aber auch von taghellen Nächten der Mitternachtssonne im hohen Norden unseres Kontinent ebenso, wie von herrlichen Nächten einer Sternen klaren Winternacht oder der Stille einer verheißungsvollen Weihnachtsnacht. Doch je fröhlicher alle wurden, umso trauriger wurde unser kleines Nachtkind. Es kannte die Erde nur vom zuhören bei den Erwachsenen und wartete bereits seit Monaten auf seinen Einsatz. Es war nicht so schön wie die anderen Nachtkinder und selbst ihr Aussehen gab den anderen Nachtkindern immer wieder Anlass zu Spottverse und Hohn. Ihr Kleid sah immer etwas zerknittert aus und war überall mit Flecken und Farbkleckse besudelt. An einigen Stellen schien es sich sogar um kleine Brandlöcher zu handeln und gab den anderen Nachtkindern immer wieder allerlei Anlass zum Spott. Selbst in der Schule, wo alle Nachtkinder auf ihr kommendes Leben vorbereitet wurden, gingen ihr manche Klassenkameraden aus dem Weg oder zeigten lachend mit dem Finger auf ihr ärmlich aussehendes Kleidungsstück. "Schaut nur!" riefen sie dann: "Noch nicht einmal ein Stück Zwirn zum nähen der Löcher hat seine Mutter! Das wird eine schöne Nacht werden wenn du auf die Erde musst und wer weiß wer dein Vater ist? Bei deinem komischen Aussehen mit all den schwarzen Flecken im Gesicht?" Die größte Demütigung für das kleine Nachtkind aber waren die Spottverse der anderen Kinder, wenn sich diese wieder einmal über ihre bunten Sommersprossen in seinem Gesicht lustig machten. Dann ging das kleine Nachtkind meist in sein heimliches Himmelsversteck und weinte still vor sich hin, während die anderen Nachtkinder ihm dabei laut johlend hinterher riefen:

    "Sommersprossen groß und weit, schaut euch an das hässlich Kleid,

    schwarze Fetzen, Fleckenkleid, was soll das sein? Welche Zeit"?

    Dann liefen sie laut lachend hinüber zur nächsten Wolke und spielten gegen die Tagkinder ein fröhliches Fußballspiel, während dem kleinen Nachtkind immer noch die nachhallenden Spottverse schmerzten.

    All die Nacht und Tagkinder wussten das ihr Leben nur einen Tag oder eine Nacht andauern würde. Eben so wie das Schicksal aller Tage und Nächte auf dieser Welt. Doch so wunderlich die kleine Nacht auch aussah, niemand konnte ihr sagen, ob sie eine gute oder schlechte Nacht werden würde? Auch konnte dem kleinen Nachtkind niemand sagen, wann es endlich soweit sein würde, das es endlich auf die Erde durfte?

    Doch am späten Abend, das kleine Nachtkind hatte sich bereits seit Stunden darüber gewundert, das noch niemand mit ihm gehänselt hatte, war plötzlich alles anders. Die Schule war bereits früh zu ende gegangen und selbst die Lehrer schienen bereits seit dem frühen Morgen mit ihren Gedanken ganz woanders zu sein. Überall wurde geputzt und sauber gemacht. Die Wolken wurden gefegt und selbst die Sterne wurden so lange poliert, bis sie nur noch so glänzten, wie es das kleine Nachtkind noch nie gesehen hatte. Denn seit Stunden war der größte Feiertag des Jahres in vollem Gang. Der Tag der Erinnerungen neigte sich bereits langsam dem Ende, während sich die Nächte bereits auf ihre im Anschluß daran folgente Nachtfeier einstimmten. Jene Tagnacht, an dem sich alle Nächte und Tage der Vergangenheit trafen, um sich und den zukünftigen Tagen und Nächten von ihren Erfahrungen auf der Erde zu erzählen. Irgendwo, genau an jenem Wolkenort, an dem sich zu Beginn aller Zeiten einst der Herrgott mit all seine Mitstreiter getroffen hatte, um die Aufteilung der Welt in Tag und Nachtstunden zu bestimmen. Jener geheime Ort der Zeit, an dem die Trolle seit Ewigkeiten Wache hielten um den Vertrag der Träume für immer zu beschützen, auf das keinem Kind im Traum ein Leid geschehen mag!

    Eine Blume die ihren Kopf h�ngen l�sst,
    hat die Kraft verloren noch dran zu glauben,
    dass sie wasser bekommt zum Leben.

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